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Wie bekämpft der Bund die Wirtschaftskriminalität?

Die Eidgenössische Finanzkontrolle bewertet die Massnahmen, die der Bund seit 2015 zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität ergriffen hat, insgesamt positiv. Verbesserungsbedarf gibt es bei der Datenverfügbarkeit und der Bekämpfung der Geldwäscherei.

Wie bekämpft der Bund die Wirtschaftskriminalität?

Dezentral von den Kantonen erfasste Daten sind für die Strafverfolgungsbehörden oft ein Hindernis. Handelsregisteramt Zug. (Bild: Keystone)

Im Rahmen ihres gesetzlichen Auftrags, die Verwendung der Bundesmittel auf ihre Ordnungsmässigkeit, Rechtmässigkeit und Wirtschaftlichkeit hin zu prüfen, hat die Eidgenössische Finanzkontrolle (EFK) 2014 eine vorausschauende Untersuchung der Bundesmassnahmen im Kampf gegen die Wirtschaftskriminalität eingeleitet. Denn es steht viel auf dem Spiel: Der Finanzplatz Schweiz ist noch vor Hongkong und Singapur weltweit das wichtigste Vermögensverwaltungszentrum sowie ein Dreh- und Angelpunkt des Rohstoffhandels. 2019 trug der Schweizer Finanzplatz 7,9 Milliarden Franken oder 7,2 Prozent zum öffentlichen Haushalt bei.[1]

Die EFK beauftragte daher den ehemaligen Tessiner Staatsanwalt Paolo Bernasconi, Hearings mit Vertretern aus der Bundesverwaltung, der Wirtschaft, der Finanzwelt und dem Versicherungssektor zu leiten und ihr einen Bericht über die Massnahmen zum Schutz der Schweizer Wirtschaft vor Wirtschaftskriminalität vorzulegen.[2] Infolge dieser Gespräche wurden seit 2015 16 Prüfungen durchgeführt, die in direktem oder indirektem Zusammenhang mit der Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität stehen. Im Sommer 2022 wurde ein Synthesebericht dieser Arbeiten[3] veröffentlicht. Zu diesem Zeitpunkt waren noch drei Themen zu bearbeiten (siehe Tabelle).

Die Prüfungen der EFK zeigen eine insgesamt positive Bilanz der Aktivitäten der Bundesbehörden zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität. Es besteht aber Verbesserungsbedarf, weshalb die Aufsichtsbehörde 74 Handlungsempfehlungen abgegeben hat. Rund 30 dieser Empfehlungen waren im Juli 2022 noch nicht umgesetzt.

Selten abgelehnte Empfehlungen

Die geprüften Stellen nahmen die Empfehlungen der EFK im Allgemeinen positiv auf, die EFK bedauert jedoch einige wenige Ablehnungen. Dies ist nicht ungewöhnlich im Vergleich zu anderen Prüfbereichen.

Der Bundesrat hat unter anderem einen Teil der von der EFK vorgeschlagenen Massnahmen für eine grössere Schlagkraft der interdepartementalen Arbeitsgruppe zur Korruptionsbekämpfung abgelehnt. Letztere wurde 2008 auf Grundlage mehrerer Empfehlungen der Staatengruppe des Europarats gegen Korruption (Greco) gegründet, der die Schweiz angehört. Diese Massnahmen hätten das Bewusstsein für die Korruptionsbekämpfung geschärft.

Des Weiteren lehnte es das Bundesstrafgericht ab, seine Rolle als einfacher Beobachter im Rahmen eines Kooperationsprogramms der Bundesanwaltschaft (BA) und des Bundesamts für Polizei (Fedpol) auszuweiten. Das Programm zielt darauf ab, die Strafrechtskette des Bundes in das Zeitalter der elektronischen Dossierverwaltung  überzuführen.

Und schliesslich wies das Bundesamt für Justiz vier wichtige Empfehlungen der EFK zurück. Diese wollten die Wirksamkeit der gesetzlich geregelten internationalen Rechtshilfe in Strafsachen (IRSG) sowie deren Durchführung und Aufsicht verbessern. Nach Ansicht der EFK wurde damit eine Gelegenheit zur Revision des IRSG verpasst. Dabei monieren Experten und ehemalige Fachleute[4] immer wieder die Schwerfälligkeit, die dieser notwendigen Revision im Wege steht.

Datenzuverlässigkeit verbessern

Die Verbesserung der Datenzuverlässigkeit und -verfügbarkeit könnte im Fokus künftiger Prüfungen der EFK stehen. Bei ihrer im Jahr 2016 durchgeführten Prüfung der Verwaltung von beschlagnahmten Gütern erhielt die EFK kein detailliertes Bild der Vermögenswerte, welche die zur Sperrung von Geldern und Gütern befähigten Strafverfolgungs- und Bundesbehörden blockiert hatten. Die EFK konnte sich somit nicht vergewissern, dass diese Vermögenswerte und Guthaben gesetzeskonform verwaltet wurden. 2021 war die EFK mit ähnlichen Schwierigkeiten konfrontiert, als sie die Rückgabe von Potentatengeldern zu beurteilen hatte. Ein weiteres Beispiel ist die Steuerbefreiung von Stiftungen. Ob die von den Kantonen praktizierte Umsetzung mit geltendem Recht vereinbar ist und wie sie sich auswirkt, wurde von den Steuerbehörden bisher weder untersucht noch abgeschätzt. Der EFK wurde der Zugang zu den betreffenden Daten verwehrt.

