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Nachhaltige Finanzen in Entwicklungsländern: Wie lassen sich Hürden abbauen?

Wie können Entwicklungsländer stärker vom wachsenden Markt für nachhaltige Finanzen profitieren? Laut internationalen Fachleuten braucht es Regulierungen, Labels sowie eine Verringerung der finanziellen Risiken für private Anleger.
Solarpark Ninh Thuan in Vietnam 2019. Das Seco hat sich über die Private Infrastructure Development Group (PIDG) am Bau beteiligt. (Bild: PIDG)

Der Markt der nachhaltigen Finanzen («Sustainable Finance») ist in den letzten zehn Jahren stark gewachsen. Die meisten Gelder sind jedoch in Industriestaaten geflossen – obschon Entwicklungsländer in Bezug auf die nachhaltige Entwicklung oftmals vor viel grösseren Herausforderungen stehen.

Deshalb stellt sich aus Sicht der internationalen Zusammenarbeit der Schweiz die Frage: Wie lassen sich die nachhaltigen Investitionen in den Entwicklungsländern vorantreiben?

Ende März 2022 suchten internationale Finanzfachleute am International Cooperation Forum (IC-Forum 2022) in Genf nach möglichen Lösungsansätzen. Die Tagung wurde vom Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) organisiert und fand dieses Jahr zum ersten Mal statt.

Für die Finanzierung der im Jahr 2015 von den Vereinten Nationen verabschiedeten Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDG) spielen die bilaterale Entwicklungszusammenarbeit und die multilateralen Entwicklungsbanken eine zentrale Rolle. Die dafür aufgewendeten Mittel sind jedoch nicht ausreichend – es braucht auch private Mittel. Insbesondere, was die Finanzierung der klimarelevanten Ziele anbelangt.

Was hält private Investoren davon ab, in nachhaltige Klimaschutzprojekte in Entwicklungsländern zu investieren? Das IC-Forum identifizierte zwei grosse Hürden: Zum einen fehlen klare Regeln und zuverlässige Labels, die eine nachhaltige wirtschaftliche Ausrichtung der Entwicklungsländer fördern. Zum anderen werden Investoren durch die hohen Risiken und das geringe Risiko-Ertrags-Profil solcher Investitionen abgeschreckt.

Regulierung für nachhaltige Investitionen

Zunächst zu den fehlenden Regeln und verlässlichen Labels: Internationale Anleger, die im Bereich nachhaltige Finanzen tätig sind, verlangen von ihren Investitionspartnern, dass sie sich an strenge Kriterien in Bezug auf Umwelt («Environment»), Soziales und Gouvernanz (ESG) halten. Die ESG-Kriterien stellen den Rahmen für die Förderung nachhaltiger Investitionen zur Verfügung, welcher auf dem gesamten Markt umgesetzt werden sollte. Indem Finanzinstitute dazu beitragen, die ESG-Risiken in den Anlagestrategien und in den Finanzprodukten abzubilden, führt dies zu grösserer Effizienz und Stabilität der Finanzmärkte.

Aus Sicht des IC-Forums sollte die Schweiz im Rahmen der internationalen Zusammenarbeit versuchen, attraktive Rahmenbedingungen zu schaffen, damit Privatinvestoren vermehrt in Nachhaltigkeitsprojekte in Entwicklungsländern investieren, wobei diese Unterstützung auf möglichst viele Länder ausgeweitet werden soll.

Das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) unterstützt Regierungen und Finanzinstitute in seinen Partnerländern deshalb schon seit Längerem dabei, die Regeln für die Umsetzung der ESG-Kriterien zu verbessern. Da in vielen Unternehmen in Entwicklungsländern die «ESG-Praxis» noch mangelhaft ist, versucht das Seco Anreize zu schaffen, dass Finanzinstitute und lokale Unternehmen ein solides und verlässliches ESG-Risikomanagement entwickeln und anwenden können.

Verlässliche Labels

Nebst den Regulierungen sind auch verlässliche Labels entscheidend: Um Private dazu zu bringen, auf dem Kapitalmarkt in nachhaltige Finanzprodukte aus Entwicklungsländern zu investieren, müssen die dortigen Finanzinstitute glaubwürdige Nachhaltigkeitslabels verwenden. Die Fachleute des IC-Forums empfehlen der Schweiz, die Kapazitäten von Finanzinstitutionen in Entwicklungsländern weiterhin zu stärken. Es gilt Reformen anzustossen, damit der Zugang zu den Klimadaten von Wertanlagen und Unternehmen sichergestellt, Anforderungen an die Messung und die Offenlegung von Klimarisiken definiert und die Nachhaltigkeitsressourcen in den Unternehmen erhöht werden können.

Das Seco scheint hier auf dem richtigen Weg: Seit 2016 setzt es sich im Rahmen der Initiative für Klimaanleihen, der «Climate Bonds Initiative», für die Erarbeitung internationaler Standards ein. Gemeinsam mit der Interamerikanischen Entwicklungsbank (IDB) hat das Seco die Ausgabe der ersten «grünen» Obligationen («Green Bonds») durch lokale Entwicklungsbanken in Kolumbien und Peru unterstützt und in Zusammenarbeit mit der kolumbianischen Finanzmarktaufsicht Richtlinien nach Massgabe internationaler Standards wie der EU-Taxonomie für nachhaltige Entwicklung erarbeitet.

