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«Entscheidend ist, was Sie im Moment in die Suchzeile eintippen»

Google-Schweiz-Chef Patrick Warnking erklärt, warum der Google-Suchalgorithmus geheim bleiben muss, der Standort in Zürich der grösste ausserhalb der USA ist und wie man persönliche Daten löschen kann.

«Entscheidend ist, was Sie im Moment in die Suchzeile eintippen»

Patrick Warnking, Geschäftsführer von Google Schweiz, am Standort an der Europaallee in Zürich: «Gerade dass wir von allen Seiten kritisiert werden, zeigt doch, dass wir einen guten Schweizer Kompromiss gefunden haben.» (Bild: Keystone / Gaëtan Bally)
Herr Warnking, verkauft Google Daten?

Alle Nutzerinnen und Nutzer haben bei Google die volle Kontrolle über ihre Daten. Wir verkaufen niemals Daten von Nutzerinnen und Nutzern. Das haben wir in der Vergangenheit nicht gemacht und machen es auch jetzt nicht. Wir werden sehr genau beobachtet, dass wir diesem Anspruch gerecht werden.

Wie nutzt Google die Daten dann?

Wir bieten Werbung auf unseren eigenen und Partnerseiten an. Aber wir geben die Daten niemals an Werbetreibende. Das ist unserer Prämisse.

Wie funktioniert dieses Geschäftsmodell?

In erster Linie stellen wir in der Suche Informationen zur Verfügung, diese Ergebnisse sind nicht kommerziell. Ganz oben erscheinen bei einer Google-Suche dann bis zu drei kommerzielle Anzeigen. Diese sind eindeutig als Werbung gekennzeichnet. Wenn User auf diesen Link klicken, bekommen wir eine Provision.

Abgesehen von Werbung – womit verdient Google sonst noch?

Mit der Werbung verdienen wir global gesehen nach wie vor über 80 Prozent. Wir haben aber auch ein stark wachsendes Cloud-Geschäft.

Kürzlich hat Google angekündigt, dass es künftig keine auf Cookies basierte personalisierte Werbung mehr macht – wie ändert das Ihr Geschäftsmodell?

Das ändert unser Geschäftsmodell nicht grundlegend. Denn Cookies, welche von Drittseiten hinterlegt werden, altern schnell und sind somit nicht sehr bedeutend. Entscheidend ist, was Sie im Moment in die Suchzeile eintippen. Vereinfacht gesagt, für die gleiche Person sind zu unterschiedlichen Zeitpunkten unterschiedliche Themen relevant. Wenn Sie heute Abend Laufschuhe googeln, dann bekommen Sie Werbung für Laufschuhe und nicht für ein Mountainbike – auch wenn Sie letzte Woche nach einem Mountainbike gesucht haben.

Und wenn ich nicht will, dass Google meine Daten sammelt?

An oberster Stelle steht für uns, dass Sie als User jederzeit die volle Kontrolle über Ihre Daten haben. Sie entscheiden, welche Informationen Sie teilen wollen. Oder aber Sie können Google auch anonym nutzen oder einstellen, welche Daten wie und wie lange gespeichert werden dürfen. Erst nach Ihrer Zustimmung nutzen wir notwendige Daten, um Ihnen und anderen Usern bessere Dienste zur Verfügung stellen zu können. Dazu gehören etwa Ihre Spracheinstellungen. Aber auch komplexere wie: Welche Werbung finden Sie besonders nützlich, und mit welchen Personen haben Sie online am häufigsten zu tun? Das alles findet man bei «Google Mein Konto».

Herr Warnking, wie gut kennt Google Sie?

Bei Applikationen, die ich für die Arbeit nutze, wahrscheinlich recht gut. Aber in vielen privaten Bereichen nicht so gut, da ich mich dank der Transparenz und Kontrolle bei Google immer entscheiden kann, welche Daten ich teile und welche nicht.

Auch die SBB-App – meine Lieblings-App – bietet einen besseren Service, wenn ich den Standort aktiviere

Schlägt Ihnen Google dennoch die richtigen Restaurants vor?

Wichtiger als Restaurants ist mir meine Mobilität. (lacht) Ich bin viel mit dem Velo unterwegs; da ist es hilfreich, auf dem Natel meinen Standort zu teilen. Auch die SBB-App – meine Lieblings-App – bietet einen besseren Service, wenn ich den Standort aktiviere. Daten liefern hier somit einen echten Mehrwert.

Was empfehlen Sie dem Otto Normalverbraucher im Umgang mit seinen Daten?

Vor allem ein bisschen Zeit zu investieren. Wir bieten viel Unterstützung: umfangreiche Einstellungsmöglichkeiten, Hilfestellungen, Erinnerungen und E-Mails mit Informationen und Links. Man muss sich aber einmalig etwas einlesen, um die Optionen zu verstehen und für sich einzustellen.