Die Prüfungen der EFK förderten zudem zutage, dass volkswirtschaftlich bedeutende Register wie die Handelsregister, Grundbücher sowie Betreibungs- und Konkursregister Grauzonen aufweisen. Die Schweiz hat Mühe, die von den Kantonen erfassten Daten auf nationaler Ebene zu konsolidieren. Dies behindert die Strafverfolgungsbehörden dabei, Vorabklärungen anzustellen und Verfahren durchzuführen. Dadurch wird ihre Fähigkeit eingeschränkt, die Risiken zu analysieren und die grössten Gefahren gezielt anzugehen.

Lücken bei Geldwäschereibekämpfung

Die Geldwäscherei ist naturgemäss eines der zentralen Themen bei den Prüfungen der EFK. Im Rahmen ihrer Arbeit hat sie Schwachstellen sowie Finanz- und Reputationsrisiken für die Bundesbehörden aufgedeckt. So hat die Prüfung der Oberaufsicht über das Grundbuchwesen gezeigt, dass Immobilien nach wie vor ein attraktives Mittel sind, um illegal erwirtschaftete Gelder in das legale Finanzsystem einzuschleusen. Die EFK stellte ausserdem fest, dass die Stiftungsaufsicht die Meldestelle für Geldwäscherei nicht systematisch über vermutete Fälle von Geldwäscherei in Kenntnis setzte.

Die Prüfungen der EFK zeigen auch, dass die Schweizer Gesetzgebung die Entwicklung der internationalen Standards im Bereich der Geldwäschereibekämpfung kaum antizipiert. Dies spricht für eine ganzheitliche Beurteilung des Dispositivs zur Bekämpfung der Geldwäscherei, insbesondere angesichts der jüngsten rechtlichen Entwicklungen. Die EFK könnte somit ihre Gesamtanalyse mit einer umfassenden Querschnittsprüfung der Geldwäschereibekämpfung abrunden.

Schliesslich lenken die Syntheseberichte den Blick auf zwei weitere Themen, die möglicherweise einer Prüfung durch die EFK bedürfen: Zum einen stossen die Zwangsmassnahmengerichte bei der Triage von versiegelten Daten auf Schwierigkeiten, was die Verfahren der BA und der kantonalen Staatsanwaltschaften erheblich verlangsamt. Zum anderen ist die abschreckende Wirkung der Gerichtssanktionen und -gebühren sehr gering. In diesem Zusammenhang wäre es sinnvoll, zu untersuchen, ob der Höchstbetrag der Gerichtskosten für komplexe Strafverfahren – gemäss Bundesgesetz über die Organisation der Strafbehörden des Bundes aktuell auf 100’000 Franken begrenzt – wirklich den von den Strafverfolgungsbehörden eingesetzten Finanzmitteln und Personalressourcen entspricht.

Von der EFK durchgeführte Prüfungen zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität (2015–2021)

Anmerkung: Die Prüfungen sind auf EFK.admin.ch veröffentlicht. Ein * zeigt an, dass das Thema im Zuge der Durchführung der EFK-Risikoanalysen hinzugefügt wurde.
Quelle: EFK
  1. Siehe SIF (2022). []
  2. Siehe Bernasconi (2015). []
  3. Siehe EFK (2022). []
  4. Siehe Heidi.news (2021): Interview mit Patrick Lamon, der früher bei der BA für Geldwäschereiverfahren zuständig war. Aus Sicht des Genfer Staatsanwalts Yves Bertossa ist die Schweiz in Sachen Zusammenarbeit «eines der langsamsten Länder Europas»: siehe Public-Eye (2021). []

Bibliographie

Zitiervorschlag: Yves Steiner (2022). Wie bekämpft der Bund die Wirtschaftskriminalität. Die Volkswirtschaft, 30. August.

Meinungsverschiedenheiten beim Kampf gegen Cyberkriminalität
Es vergeht kaum ein Tag, an dem die Medien nicht über komplexe Cyberangriffe auf öffentliche Behörden, Unternehmen oder Privatpersonen berichten. Der Kampf gegen Cyberkriminalität ist somit eine grosse Herausforderung für die Strafverfolgungsbehörden des Bundes und der Kantone. 2021 hat die EFK bei ihrer Prüfung der Wirksamkeit der Cyberkriminalitätsbekämpfung grundlegende Meinungsverschiedenheiten zwischen der Bundesanwaltschaft (BA) und dem Bundesamt für Polizei (Fedpol) festgestellt. Seit 2018 können sich die beiden Behörden nicht auf die Schaffung eines «Cyber-Kommissariats» unter dem Dach der Bundeskriminalpolizei einigen. Das mag überraschend sein, verfügen doch schon zahlreiche Kantone über eine solche Spezialabteilung. Aus Sicht der EFK deutet diese Meinungsverschiedenheit auch darauf hin, dass die Kommunikation zwischen den beiden Behörden in einem derart sensiblen Bereich wie der Cyberkriminalität verbessert werden muss. Die EFK hat daher dem Fedpol empfohlen, die Vor- und Nachteile eines «Cyber-Kommissariats» oder einer anderen Lösung zu analysieren, um die Verfügbarkeit von Ressourcen für «Cyberkriminalitätsstrafverfahren» der BA sicherzustellen. Bis zum Redaktionsschluss dieses Artikels war diese Empfehlung noch pendent.