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Firmenkredite: Viele KMU sind entmutigt

Eine grosse Zahl an KMU in der Schweiz hätte zwar einen Kredit nötig – verzichtet aber auf den Gang zur Bank. Was ist der Grund für diese Entmutigung?
Umfrage zeigt: Eine Mehrheit der KMU stuft die Kreditkosten als zu hoch ein. (Bild: Shutterstock)

Die Schweiz ist ein Land der kleinen und mittleren Unternehmen (KMU): Knapp 600’000 KMU stellen zwei Drittel aller Arbeitsplätze. Angesichts dieser wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Bedeutung stellt sich die Frage: Wie sind die KMU finanziell aufgestellt?

Um die Finanzierungssituation von Schweizer KMU zu analysieren, haben wir im Auftrag des Staatssekretariats für Wirtschaft (Seco) im Frühjahr 2021 eine Befragung bei 2712 Schweizer KMU durchgeführt.[1] Beim Finanzbedarf wurden die staatlichen Covid-19-Kredite explizit nicht berücksichtigt, um die Vergleichbarkeit mit früheren Studien zu gewährleisten.

Auf den ersten Blick wirkt alles bestens: Die Banken lehnten lediglich 3 Prozent aller Kreditanträge von KMU ab. Das ist auch international ein tiefer Wert, so betrug die Ablehnungsquote im Euroraum im Jahr 2020 beispielsweise 5 Prozent.[2] Zudem scheinen Schweizer KMU grundsätzlich zufrieden mit ihren Bankbeziehungen. Nur 1,4 Prozent der befragten KMU wechselten 2021 ihre Hausbank.

Der Anteil an Firmen ohne Bankkreditbedarf ist 2021[3] mit 85 Prozent etwas höher als noch im Jahr 2016, als 75 Prozent keinen Kreditbedarf aufwiesen. Die Ablehnungsquote auf der Bankenseite ist zudem tiefer als vor fünf Jahren. Im Jahr 2016 wurden 6 Prozent aller Kreditanträge der KMU abgelehnt, 2021 lag diese Quote bei 3 Prozent.

Viele «Entmutigte»

Alles gut somit? Nein, denn auf den zweiten Blick zeigt sich: Unter den Befragten gibt es eine grosse Gruppe von «entmutigten» Kreditnehmenden. Jedes zehnte KMU weist zwar einen Finanzierungsbedarf auf, beantragt aber aus diversen Gründen dennoch keinen Kredit. Dies ist eine deutliche Zunahme gegenüber 2016. Damals zählten erst 6 Prozent aller Befragten zur Gruppe der Entmutigten. Überdurchschnittlich viele Entmutigte gibt es in der Westschweiz (15%), im Tessin (19%) sowie bei Kleinstfirmen (10%).

Die Gruppe der entmutigten Firmen ist insgesamt mehr als 60-mal so gross wie die Gruppe der KMU, die trotz eines Kreditantrags keinen Kredit erhalten haben. Bei einer Gesamtpopulation von 161’400 KMU in unserem Zielsegment der KMU mit mehr als zwei Mitarbeitenden gehören also schätzungsweise rund 16’000 Schweizer KMU in die Gruppe der entmutigten Firmen.[4]

Zu hohe Anforderungen

Warum haben diese entmutigten KMU trotz Finanzierungsbedarf keinen Bankkredit beantragt? Knapp vier von fünf in dieser Gruppe gaben als Grund an, die Banken stellten zu hohe Anforderungen an die geforderten Sicherheiten und Garantien.

Mehr als jedes zweite entmutigte KMU beantragte keinen Kredit, weil es davon ausging, dass dieser von der Bank nicht bewilligt wird. Zwei Drittel bezeichneten den Kreditprozess als «zu mühsam». Trotz des damals tiefen Zinsumfeldes rechneten 57 Prozent der entmutigten Unternehmen mit zu hohen Kosten für den Kredit. 43 Prozent gaben an, dass sie einfachere und günstigere Alternativen für ihren Finanzierungsbedarf gefunden haben. Bei den Antworten waren Mehrfachnennungen möglich.

Gründe für Entmutigung von KMU bei der Kreditsuche

Anmerkung: Die Frage an die Firmen lautete: Warum haben Sie eine Bankfinanzierung nicht beantragt? (Filter: Hätte Ihr Unternehmen in den vergangenen 12 Monaten eine Bankfinanzierung (ohne Covid-Kredit) benötigt, diese aber nicht beantragt? = ja) / Quelle: Dietrich, A., Wernli, R., Berchtold, N. (2021) / Die Volkswirtschaft

 

Allerdings ist unsere Definition der entmutigten KMU relativ weit gefasst. Die Europäische Zentralbank (EZB) zählt in einer ähnlichen Analyse beispielsweise als Entmutigte nur Firmen, die davon ausgehen, dass der Kredit nicht bewilligt würde.[5] Würde diese engere Definition auch für unsere Studie angewandt, würden der Gruppe der entmutigten KMU nicht mehr 10 Prozent, sondern noch 6,7 Prozent aller Schweizer KMU angehören. Doch auch damit liegt die Schweiz über dem Durchschnitt des Euroraums von 5 Prozent im Frühjahr 2021.3

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Was tun? Eine Studie mit den Daten aus dem Jahr 2016 zeigt, dass viele entmutigte Kreditnehmende einen Kredit erhalten hätten, wenn sie ihn beantragt hätten.[6] Gemäss vorsichtigen Schätzungen hätten damals mindestens 5000 KMU von insgesamt 10’000 entmutigten KMU mehr einen Kredit erhalten, wenn sie gefragt hätten.