Was sind das für Einstellungsmöglichkeiten?

Nehmen Sie «Google Mein Konto». Unser Ansatz basiert auf vier Prinzipien, die wir unseren Nutzerinnen und Nutzern zusichern: erstens Sicherheit der Daten. Zweitens volle Kontrolle über die eigenen Daten. Drittens volle Transparenz, was mit den eigenen Daten passiert. Und viertens Medienkompetenz, was den Umgang mit Daten betrifft. Das ist unsere grundlegende Philosophie. Seit Jahren kann jeder in seinem Konto einsehen, welche Daten dort gespeichert sind, und kann sie auch löschen.

Wie ist Ihr eigenes Medienverhalten? Auf Datasport.com ist zu sehen, dass Sie sich für den Zürich Marathon 2016 angemeldet haben, dann aber nicht mitgelaufen sind.

(lacht) Genau. Bei verschiedenen Triathlons bin ich dann aber doch mitgelaufen. Offenbar habe ich 2016 hier konkret meine Zustimmung gegeben. Aber das ist für mich auch kein Problem. Ich nutze vieles, was für mich praktisch ist – mache das aber sehr bewusst.

Wie gut verknüpft Google verschiedene Daten?

Google kann gewisse Daten verknüpfen, um unsere Dienste hilfreicher zu machen – aber nur, soweit das rechtlich erlaubt ist. Und nur, sofern die Nutzerinnen und Nutzer damit auch einverstanden sind. Sie entscheiden, was sie Google erlauben möchten. Die Wünsche und Bedürfnisse einzelner User sind hier sehr unterschiedlich.

Wäre der Algorithmus öffentlich, wäre es möglich, die Ergebnisse kommerziell zu beeinflussen

Über die Ergebnisreihenfolge einer Google-Suche schweigt Google. Wieso?

Primär geht es um Relevanz. Wir wollen, dass die relevantesten Suchergebnisse zuoberst erscheinen. Wäre der Algorithmus öffentlich, wäre es möglich, die Ergebnisse kommerziell zu beeinflussen beziehungsweise zu manipulieren. Das wollen wir verhindern. Denn wenn unsere Suchergebnisse nicht mehr relevant sind, werden wir nicht mehr genutzt. Wir tragen eine grosse Verantwortung dafür, dass wir so objektiv wie möglich bleiben.

Was heisst objektiv?

Richtig, das ist natürlich sehr schwierig. Insbesondere bei politischen Themen werden wir von verschiedensten Seiten genau beobachtet. Aber gerade dass wir von allen Seiten kritisiert werden, zeigt doch, dass wir hier einen guten Schweizer Kompromiss gefunden haben.

Wie wird der Suchalgorithmus weiterentwickelt?

Vieles wird automatisiert verbessert – beispielsweise lernt der Algorithmus selber, ob die vorgeschlagenen Ergebnisse auch wirklich angeklickt werden. Aber natürlich braucht es auch eine kritische Beobachtung durch Menschen. Wir arbeiten permanent mit externen Beiräten, Ethikern, Datenschützern und Juristen zusammen. So haben wir zum Beispiel Kriterien für den Umgang mit künstlicher Intelligenz – unsere «AI-Prinzipien» – entwickelt, an die wir uns strikt halten. Wir wollen, dass unsere Nutzerinnen und Nutzer uns vertrauen. Nur so bleiben sie uns langfristig treu.

Das Forschungs- und Entwicklungszentrum in Zürich ist der grösste Google-Standort ausserhalb der USA – wieso gerade die Schweiz?

Wir lieben die Schweiz. Die Schweiz hat Innovation in ihrer DNA – wie Google. Da gibt es eine grosse Schnittmenge. Wir spüren, wie wichtig Innovation für dieses Land ist. Und wir wollen hier zusammen mit Partnern an Innovation arbeiten.

Wird der Standort Zürich weiter wachsen?

Das hoffen wir, ja. Aber auch Google Schweiz muss sich jedes Jahr neu beweisen, mit erfolgreicher Innovation. Am Ende des Tages hängt es davon ab, ob die Projekte, die in Zürich stattfinden, erfolgreich sind. Auch unsere Kolleginnen und Kollegen an anderen Standorten machen tolle Projekte.

Welche Produkte haben Sie in der Schweiz entwickelt?

