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Reiseland Österreich im Vergleich

Die Tourismuswirtschaft in Österreich unterscheidet sich von der in der Schweiz. In Österreich ist sie wirtschaftlich bedeutender und hat in der Krise stärker gelitten. Es gibt aber auch viele Ähnlichkeiten.
Historische Städte wie Wien ziehen jährlich zahllose Besucher an. (Bild: Keystone)

Vielfältige Regionen und naturbelassene Landschaften, lebenswerte Städte und ein reichhaltiges kulturelles Angebot prägen das Bild der Tourismusdestination Österreich in der Welt. Natur, Kultur und Kulinarik entspringen jedoch nicht nur einer wechselvollen Vergangenheit des Landes, sie sind auch heute noch untrennbarer Bestandteil der Lebenswirklichkeit in Österreich.

Österreich ist wie die Schweiz eines der beliebtesten Reiseziele der Welt. Im Vorkrisenjahr 2019 erreichten sowohl die Gästeankünfte mit 46,2 Millionen als auch die Übernachtungen mit 152,7 Millionen eine Höchstmarke. In der Schweiz war die Zahl der Übernachtungen 2019 nur rund ein Drittel so hoch (56,2 Mio.), auch wenn die Schweiz und Österreich gemessen an der Bevölkerungszahl fast gleich gross sind.

Bei den Übernachtungen aus ausländischen Herkunftsländern in Österreich belegten Gäste aus Deutschland mit rund 50 Prozent den ersten Platz. Danach folgten die Niederlande mit 9,2 Prozent sowie die Schweiz und Liechtenstein mit zusammen 4,4 Prozent. Zum Vergleich: Bei den Übernachtungen in der Schweiz rangieren die Gäste aus Österreich mit einem Anteil von 2 Prozent auf Platz 13. Auf dem 1. Platz sind die Gäste aus Deutschland mit 18 Prozent, dann folgen die USA mit 11 Prozent und Grossbritannien mit 8 Prozent.

Vor Pandemieausbruch trug die Tourismuswirtschaft 7,5 Prozent direkt zum österreichischen Bruttoinlandprodukt (BIP) bei. In der Schweiz waren es 2,9 Prozent. Während der Pandemie halbierte sich der Beitrag in Österreich fast, während er in der Schweiz nur um rund ein Viertel abgenommen hat (auf 2,2%).

Zahlreiche Branchen profitieren vom Tourismus

Dem österreichischen Tourismus kommt wie kaum einer anderen Branche eine bedeutende Rolle als Bindeglied zwischen ökonomischen, naturräumlichen und kulturellen Dimensionen zu: Nicht nur ist die Tourismus- und Freizeitwirtschaft einer der bedeutendsten Wirtschaftszweige des Landes, auch ist sie eng mit anderen Sektoren verwoben und damit wesentlicher Treiber der regionalen Entwicklung. Zugleich handelt es sich beim Tourismus um ein klein strukturiertes Verbundwirtschaftssystem: Rund 90 Prozent der Unternehmen im Tourismus und in der Freizeitwirtschaft sind KMU.

Zahlreiche Branchen wie etwa der Handel, der Verkehr, das Baugewerbe und nicht zuletzt die Landwirtschaft interagieren mit der Tourismusbranche. Der Tourismus ist somit weit mehr als ein Dienstleistungssektor, der allein die Ansprüche seiner Urlaubsgäste in den Mittelpunkt rückt. Ebenso leistet die Branche einen wertvollen Beitrag zur allumfassenden Lebensqualität in Österreich. Beispielsweise in Form von Infrastruktur, Kultur- und Freizeitangeboten oder besserem öffentlichem Nah- und Fernverkehr. Und nicht zuletzt auch im Verbund mit der Landwirtschaft – die Zuständigkeit für Tourismus und Landwirtschaft liegen seit 2018 beim Bundesministerium für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus. Die Natur- und Kulturlandschaft ist nicht Kulisse, sondern massgeblicher Bestandteil des touristischen Angebotes. Die Bandbreite an regionstypischen Speisen und kulinarischen Traditionen basierend auf lokaler landwirtschaftlicher Produktion rückt immer mehr ins Zentrum des touristischen Angebotes.

Historische Städte mit Lebensqualität

Doch Österreich zeichnet sich nicht nur durch intakte ländliche Regionen aus. Auch der Städtetourismus nimmt einen besonderen Stellenwert im touristischen Angebot ein. Im Vorkrisenjahr 2019 wurden fast 26 Millionen Übernachtungen in den österreichischen Landeshauptstädten registriert, das waren 17 Prozent aller Übernachtungen von ausländischen Gästen in Österreich (152,7 Millionen). 2021 entfielen nur 11,3 Prozent aller Gästeübernachtungen auf die Landeshauptstädte (fast 9 Millionen Übernachtungen der insgesamt 79,5 Millionen). Österreichische Kultur und Geschichte sind untrennbar mit den Städten verbunden. Dabei ist es den Städten im Laufe ihrer wechselvollen Geschichte bis heute gelungen, ihren authentischen Charakter zu bewahren und mit ihrer Lebensqualität Spitzenplätze einzunehmen.
Wien, Salzburg, Innsbruck sind Zentren europäischer Geschichte und Heimat zahlreicher historischer Bauwerke, Museen und weiterer vielfältiger Kulturangebote. Diese begeistern jährlich zahllose Besucherinnen und Besucher aus dem Ausland. Rund 60 Prozent der Gäste kamen 2019 aus dem europäischen Ausland, 13 Prozent aus Asien und 9 Prozent aus Amerika.

