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Wie gelingt Innovation in Randregionen?

Wie können Innovationsvorhaben in ländlichen Gebieten unterstützt werden? Ist das überhaupt nötig? Diese Fragen stellte sich eine Delegation der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) während einer einwöchigen Studienreise durch die Schweiz.
Mitarbeiter der Firma Composites Busch in Pruntrut JU schneidet einen Hockeyschläger zu. (Bild: Keystone)

Rund drei Viertel der Schweizer Fläche sind ländlich geprägt, und ein Viertel der Bevölkerung lebt in ländlichen Räumen. In diesen Randgebieten sind produktivitätsschwache Branchen wie beispielsweise die Land- und Forstwirtschaft oder das Gastgewerbe überdurchschnittlich stark vertreten.[1] Um produktivitätsstärkere Branchen zu unterstützen, fördert das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) mit der Neuen Regionalpolitik wirtschaftliche Innovation im ländlichen Raum.

Doch was einleuchtend tönt, ist in der Praxis gar nicht so einfach: Wo gelingt Innovation im ländlichen Raum? Wie kann Innovation unterstützt und gestärkt werden? Was sind die spezifischen Stärken, Schwächen und Herausforderungen innovativer Akteure in ländlichen Räumen? Eine Studie der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) befasst sich mit diesen Fragen, wobei die Schweiz eines von fünf untersuchten Ländern war.[2] Im September 2021 reiste eine internationale OECD-Delegation in die Schweiz, um sich vertieft mit den regionalen Innovationssystemen auseinanderzusetzen. Ein Schwerpunkt der Reise lag auf dem Kanton Jura, wo die Delegation mehrere lokale Unternehmen besuchte.

Die Delegation zeigte sich beeindruckt von der Professionalität, dem Engagement und der Vielfalt der angebotenen Unterstützung. In einem abschliessenden Bericht, in den nebst den Eindrücken vor Ort auch umfassende Datenanalysen, Literaturrecherchen und Expertengespräche einflossen, kommt die OECD zum Schluss: Die Schweiz ist ein Land mit einer hohen Innovationsleistung sowie einer hohen Unternehmerquote. Der dezentrale Schweizer Ansatz erlaubt eine fokussierte Ausrichtung von Programmen für Innovation und Unternehmertum. Auch das Agrarinnovationssystem ist gemäss der OECD hoch entwickelt, effizient und fortschrittlich.

Vier Empfehlungen

In ihrem Bericht formuliert die OECD vier Hauptempfehlungen an die Schweiz, mit welchen die Innovation im ländlichen Gebiet weiter gefördert werden kann. Erstens empfiehlt die OECD, die Innovationstätigkeiten in den ländlichen Regionen stärker zu diversifizieren. Nebst der Exportwirtschaft gilt es auch Handel und Dienstleistungen verstärkt mit einzubeziehen.

Zweitens stellen demografische Ungleichheiten eine Herausforderung für ländliche Regionen dar: Die Finanzierung und die Programme für Innovation und Unternehmertum müssen daher darauf eingehen – beispielsweise durch gezielte Programme für junge Arbeitnehmende, Frauen und Migranten sowie durch Weiterbildungs- und Qualifizierungsangebote für ältere Arbeitnehmende in ländlichen Regionen.

Drittens gilt es die Koordinationsmechanismen zu verbessern – etwa durch die Schaffung eines One-Stop-Shops, der alle von der Innovationsförderung angebotenen Dienstleistungen bündelt und die Angebote weiter digitalisiert. Und schliesslich gilt es stärker auf Daten zu setzen. Anhand von Daten lassen sich die Förderprojekte besser überwachen und evaluieren.

Viertens könnte die Koordination zwischen der kantonalen Innovations- und Standortförderung sowie den kantonalen und überregionalen landwirtschaftlichen Beratungsinstitutionen verbessert werden: Gerade an diesen Schnittstellen besteht noch ungenutztes Innovationspotenzial für die Land- und Ernährungswirtschaft, welche in vielen ländlichen Räumen nach wie vor einen wichtigen Wirtschaftszweig darstellt.