Zum Beispiel Google Maps. Das war ein Spin-off aus Luzern, das wir 2004 übernehmen und weiterentwickeln durften. Zudem hatte die ETH eine sehr gute Kartografie und einfach sehr gute Informatiktalente. Später wurde in der Schweiz dann auch das Thema Mobilität in Google Maps integriert. Die SBB haben uns dafür als weltweit erstes Unternehmen ihre Daten über den öffentlichen Verkehr zur Verfügung gestellt. Heute gibt es diese Funktion in über 80 Ländern. Vorreiterin war die Schweiz auch bei den Velowegen auf Google Maps. Und auch an Youtube und Google Calender wird hier im Forschungs- und Entwicklungszentrum gearbeitet. Wir sind quasi ein Exportunternehmen mit Sitz in der Schweiz.

Das Silicon Valley kann viel von der Schweiz lernen

Und wenn Sie Zürich mit dem Silicon Valley vergleichen?

Das Silicon Valley kann viel von der Schweiz lernen. Das fängt mit den pünktlichen Zügen und der Mobilität an. Sind Sie schon mal auf dem US Highway 101 auf dem Weg zum Google-Hauptsitz festgesteckt? Und auch das konstruktive Miteinander funktioniert in der Schweiz hervorragend. Die Schweiz ist ein starkes, überschaubares Ökosystem.

Das Magazin «Bilanz» hat dieses Jahr erstmals ein Innovationsranking gemacht. Google erreicht darin Platz drei, hinter Roche und Novartis. Wie fühlen Sie sich auf dem dritten Platz?

Bei so vielen innovativen Unternehmen in der Schweiz sind wir damit sehr zufrieden. Wir schauen aber gar nicht so sehr auf Rankings. Aber natürlich arbeiten wir daran, dass wir innovativ bleiben.

Wie geht das?

Aus meiner Sicht fängt Innovation beim Menschen an. Deshalb investieren wir viel in eine Unternehmenskultur, die auf Lernen und Diversität basiert, in der sich Menschen wohlfühlen, sich keiner überarbeiten muss und sich jeder persönlich weiterentwickeln kann.

Google Schweiz hat bereits rund 5000 Mitarbeitende. Wie schaffen Sie es, dass das Unternehmen nicht schwerfällig wird?

Beispielsweise indem wir jährlich einen Wettbewerb machen, bei dem hinderliche Dinge wieder abgeschafft werden. Und: Unsere Mitarbeitenden können einen Tag pro Woche in ihre eigenen Projekte investieren. Ob diese Projekte gut sind oder nicht, entscheiden die anderen Mitarbeitenden. Wenn viele ihren Tag einem bestimmten Projekt geben, dann muss das eine richtig gute Idee sein. Wir investieren viel in basisdemokratische Prozesse und spielerischen Wettbewerb.

In welche konkreten Projekte investieren Sie zurzeit in Zürich?

Momentan investieren wir viel in eigene Talente und in das Thema «Nachhaltiges Reisen». Bisher konnte man auf Google Maps die verschiedenen Reisemöglichkeiten nach Dauer und Kosten vergleichen. Neuerdings kann man diese Varianten auch nach dem CO2-Ausstoss aufschlüsseln.

Wie sieht es beim Unternehmen selbst mit der Nachhaltigkeit aus?

Wir sind seit 2007 CO2-neutral und möchten bis 2030 CO2-frei sein. Das heisst: Alle Prozesse im Unternehmen – alle Rechenzentren – sollen künftig CO2-frei funktionieren. Und zusätzlich kompensieren wir auch unseren historischen Ausstoss bis zurück zur Unternehmensgründung im Jahr 1998.

Pflanzen Sie dafür Bäume?

In der Vergangenheit haben wir viel kompensiert, aber in Zukunft machen wir das mittels regenerativer Energien. Zudem haben wir hier in Zürich 1500 Veloparkplätze bei uns im Gebäude geschaffen. Wir haben kaum Autoparkplätze in Zürich. Aber das ist aus meiner Sicht nur das Pflichtprogramm. Viel interessanter ist der vorher erwähnte Nachhaltigkeitsvergleich auf Google Maps. Stellen Sie sich vor: Die Website wird von über einer Milliarde Menschen genutzt. Wenn man es hier schafft, nur bei zehn Prozent das Bewusstsein und das Mobilitätsverhalten zu verändern, dann hat das schon einen Hebel.

Zitiervorschlag: Guido Barsuglia (2022). «Entscheidend ist, was Sie im Moment in die Suchzeile eintippen». Die Volkswirtschaft, 12. Juli.

Patrick Warnking
Der 54-jährige gebürtige Deutsche ist seit 2011 Geschäftsführer von Google Schweiz. Nach seiner Banklehre studierte er in Saarbrücken und Berlin Betriebswirtschaft mit Schwerpunkt Marketing und arbeitete unter anderem für die ProSiebenSat.1 Media AG in München. 2007 stiess er zu Google Deutschland.