Der Tourismus in Österreich trägt sowohl in der Stadt als auch auf dem Land zu Wohlstand bei. Gleichzeitig berücksichtigt er nicht nur die Bedürfnisse der Gäste, sondern auch jene der Wirtschaft, der Umwelt sowie der heimischen Bevölkerung. Die österreichische Tourismuspolitik ist deshalb vor allem darum bemüht, nachhaltigen und verträglichen Tourismus zu fördern, der im Einklang mit Mensch und Natur steht.

Mit dem «Masterplan für Tourismus» wurde ein Konzept ins Leben gerufen, um bestehende qualitätsvolle Regionen in den Mittelpunkt zukünftiger Planungen zu rücken, diese zu erhalten und nachhaltig zu kultivieren. Im Fokus stehen Lebensräume, in denen sich sowohl Urlauberinnen und Urlauber als auch die heimische Bevölkerung wohlfühlen. Die nationale österreichische Tourismuspolitik verfolgt das Ziel einer ganzheitlichen Symbiose österreichischer Regionalität und Authentizität, die den derzeitigen wie auch den zukünftigen ökonomischen, soziokulturellen und ökologischen Auswirkungen umfassend Rechnung trägt und dabei die Bedürfnisse der Gäste, der Tourismuswirtschaft, der Umwelt sowie der heimischen Bevölkerung berücksichtigt.

Krisengebeutelte Branche

Die Tourismus- und Freizeitwirtschaft wurde durch die Pandemie in den vergangenen zwei Jahren vor eine immense Belastungsprobe gestellt, deren Dimension niemand hat vorhersehen können. Corona-bedingte Betriebsschliessungen und internationale Reisebeschränkungen haben dem Tourismus in Österreich auch im Jahr 2021 stark zugesetzt: Mit knapp 80 Millionen lag die Zahl der Übernachtungen 18,7 Prozent unter dem Wert des ersten Pandemiejahres 2020. Im Vergleich zum Vorkrisenjahr 2019 lagen die Übernachtungen sogar 48 Prozent bzw. 73 Millionen tiefer. In der Schweiz war dieser Einbruch weniger stark.

Höchste Anpassungsfähigkeit und ein schnelles, entschlossenes Handeln waren unumgänglich, um das Überleben möglichst vieler Betriebe zu gewährleisten, Arbeitsplätze im Tourismussektor zu sichern und zugleich den Menschen Urlaub und Erholung auch in Krisenzeiten zu ermöglichen. Während es Österreich in den vielen Monaten der Pandemie immer wieder gelungen ist, praktikable Lösungen und Unterstützungsmassnahmen zur Abfederung der wirtschaftlichen Folgen zu erarbeiten, sieht sich der Tourismus infolge des Ukraine-Krieges mit der nächsten grossen Herausforderung konfrontiert. Der Krieg in Europa ist eine Zäsur historischen Ausmasses, deren mittel- und langfristige Folgen zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht abzusehen sind. Die Verunsicherung ist insbesondere auf den Fernmärkten spürbar und wird sich – so ist zu befürchten – besonders negativ auf den europäischen Städtetourismus auswirken, der explizit auf internationale Gäste angewiesen ist.

Krisenbewältigung nicht auf Kosten der Qualität

Die Reisefreiheit zählt zu einer der grössten Errungenschaften in Europa. Durch den Tourismus werden auch der kulturelle Austausch und die Völkerverständigung gefördert – ein Anliegen, dem sich der österreichische Tourismus auch weiterhin grenzenlos verpflichtet fühlt. Mehrere Krisen haben in den letzten Jahren dramatisch gezeigt, dass sich der Tourismus laufend an sich ändernde Voraussetzungen anpassen muss. Dazu gehören etwa der Klimawandel, der Fachkräftemangel, der zunehmende Bodenverbrauch und vieles mehr. Ihre Bewältigung, die in den nächsten Jahren erforderlich sein wird, darf indessen nicht auf Kosten des Qualitätstourismus gehen.

Eine Herausforderung ist auch der Beherbergungssektor, der sich in den letzten Jahren stark gewandelt hat. Neue Formen wie Chaletdörfer entsprechen zwar den Gästewünschen, stossen aber nicht immer auf grosse Gegenliebe in den Regionen. Die Gastgeber in Österreich sind zudem – nicht zuletzt auch pandemiebedingt – mit immer kurzfristigeren Buchungen und Aufenthalten konfrontiert. Ausserdem ist der Umstand zu berücksichtigen, dass das österreichische Beherbergungswesen zum überwiegenden Teil aus familiengeführten KMU besteht, die oft über Generationen gewachsen sind. Die Sicherung dieser spezifisch österreichischen Beherbergungskultur erfordert entsprechende Rahmenbedingungen, die reibungslose Betriebsnachfolgen und erfolgreiche Investitionstätigkeit im Zuge sich ändernder Gegebenheiten ermöglichen.

Angesichts der humanitären Katastrophe in Europa erscheint es im Moment müssig, über die zukünftige tourismuspolitische Ausrichtung Österreichs zu spekulieren, doch zeigen vergangene und aktuelle Krisen: Diversifizierung, Regionalität und Nachhaltigkeit sind weit mehr als bloss idealistische Schlagworte. Krisen und Ungewissheiten haben uns eindrücklich vor Augen geführt, welchen wesentlichen Stellenwert Flexibilität und Resilienz in der Konzeption der österreichischen Tourismusbranche einnehmen. Krisen haben ebenso verdeutlicht, dass Reisen, Erholung und Urlaub Grundbedürfnisse der Menschen sind – eine Erkenntnis, die angesichts aktueller Ungewissheit auch Hoffnung für die Tourismuswirtschaft spendet.

Zitiervorschlag: Ulrike Rauch-Keschmann (2022). Reiseland Österreich im Vergleich. Die Volkswirtschaft, 09. Mai.