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Der Tourismus in der Schweiz soll nachhaltiger werden

Die Tourismuspolitik der Schweiz soll künftig stärker auf die nachhaltige Entwicklung ausgerichtet werden. Konkrete Massnahmen gibt es bereits – etwa die Initiative Swisstainable.

Der Tourismus in der Schweiz soll nachhaltiger werden

Durch nachhaltigere Produktion und mehr Biodiversität trägt der Tourismus auch zu den Nachhaltigkeitszielen der UNO bei. Bioweinbau im Thurgau. (Bild: Keystone)

Der Bundesrat hat im November 2021 mit der neuen Tourismusstrategie Leitplanken für die Weiterentwicklung der Tourismuspolitik der Schweiz gelegt. Neu enthält die Tourismus­politik des Bundes ein explizites Nachhaltigkeitsziel. Mit dem hinzugekommenen Nachhaltigkeitsziel wird die Tourismuspolitik der Schweiz zukünftig stärker auf die nachhaltige Entwicklung ausgerichtet.

Das neue Nachhaltigkeitsziel bildet damit die zentrale mittlere Säule des «Hauses der Tourismuspolitik» (siehe Abbildung). Zudem ist dieses Ziel ein sogenanntes Transversalthema. Das bedeutet, es hat wesentliche Bezüge zu den anderen vier tourismus­politischen Zielen. Diese sind: bessere Rahmenbedingungen, Unternehmertum fördern, Chancen der Digitalisierung nutzen sowie die Angebotsattraktivität und den Marktauftritt stärken.

Alle diese tourismuspolitischen Ziele sind auch für eine nachhaltige Entwicklung des Schweizer Tourismus relevant. Das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco), das verantwortlich ist für die Umsetzung der neuen Tourismusstrategie, schenkt dem transversalen Charakter der Nachhaltigkeitsthematik eine besondere Beachtung.

Die Tourismuspolitik des Bundes

Quelle: Tourismusstrategie, S. 39 / Die Volkswirtschaft

 

Ökonomisch und ökologisch wertvoll

Das Nachhaltigkeitsverständnis in der Tourismuspolitik des Bundes betrifft alle drei Elemente: wirtschaftliche, soziale und ökologische Nachhaltigkeit. Demzufolge soll sich die Schweizer Tourismus­wirtschaft ökonomisch erfolgreich entwickeln können und gleichzeitig verantwortlich mit der Umwelt umgehen. Zudem soll sie ihre gesellschaftliche Verantwortung wahrnehmen und krisenfester werden. Wichtige Schalthebel dafür sind etwa die Steigerung der wirtschaftlichen Produktivität sowie der ökologischen Ressourcen­effizienz.

Konkret bedeutet das vor allem zwei Dinge: Erstens soll sich das Tourismusland Schweiz international als Nachhaltigkeitsleader positionieren – und zwar in möglichst vielen Bereichen. Deshalb will man künftig erheben, wie die Gäste die Schweiz als nachhaltige Destination wahrnehmen. Gleichzeitig sollen internationale Nachhaltigkeits­rankings wie etwa der Travel & Tourism Competitiveness Report des Weltwirtschaftsforums (WEF), der Adventure Tourism Development Index der Adventure Travel Trade Association und der George Washington University oder der Environmental Performance Index der amerikanischen Yale University in die Beurteilung mit einbezogen werden.

Zweitens soll die Tourismus­politik einen Beitrag zur übergeordneten Strategie Nachhaltige Entwicklung 2030 des Bundes («SNE 2030») leisten. Diese hat der Bundesrat im Juni 2021 verabschiedet. Damit verbunden, soll die Tourismuspolitik der Schweiz auch zur Erreichung der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung der UNO (Sustainable Development Goals, SDG) beitragen. Die Tourismuspolitik kann dabei insbesondere zu drei Schwerpunkt­themen der SNE 2030 einen Beitrag leisten: «Nachhaltiger Konsum und nachhaltige Produktion», «Klima, Energie, Biodiversität» und «Chancen­gleichheit». Letzteres bedeutet unter anderem, dass die Barrierefreiheit der touristischen Angebote verbessert und diese so besser zugänglicher werden für Menschen mit Behinderung.

Konkrete Kriterien klären

Es gilt nun, diese drei thematischen Zielsetzungen zu operationalisieren und konkrete Aktivitäten und Massnahmen in die Wege zu leiten. Das Seco setzt hierbei den Rahmen und unterstützt entsprechende Initiativen und Projekte. Beispielsweise ist bisher noch unklar, was unter Nachhaltigkeitsleader genau zu verstehen ist. Welche konkreten, messbaren Ziele beinhaltet dies, und wo steht die Schweiz im internationalen Vergleich? Das Seco wird hierzu in den nächsten Jahren – in Zusammen­arbeit mit dem Bundesamt für Statistik (BFS) – unter anderem die Erarbeitung eines Mess- und Monitoring­konzepts für die nachhaltige Entwicklung im Schweizer Tourismus prüfen.