Analysiert man die von den KMU genannten Hauptgründe für die Entmutigung, so ergeben sich drei Möglichkeiten, die Anzahl der entmutigten Unternehmen zu reduzieren.

Erstens stuft, wie erwähnt, eine Mehrheit der KMU die Kreditkosten als zu hoch ein. Um rasch Transparenz zu schaffen, könnten Banken beispielsweise im E-Banking einen indikativen Zinssatz anbieten. Dazu müssten die KMU die wichtigsten Unternehmensdaten eingeben. Da viele KMU nur eine einzige Bankbeziehung pflegen, müsste das Instrument möglichst flächendeckend eingeführt werden. Klar scheint: Mit solchen Angeboten sind die Banken für KMU attraktiv – und können möglicherweise neue Kunden gewinnen.

Antwort in Echtzeit

Zweitens betrachten wie erwähnt 65 Prozent der entmutigten Kreditnehmer das Antragsverfahren als umständlich. Geschäftsbanken könnten auf dieses Problem reagieren, indem sie den Kreditprozess generell vereinfachen oder bestehenden und potenziellen Firmenkunden die Möglichkeit geben, einen Kreditantrag online zu stellen. Alle Dokumente, die mit dem Kreditantrag zusammenhängen, könnten online eingereicht werden. Sobald alle erforderlichen Unterlagen eingereicht worden sind, sollten die Kunden eine vorläufige Antwort in Echtzeit und eine endgültige Kreditentscheidung innerhalb von 24 bis 48 Stunden erwarten.

Ein einfacheres Antragsverfahren könnte vor allem Kleinstfirmen helfen. Allerdings dürften einige KMU zögern, ihre Zahlen offenzulegen und persönliche und unternehmensbezogene Daten zu übermitteln. Eine anonyme Abfrage der Kreditkonditionen könnte deshalb dazu beitragen, die Hemmschwelle für ein unverbindliches Angebot weiter zu senken.

Bürgschaften bekannter machen

Etwas schwieriger zu lösen scheint das dritte Problem: die benötigten Kreditsicherheiten. Denn hier gibt es für die Banken angesichts der regulatorischen Vorgaben und der von den Banken definierten Risikopolitiken kaum Handlungsspielraum.[7]

Einen Ausweg bieten möglicherweise Bürgschaften für KMU: In der Schweiz unterstützt der Bund leistungsfähige und lebensfähige KMU bei der Beschaffung von Bankkrediten, indem er Kreditgarantiegemeinschaften (sogenannte Bürgschaftsorganisationen) finanziert. Diese Bürgschaften gelten für Kredite bis 1 Million Franken. Der Bund versichert bis zu 65 Prozent des damit verbundenen Risikos. Die Bürgschaftsorganisationen decken die verbleibenden 35 Prozent ab.

Dieses Instrument könnte einigen KMU helfen, einen Kredit zu tieferen Zinskosten zu erhalten. Allerdings sind sich nur 26 Prozent der Schweizer KMU dieser Möglichkeit bewusst, und lediglich 3 Prozent haben davon je Gebrauch gemacht. Die politischen Entscheidungsträger sowie auch Branchenorganisationen könnten deshalb dieses Angebot bei den KMU weiter bekannt machen.

Des Weiteren würde eine Reform des Schweizer Mobiliarsicherheitsrechts, wie dies eine Motion des Mitte-Ständerats Beat Rieder fordert, die Situation vieler KMU möglicherweise verbessern. So haben im Rahmen internationaler Rechtsangleichungen über die vergangenen Jahre einige Länder bereits besitzlose Mobiliarsicherheiten eingeführt.

Insgesamt besteht also sowohl bei den Banken und in der Politik als auch bei den KMU selber Handlungsbedarf.

  1. Dietrich, Wernli und Berchtold (2021). Die Befragung wird alle vier Jahre durchgeführt. []
  2. EZB (2020). []
  3. Untersuchungszeitraum Frühling 2020 bis Frühling 2021. []
  4. Dietrich, Wernli und Berchtold (2021): 8–9. []
  5. EZB (2021). []
  6. Dietrich und Wernli (2021). []
  7. Der Anteil von ungedeckten Inlandkrediten an KMU ist seit Jahren rückläufig (SNB, 2022). []

Literaturverzeichnis

Bibliographie

Zitiervorschlag: Andreas Dietrich, Reto Rey (2022). Firmenkredite: Viele KMU sind entmutigt. Die Volkswirtschaft, 05. April.