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Bankenaufsicht im Zeichen von Suptech

Die Finma setzt bei ihrer Bankenaufsicht zusehends auf Daten, Algorithmen und künstliche Intelligenz. Dabei arbeiten Mensch und Maschine Hand in Hand.
Bei der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht arbeiten Mensch und Maschine Hand in Hand. (Bild: Keystone)

Die Technisierung hat längst Einzug in unseren Alltag gehalten, und wir sind in jedem Lebensbereich damit konfrontiert.[1] Alles wird «Tech»: So befeuert die Corona-Pandemie beispielsweise die boomende Medtech-Industrie, oder Mobilitytech-Firmen entwickeln mit Hochdruck Elektrofahrzeuge, selbstfahrende Autos und Transportdrohnen. Sogar unsere Kleidung wird intelligent, und es gibt laufend neue Innovationen im Nahrungsmittelbereich.

Auch aus der Finanzindustrie ist die Technisierung nicht mehr wegzudenken – Fintech-Anwendungen reichen von Crowdfunding über Mobile Payment, Robo Advisory und Chatbots bis hin zu Kryptowährungen und Blockchain-Technologien. Viele Schweizer Banken sind bereits auf den Fintech-Zug aufgesprungen, weitere werden folgen.

Datenbasierte Aufsicht

Was bedeutet diese Entwicklung für die Finanzmarkt-Aufsichtsbehörden? Der Begriff Supervisory Technology, kurz «Suptech», dürfte etwas weniger breit bekannt sein als die genannten Tech-Beispiele. Gemäss dem 2020 publizierten Glossar des Financial Stability Board (FSB) steht Suptech für «sämtliche Fintech-Anwendungen, welche von Regulierungs-, Aufsichts- und Überwachungsbehörden genutzt werden».

In der Schweiz hat die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (Finma) die Nutzung moderner Technologien zur Verstärkung der datenbasierten Aufsicht in ihren strategischen Zielen verankert.

Im Folgenden soll gezeigt werden, wie Suptech die Bankenaufsicht – als einen von vier Aufsichtsbereichen der Finma – verändert (siehe Kasten).

Daten- und Analyseteam

Einen Meilenstein in der Digitalisierung der Bankenaufsicht stellt das Daten- und Analyseteam der Finma dar, das die Überwachungsarbeiten mit umfassenden Datenauswertungen und Visualisierungen unterstützt und teilweise automatisiert. Damit die Datenfachleute auf die Bedürfnisse der Aufsichtsmitarbeitenden am besten eingehen können, hat die Finma das Daten- und Analyseteam organisatorisch fix integriert: Man kennt sich, arbeitet im selben Bürogebäude und tauscht sich laufend aus.

Das derzeit wohl wichtigste Suptech-Werkzeug der Finma ist das Ratingsystem für Banken. Mit diesem Überwachungstool werden Finanzzahlen, Risikokenngrössen und Prüfergebnisse zu den einzelnen Banken maschinell ausgewertet und grafisch aufbereitet, sodass die Finma-Mitarbeitenden jederzeit die aktuellen Risikoeinstufungen abfragen können. Dank dieser Systemunterstützung, namentlich den Ratingentwicklungen und den automatisch generierten Warnmeldungen, kann sich die Bankenaufsicht auf die grössten Risiken konzentrieren und ihre Ressourcen gezielt einsetzen.

Besonders hilfreich ist dieses Tool für die Überwachung der 230 Schweizer Kleinbanken und Wertpapierhäuser.[2] Dies umso mehr, als das Spektrum der Geschäftsmodelle in der Schweiz sehr breit ist – es reicht vom klassischen Retailgeschäft über die Vermögensverwaltung bis hin zum relativ neuen Geschäft mit Kryptowährungen.

KI aus dem Labor

In Zukunft möchte die Finma noch stärker in Richtung Suptech gehen. Um die Bankenaufsicht weiter zu optimieren, hat die Finma im Bankenbereich ein Data Innovation Lab aufgebaut. In diesem Labor testen Datenfachleute beispielsweise – im engen Austausch mit der Bankenaufsicht der Finma – Anwendungen der künstlichen Intelligenz (KI). Diese Arbeiten haben Forschungscharakter, und Fehler sind ausdrücklich erlaubt.

