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Ein öffentlicher Innovationsfonds für die Schweiz?

Der Bundesrat will Start-ups in der frühen Wachstumsphase mit einem Innovationsfonds stärken. Eine Studie hat vier Varianten geprüft.
Basilikum des Zürcher Start-ups Yasai, das den Ressourcenverbrauch bei Kräutern reduziert. (Bild: Keystone)

Start-ups sind aufgrund ihrer starken Innovationstätigkeit ein wichtiger Pfeiler für künftiges Wirtschaftswachstum. Um Jungunternehmen angesichts der Anstrengungen anderer Länder in der Schweiz zu halten, ist ein Ökosystem zentral, welches effektive und effiziente Finanzierungsmöglichkeiten bietet. Besonders wichtig ist Risikokapital in der Wachstumsphase der Start-ups (späte «Early Stage» und «Late Stage», siehe Abbildung).

Prinzipiell steht der Schweizer Risikokapitalmarkt im europäischen Vergleich gut da. Die Wachstumsfinanzierung speist sich jedoch zu einem grossen Teil aus ausländischen Geldern. In anderen Ländern ist die staatliche Innovationspolitik für Start-ups deutlich aktiver. Somit besteht in der Schweiz die Gefahr, dass Start-ups einen Wettbewerbsnachteil erfahren und mittelfristig in der Wachstumsphase verstärkt ins Ausland abwandern. Um Start-ups in der Wachstumsphase mehr inländisches Risikokapital zur Verfügung zu stellen, schlägt der Bundesrat deshalb vor, einen öffentlichen Innovationsfonds zu errichten.

Wie könnte ein solcher Fonds ausgestaltet sein? Im Auftrag des Staatssekretariats für Wirtschaft (Seco) haben wir in einer Studie mehrere Varianten geprüft. Im Zentrum der Analyse steht die frühe Wachstumsphase (späte «Early Stage» und «Late Stage»). Je nach Branche umfassen die Finanzierungsrunden zwischen 2 und 20 Millionen Franken. Nicht im Fokus stehen hingegen frühere Finanzierungsphasen («Seed Stage» und frühe «Early Stage»), bei der bereits heute genügend Investoren vorhanden sind.

Finanzierungszyklus von Start-ups

Ein Blick ins Ausland

Bis anhin gibt es in der Schweiz weder auf nationaler noch auf kantonaler Ebene staatliche Investitionsprogramme, die in wesentlichem Umfang ins Eigenkapital von Start-ups investieren. Mit dem Ausschluss der Schweiz vom EU-Forschungsprogramm Horizon Europe ist für Schweizer Start-ups zudem ein weiteres Förderprogramm weggebrochen.

Anders ist die Situation in den meisten europäischen Ländern, wo verschiedene Modelle existieren. Als Vorbild für die Schweiz könnten deshalb – je nach Zielsetzung – die Investitionsprogramme einzelner anderer Länder dienen.

In den Niederlanden und in Belgien investieren die staatlichen Fonds beispielsweise indirekt in Start-ups: Als sogenannte Fund-of-Funds investieren die Fonds in lokale Risikokapitalfonds. Dies dient auch der Entwicklung der lokalen Venture-Capital-Industrie, die für das Innovationsökosystem unabdingbar ist. Der niederländische und der belgische Fonds unterscheiden sich jedoch bei der Fondsverwaltung: Während der Dutch Future Fund vom Europäischen Investitionsfonds (EIF) mit Sitz in Luxemburg verwaltet wird, liegt das Management des Belgium Growth Fund bei staatsnahen belgischen Organisationen.

Demgegenüber investiert der deutsche Deep Tech Future Fund direkt in Start-ups, wobei private Kapitalgeber mindestens 30 Prozent der Investitionen tragen müssen. Ziel des Fonds ist es, die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft durch die Förderung technologiebasierter mittelständischer Unternehmen langfristig zu erhalten. Auch der britische Future Fund Breakthrough investiert gemeinsam mit privaten Investoren direkt in das Eigenkapital von Start-ups. Er fokussiert auf Cleantech und Lifescience.