In der neuen Tourismusstrategie sind auch bereits erste Konkretisierungen bezüglich der umzusetzenden Aktivitäten und Massnahmen aufgeführt. Folgende vier Schwerpunkte sollen in den nächsten Jahren im Vordergrund stehen. Erstens: die Erhaltung und Inwertsetzung von Baukultur, Landschafts­qualität und Biodiversität; zweitens: die Anpassung an den Klimawandel; drittens: die nachhaltige touristische Mobilität; und viertens: die Umsetzung und Weiterentwicklung der Nachhaltigkeitsinitiative Swiss­tainable (siehe Kasten).

Erfolgsvoraussetzung ist eine intensive Zusammenarbeit zwischen dem Seco und weiteren Stellen innerhalb der Bundesverwaltung sowie mit bundesexternen Partnern. Vorbildlich funktioniert dies bereits in der Thematik Baukultur, Landschaftsqualität und Biodiversität, wo eine Arbeitsgruppe mit Mitgliedern aus dem Seco, dem Bundesamt für Umwelt (Bafu) und dem Bundesamt für Kultur (BAK) aufgebaut worden ist. Das Resultat dieser Zusammenarbeit ist eine Liste mit konkreten Massnahmen, die in den nächsten Jahren angegangen und umgesetzt werden sollen. Dazu zählen etwa die Fortführung der vom BAK und von Schweiz Tourismus entwickelten Kampagne «Verliebt in schöne Orte» oder die Entwicklung eines Leitfadens «Landschaft und Baukultur lesen» als Hilfestellung für touristische Akteure.

Vier zentrale Instrumente

Damit die tourismuspolitischen Nachhaltigkeitsziele erreicht werden können, sind insbesondere vier Förderinstrumente des Bundes von zentraler Bedeutung: die nationale Marketingorganisation Schweiz Tourismus, die vom Bund finanzierte Schweizerische Gesellschaft für Hotelkredit (SGH), das Innovationsförderprogramm Innotour und die Neue Regionalpolitik (NRP), mit der Bund und Kantone die regionalwirtschaftliche Entwicklung unterstützen. Die bundesnahen Organisa­tionen Schweiz Tourismus und SGH, die beide vom Seco beaufsichtigt werden, haben bereits oder entwickeln eigene Nachhaltigkeits­strategien. Bei Innotour und der NRP erarbeitet das Seco Nachhaltigkeitskonzepte – bei der NRP werden dazu auch die Kantone mit einbezogen.

Dieses dezentrale Vorgehen stellt sicher, dass die Nachhaltigkeitsbestrebungen bei allen vier Förderinstrumenten jeweils abgestützt auf ihren Förderauftrag und ihre gesetz­liche Grundlagen erfolgen. So stehen etwa bei Schweiz Tourismus im Tourismus­marketing neben Swisstainable drei weitere Hebel für eine nachhaltige Entwicklung des Tourismuslandes Schweiz im Fokus. Einerseits versucht Schweiz Tourismus mit seiner Werbung die Gästeströme über die ganze Schweiz zu verteilen, andererseits fördert es den Ganzjahrestourismus. Das heisst: Touristen sollen nicht nur im Winter und im Sommer in die Schweiz reisen, sondern ebenso in den Nebensaisons. Heute liegen die Hotelübernachtungszahlen in den Spitzenmonaten (Juli–August) gesamtschweizerisch etwa zwei Drittel über denjenigen der Nebensaisons (April–Mai und Oktober–November). Zudem fördert Schweiz Tourismus die Verlängerung der Aufenthaltsdauer der Gäste, um insbesondere bei Gästen aus Fernmärkten die CO2-Bilanz pro Übernachtung zu verbessern.

Viele Aspekte der nachhaltigen Entwicklung sind insbesondere auch auf lokaler Ebene zu adressie­ren – beispielsweise die Klima­neutralität, eine nachhaltige Mobilität, eine Kreislaufwirtschaft oder die oben erwähnte Barrierefreiheit. Dementsprechend schenkt die Tourismuspolitik des Bundes den Regionen und Destinationen bei der nach­haltigen Entwicklung ein besonderes Gewicht. Insbesondere die lokalen Tourismus­­organisationen stehen im Zentrum. Ihnen kommt eine wichtige Rolle als Impulsgeber und Vernetzer­ zwischen den touristischen Leistungserbringern (Hotels, Restaurants, Bergbahnen usw.), den lokalen Behörden, den Einheimischen sowie den Gästen zu.