Im Fokus: Der Kanton Jura

Bei ihrem Besuch fokussierte die OECD auf den Kanton Jura, der mit den Kantonen Basel-Landschaft und Basel-Stadt das Regionale Innovationssystem Basel-Jura bildet. Im Folgenden wird hier aus Sicht «Basel Area Business & Innovation» dargestellt, wie sich die OECD-Empfehlungen im Kanton Jura umsetzen lassen. Basel Area Business & Innovation ist die Agentur für Standortpromotion und Innovationsförderung und bietet ihre Dienstleistungen im Auftrag der Kantone Basel-Landschaft, Basel-Stadt und Jura an.

Das Wirtschaftsgefüge des Kantons Jura besteht vor allem aus Lieferanten von Maschinen sowie von Komponenten für die Uhrenindustrie, die Medizintechnik, die Automobil- und die Luftfahrtindustrie.

Erstens legt Basel Area Business & Innovation den Fokus auf die Innovation in kleinen und mittleren Unternehmen (KMU). Basierend auf den Stärken der Unternehmen verfolgt die Non-Profit-Organisation damit ein doppeltes Ziel: Einerseits fokussiert sie auf diejenigen Branchen, in denen die KMU derzeit tätig sind. Anderseits treibt sie Diversifizierung in Richtung Medizintechnik voran. So kann das Know-how der drei Kantone am besten genutzt werden.

Zweitens setzt Basel Area Business & Innovation auf lokale Partner: Dies geschieht in erster Linie über die Verankerung des Standorts Jura des Switzerland Innovation Park Basel Area, der unter anderem durch das «Comité des Patrons», eine Gruppe von mehr als 30 Persönlichkeiten aus dem Kanton, unterstützt wird.

Eine weitere Schlüsselrolle spielt drittens die Bildung. Der Kanton Jura, der über keine Hochschulen verfügt, kämpft mit dem Problem, dass viele Studierende nach ihrer Ausbildung nicht mehr in ihren Heimatkanton zurückkehren. Dies hat zur Folge, dass ein Mangel an hoch qualifizierten Arbeitskräften besteht und nur wenige gemeinsame Innovationsprojekte von Industrie und Hochschulen zustande kommen. Der Standort Jura des Switzerland Innovation Park Basel Area beherbergt deshalb eine Vertretung der Haute Ecole Arc und des Verbandes Centre Suisse d’Electronique et de Microtechnique (CSEM), was die Förderung solcher Projekte begünstigt und Karrieremöglichkeiten für Studierende in lokalen KMU schafft.

Viertens sollen es Reallabore erlauben, in einer experimentellen Umgebung Innovationen zu entwickeln und zu testen. Basel Area Business & Innovation betreibt daher im Jura zwei Förderprogramme und mehrere Kooperationsprojekte, um Innovationen in den drei Kantonen und darüber hinaus zu unterstützen.

Fünftens schliesslich bietet die Agentur ein Programm zur Unterstützung von Unternehmerinnen an. Wie in vielen ländlichen Gebieten sind Frauen im Innovations-Ökosystem unterrepräsentiert. Zudem wird Basel Area Business & Innovation ein Programm lancieren, das den Unternehmen hilft, die Nachhaltigkeitsanforderungen zu erfüllen. Ein Anliegen, das heutzutage bei Regierungen und Firmen ganz oben auf der Tagesordnung steht.

  1. Mehr Infos unter: Regiosuisse.ch/monitoring-der-regionalwirtschaftlichen-entwicklung[]
  2. Die Studie OECD (2022): Enhancing Innovation in Rural Regions erscheint demnächst. []

Zitiervorschlag: Michelle Marshalian, Valérie Donzel, Frank Kumli (2022). Wie gelingt Innovation in Randregionen. Die Volkswirtschaft, 13. Juni.