Vier Modelle

Aus unserer Studie resultieren vier idealtypische Ausgestaltungen eines Schweizer Innovationsfonds. Relativ zügig umsetzbar wäre beispielsweise ein schweizerischer Fund-of-Funds unter dem Mandat des EIF. In diesem Fall würde der Bund das Mandat nicht öffentlich ausschreiben, sondern direkt – allenfalls über einen Staatsvertrag – an den EIF vergeben. Eine Alternative wäre die Mandatierung eines Innovationsfonds per wettbewerblicher Ausschreibung an Dritte. Dafür sind jedoch detaillierte Verträge nötig. Bei diesen beiden indirekten Investitionsvehikeln gilt es zu bedenken, dass der Staat durch die Mandatierung weniger Einfluss auf Investitionsentscheide nimmt, was andererseits das Risiko unerwünschter politischer Einflussnahme reduziert.

Sollte der Bund direkte Investitionen in Start-ups präferieren, bietet sich ein drittes Modell an: die Gründung einer spezialgesetzlichen Aktiengesellschaft im Eigentum des Bunds. Kantone (und allenfalls Private) können hier Miteigentümer sein oder als Darlehensgeber auftreten. Eine spezialgesetzliche Aktiengesellschaft ist bezüglich Finanzierungsmöglichkeiten flexibel und kann direkt und indirekt investieren. Abgesehen davon könnte auch die oben beschriebene Mandatierung Dritter über eine spezialgesetzliche Aktiengesellschaft laufen.

Viertens könnte ein solcher Fonds auch durch eine öffentlich-rechtliche Anstalt verwaltet werden. Möglich wäre etwa eine Erweiterung der Aufgaben der Innovationsförderungsagentur Innosuisse. Dies hätte den Vorteil, dass die bestehende Expertise und das Netzwerk von Innosuisse bei der Finanzierung von Start-ups und bei Forschungsprojekten direkt genutzt werden können.

Ein politischer Entscheid

Die Wahl eines Modells sollte mit einer genauen politischen Zieldefinition eines Innovationsfonds beginnen («Form Follows Function»). Sprich: Es gilt, die übergeordneten thematischen und finanziellen Ziele zu definieren. Erst nachher sollte das passende Modell entsprechend ausgestaltet werden.

Ist es beispielsweise wünschenswert, dass der Staat den Innovationsfonds zeitnah einführt und politisch möglichst unabhängige Investitionsentscheide ermöglicht, wäre eine Mandatierung Dritter – entweder per Ausschreibung oder direkt an den EIF – zu präferieren. Da diese Modelle indirekte Investitionen vorsehen, könnten sie den Einbezug institutioneller privater Investoren – wie etwa Pensionskassen – unterstützen, die derzeit nicht für Investitionen in den Risikokapitalmarkt aufgestellt sind.

Die Verwaltung über eine öffentlich-rechtliche Anstalt ist dagegen zu empfehlen, wenn der Staat eine möglichst hohe Kontrolle über die Auswahl der Investitionen ausüben möchte. Schliesslich ist eine spezialgesetzliche Aktiengesellschaft dann die erste Wahl, wenn der Bund eine hohe Flexibilität bezüglich Finanzierungs- und Eigentumsoptionen anstrebt.

Ist die Ausgestaltung eines schweizerischen Innovationsfonds definiert, muss der Bund im Folgenden die Finanzierung gewährleisten. Je nach Struktur könnten dabei auch Kantone und Dritte einbezogen werden.

Zitiervorschlag: Matteo Mattmann, Urs Trinkner, Dietmar Grichnik, Michael Greger (2022). Ein öffentlicher Innovationsfonds für die Schweiz. Die Volkswirtschaft, 23. Juni.