Gemäss dem IC-Forum sollten die Gremien, die ESG-Standards definieren, gezielt mit den Regulatoren und Finanzexperten von Entwicklungsländern zusammenarbeiten. So können die Prioritäten und Auflagen der Unternehmen der Entwicklungsländer besser berücksichtigt werden. Die Schweiz sollte sich in diesen Gremien für diese Zusammenarbeit starkmachen.

Ein vielversprechender Ansatz ist zudem der «Swiss Climate Score» – ein vom Bundesamt für Umwelt (Bafu) und vom Staatssekretariat für internationale Finanzfragen (SIF) lanciertes Bewertungssystem, das den Marktteilnehmenden aufzeigt, inwieweit ihre Investitionen zur Erreichung der Ziele des Pariser Abkommens beitragen. Derzeit werden die Anforderungen noch nicht erreicht. Die Schweiz sollte gemäss dem IC-Forum die Verwendung dieses Bewertungssystems fördern, um Investoren dabei zu helfen, fundierte Entscheidungen zu treffen und in- und ausländisches Kapital für Entwicklungsländer mit guten Investitionsmöglichkeiten zu mobilisieren.

Risiko für Privatanleger senken

Nun zur zweiten Hürde – den grossen Risiken für private Investoren: Neben der Verbesserung von Regelwerken bieten Mischfinanzierungen («Blended Finance») dem Privatsektor Anreize, mehr in nachhaltige Projekte in Entwicklungsländern zu investieren. Eine zentrale Rolle spielt dabei der gezielte Einsatz öffentlicher Gelder in der Projektvorbereitung, etwa in Form von technischer Unterstützung. Bei der Projektfinanzierung kann zudem der Einsatz von Garantien Sinn machen, insbesondere dort, wo ein gewisses Marktversagen vorherrscht respektive die Dringlichkeit von Investitionen hoch ist.

Als Beispiel wurde am IC-Forum 2022 das Vorgehen der Private Infrastructure Development Group (PIDG) präsentiert, die vom Seco als Gründungsmitglied seit 2002 unterstützt wird und innovative Entwicklungen und Finanzierungen von Infrastrukturprojekten fördert. Die Organisation sorgt während der gesamten Projektdauer dafür, dass die Entwicklung und die Umsetzung nachhaltiger und investitionsreifer Infrastrukturprojekte erfolgreich verlaufen und diese so an private Investoren verkauft werden können.

Der Einsatz öffentlicher und philanthropischer Mittel zur Mobilisierung privater Investitionen ist ein wirksamer Weg, um Finanzmittel anzuziehen, die sonst nicht in Entwicklungsländer fliessen würden. Aus diesem Grund haben das Seco und die Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (Deza) – zusammen mit der UBS Optimus Foundation und der Credit Suisse Foundation – die öffentlich-private Partnerschaft «Sustainable Development Gobal Impact Finance Initiative» lanciert. Sie will bis 2030 rund 100 Millionen Schweizer Franken von öffentlichen und philanthropischen Akteuren beschaffen. Diese Mittel sollen anschliessend bis zu eine Milliarde Schweizer Franken an privatem Kapital mobilisieren, um die SDG in Entwicklungsländern zu finanzieren.

Laut den Expertinnen und Experten des IC-Forums sollte die Schweiz die Kapazitäten der Banken und Unternehmen in Entwicklungsländern weiter stärken und Schulungen anbieten, um Regierungen, Finanzinstitutionen oder Unternehmen dabei zu helfen, grüne Obligationen auszugeben und über deren Auswirkungen auf die Umwelt Bericht zu erstatten. Darüber hinaus sollte sie die Einführung regulatorischer Vorgaben speziell für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) fördern, die auch in den meisten Entwicklungsländern das volkswirtschaftliche Rückgrat bilden. Denn vielfach sind die Kapazitäten und Ressourcen von KMU begrenzt, was den Einsatz nachhaltiger Finanzierungsinstrumente anbelangt.

Aus Sicht der Finanzfachleute müssen zudem Privatinvestitionen in Projekte zur Anpassung an den Klimawandel dringend gefördert werden, um den am stärksten gefährdeten Bevölkerungen zu helfen. Die internationale Zusammenarbeit der Schweiz könne hier viel bewirken, da sie privates Kapital anziehe und gut positioniert sei, so die vorherrschende Meinung am IC-Forum. Eine wichtige Rolle spielen dabei die Daten: Indem Geberländer beispielsweise klimarelevante Daten der Entwicklungsländer erfassen und bereitstellen, können sie die Staatsbeiträge für die Anpassung an den Klimawandel gezielter einsetzen. Gleichzeitig lässt sich so der private Investitionsbedarf besser ermitteln.

Das IC-Forum 2022 zeigt: Es braucht einen ganzheitlichen Ansatz, um nachhaltige Investitionen in Schwellen- und Entwicklungsländern zu erhöhen. Indem sie die Finanzsysteme der Entwicklungsländer stärkt, Regeln und Rahmenbedingungen für nachhaltige Investitionen erarbeitet und die Mischfinanzierung unterstützt, kann die internationale Zusammenarbeit der Schweiz hierbei eine zentrale Rolle übernehmen. Wenn der Wechsel hin zu einer grüneren Wirtschaft gelingen soll, muss den Bedürfnissen und Kapazitäten der KMU besser Rechnung getragen werden. Dieser Prozess wird seine Zeit dauern. Die internationale Zusammenarbeit der Schweiz ist bereit, sich dafür zu engagieren.

Zitiervorschlag: Françoise Salamé Guex, Jonas Grunder (2022). Nachhaltige Finanzen in Entwicklungsländern: Wie lassen sich Hürden abbauen. Die Volkswirtschaft, 03. Juni.