Einige der Lab-Projekte setzen etwa auf Methoden zur maschinellen Textanalyse («Natural Language Processing»). Denn nebst Zahlenmaterial liegen der Finma viele Informationen in Textform vor – beispielsweise Geschäftsberichte, Risikoanalysen oder Reglemente von Banken, Presseartikel oder Social-Media-Posts. Mit KI-Methoden lassen sich diese enormen Datenmengen erstmals systematisch auswerten.

Darüber hinaus lassen sich mit KI auch Zahlen analysieren, Datenlücken füllen, Vergleichsgruppen mittels Clustering kalibrieren, Netzwerkanalysen durchführen oder Trends prognostizieren. Bereits heute können Ergebnisse erzielt werden, welche zuvor in Bezug auf Präzision, Umfang, Reaktivität oder Antizipation unmöglich schienen.

Internationaler Austausch

Nebst dem Data Innovation Lab, das für die Umsetzung konkreter Suptech-Projekte zentral ist, spielt der Erfahrungsaustausch mit ausländischen Aufsichtsbehörden eine wichtige Rolle – sowohl auf technischer als auch auf strategischer Ebene. Damit ist die Finma ein Teil der internationalen Suptech-Familie.

Der Blick nach draussen reicht jedoch nicht aus. Damit die neuen Methoden und Werkzeuge in das Tagesgeschäft übergeführt werden können, braucht es auch Finma-interne Bemühungen. Zunächst müssen die Mitarbeitenden an der Front mit den technologischen Hilfsmitteln vertraut sein und auch die Bereitschaft haben, ihre bisherige Arbeitsweise anzupassen. Gleichzeitig braucht es ein Grundverständnis der Mitarbeitenden für die technischen Möglichkeiten und deren Grenzen. Damit diese ihre Wünsche und Bedürfnisse bei den Datenfachleuten klar formulieren können, fördert die Finma den internen Austausch zu Suptech-Themen und unterstützt die Mitarbeitenden mit Weiterbildungen.

Grundvoraussetzung für jegliche technologische Unterstützung ist schliesslich eine solide Datenbasis: Daten müssen strukturiert, zeitnah verfügbar und von guter Qualität sein. Um dies zu gewährleisten, richtet sich die Finma nach einem einheitlichen Datenqualitätskonzept und entwickelt ihre IT-Infrastruktur laufend weiter.

Mensch und Maschine

Abschliessend lässt sich sagen: Die Finanzwelt wird datenbasiert und digital – daran führt kein Weg vorbei. Moderne Technologien eröffnen nicht nur neue Geschäftsfelder, sondern sie revolutionieren auch die Aufsicht über die Finanzinstitute. Informationen können umfassender und rascher genutzt werden, und Prozesse werden vereinfacht und beschleunigt.

Wichtig ist dabei das optimale Zusammenspiel zwischen Mensch und Maschine. Denn die künstliche Intelligenz kann und soll den Menschen nicht ersetzen, sondern so weit entlasten und unterstützen, dass er sich auf die wesentlichen Fragen und Herausforderungen konzentrieren kann.

  1. Der Beitrag gibt ausschliesslich die persönliche Meinung der Autoren wieder. Diese deckt sich nicht zwingend mit derjenigen der Finma. []
  2. Knapp 90 Prozent der insgesamt 261 Banken in der Schweiz gehören zu den kleinsten Instituten (Aufsichtskategorien 4 und 5). []

Zitiervorschlag: Alain Girard, Philippe Brügger (2022). Bankenaufsicht im Zeichen von Suptech. Die Volkswirtschaft, 12. Juli.

Bankenaufsicht der Finma

Die Bankenaufsicht der Finma wacht darüber, dass die Banken die gesetzlichen Vorschriften laufend einhalten. So müssen die Institute beispielsweise genügend Eigenkapital und Liquidität aufweisen, organisatorische Vorgaben erfüllen, Geldwäscherei verhindern und ein wirksames Risikomanagement betreiben. Die Überwachung führt die Finma teilweise vor Ort durch, und zudem stützt sie sich auf die Arbeiten von Prüfgesellschaften. Dabei konzentriert die Behörde ihre Kräfte auf Banken mit erhöhtem Risikoprofil.