Strukturwandel und Fachkräftemangel

Sowohl auf Ebene der Regionen und Destinationen wie auch der einzelnen Betriebe stehen aus Sicht des Seco Themen wie der Strukturwandel sowie der Fachkräfte- und Personalmangel ganz oben auf der Prioritäten­liste. Die grösste Herausforderung beim Strukturwandel sind die fragmentierten und kleinen Betriebsstrukturen. Ein gesunder Strukturwandel mit funktionierenden Nachfolgeregelungen und einer dynamischen Gründerszene sind wichtige Voraussetzungen für eine wirtschaftlich erfolgreiche Entwicklung des Schweizer Tourismus. Dazu gehört auch, dass der touristische Arbeits­markt genügend attraktiv bleibt. Die Tourismuspolitik des Bundes soll und kann mit ihren Instrumenten hierzu einiges beitragen.

Dem Seco ist es ein grosses Anliegen, den Dialog und den Wissenstransfer zu Nach­haltigkeits­themen im Schweizer Tourismus zu fördern. Hierzu gehört insbesondere die Umsetzung der Dialog- und Vernetzungsplattform Tourismus Forum Schweiz (TFS) durch das Seco. Bei der diesjährigen TFS-Jahresveranstaltung vom 24. November wird der Schwerpunkt auf den Destinationen liegen, wobei Nachhaltigkeits­themen eine grosse Rolle spielen werden. Mögliche Themen sind etwa klimaneutrale Destinationen, nachhaltige lokal-regionale Mobilitätslösungen, die strukturellen Veränderungen in vom Geschäftstourismus geprägten städtischen Destinationen nach Corona oder die Zukunftsperspektiven von Ski- und Schneesportgebieten.

Einsatz über die Grenzen hinaus

Auch auf internationaler Ebene setzt sich das Seco für eine nachhaltige Entwicklung des Tourismus ein – insbesondere auf multilateraler Ebene. Das Seco vertritt die Schweiz sowohl in der UNO-Weltorganisation für Tourismus (UNWTO) wie auch im OECD-Tourismuskomitee. In beiden Organisationen nimmt das Seco eine aktive Rolle ein, so etwa bei der Entwicklung von internationalen Messstandards bezüglich Nachhaltigkeit im Tourismus.

Das neue Nachhaltigkeitsziel in der Tourismuspolitik der Schweiz ist langfristig ausgerichtet. Gleichzeitig fokussiert das Seco aber auch auf konkrete, in den nächsten Jahren anzu­peilende Ziele sowie auf umzusetzende Aktivitäten und Massnahmen. Für 2025 ist eine Berichterstattung über die Umsetzung der Tourismusstrategie an den Bundesrat vorgesehen. Das Seco ist überzeugt, bis dahin über wesentliche Fortschritte und Erfolge bei der nachhaltigen Entwicklung des Schweizer Tourismus berichten zu können.

Zitiervorschlag: Richard Kämpf (2022). Der Tourismus in der Schweiz soll nachhaltiger werden. Die Volkswirtschaft, 10. Mai.

Die Nachhaltigkeitsinitiative Swisstainable
Das Label Swisstainable ist als Nachhaltigkeitsinitiative für den Schweizer Tourismus von der nationalen Tourismusorganisation Schweiz Tourismus entwickelt worden. In den nächsten Jahren wird das Projekt schrittweise an die touris­tischen Branchenorganisationen unter der Federführung des Schweizer Tourismus-Verbandes (STV), des Dachverbands der Tourismuswirtschaft, übergeführt.
Im Rahmen dieser Initiative werden Betriebe und Organisationen, die sich im Bereich nachhaltige Entwicklung engagieren, mit dem Label Swisstainable ausgezeichnet. Dabei wird keine neue Zertifizierung geschaffen, sondern auf bereits bestehende Zertifizierungen und Programme[1] abgestützt.
Um die unterschiedlichen Voraussetzungen und den unter­schied­lichen Grad des Engagements in Bezug auf die nachhaltige Entwicklung berück­sichtigen zu können, erfolgt die Bewertung anhand von drei Stufen: «Level I – committed», «Level 2 – engaged» und «Level 3 – leading». Ziel ist es, dass bis Ende 2023 die Wahr­nehmung der Schweiz als nachhaltige Destination bei den Gästen gegenüber 2020 um 10 Prozent zunimmt und 4000 Betriebe und Organisationen Teil des Swisstainable-Pro­gramms sind.
Vorgesehen ist eine laufende Weiterentwicklung des Programms. So ist beispielsweise die Ausweitung auf Destinationen vorgesehen. Die Verankerung und das Ausrollen der Swisstainable-Initiative sowie die Weiterentwicklung von Swisstainable sollen vom Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) im Rahmen der tourismuspolitischen Förderinstrumente in den kommenden Jahren unterstützt und gefördert werden.