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Dekarbonisierung und Langsamverkehr prägen den Strassenbau

Der Strassenbau ist auch Ausdruck gesellschaftlicher Trends, wie der aktuelle Ausbau der Velowege und die Diskussion über Verkehrslärm zeigen. Die Finanzierung dieses Ausbaus erfolgt heute allerdings noch grösstenteils über die Mineralölabgaben – wie also weiter, wenn der Anteil E-Autos stetig wächst?
Erstellen eines Fahrradpiktogramms. Der Langsamverkehr gewinnt zunehmend an Bedeutung. (Bild: Keystone)

Mit grossen Steinplatten befestigte Strassen gibt es bereits seit dem 4. Jahrhundert vor Christus. Das belegen Funde in Sardinien. Im Lauf der Jahrhunderte haben Innovationen den Strassenbau allerdings stetig weiterentwickelt. So haben die Römer angefangen, ihre Strassen möglichst gradlinig und mit wenigen Steigungen zu bauen, was Kunstbauten wie Stützmauern oder Brücken bedingte. Auch haben die Römer ihre Strassen durch einen vorgegebenen Schichtaufbau befestigt, der sich je nach regionaler Verfügbarkeit der Baustoffe unterschied. Die Römer bauten ihre Strassen so gut, dass man heute noch römische Strassen finden kann (beispielsweise am Bözberg im Kanton Aargau).

Ab 1820 wurden die Strassen dann aber nach einer Erfindung des Schotten Mac Adam mit Schotterschichten belegt und so besser nutzbar gemacht, weil das Wasser besser abfliessen konnte. Die Strassen wurden dadurch weniger ausgewaschen. Seit Anfang des 20. Jahrhunderts werden die Strassen asphaltiert, um die Staubentwicklung einzudämmen und den Wasserabfluss nochmals zu verbessern.

Die Entwicklung im Strassenbau ist damit aber nicht abgeschlossen. Auch in heutiger Zeit tragen Innovationen dazu bei, den Bau von Verkehrswegen weiterzuentwickeln. Und auch unter dem Eindruck von aktuellen Megatrends in der Mobilität wie zunehmendem Verkehr, Digitalisierung, Dekarbonisierung und wachsendem Veloverkehr werden sich unsere Strassen in Zukunft weiter verändern.

Verkehr wächst weiter

Der Verkehr auf den Strassen – ob mit Auto, ÖV oder Velo – nimmt weiter zu. Heute werden in der Schweiz jährlich rund 97 Milliarden Kilometer[1] auf der Strasse zurückgelegt. Zudem werden die Fahrzeuge immer schwerer. Das ist einerseits den gestiegenen Sicherheitsanforderungen für Fahrzeuge, andererseits der Elektrifizierung von Autos geschuldet, die entsprechend die Infrastrukturen stärker belasten.

Das hat Folgen für den Betrieb und den Unterhalt von Strassen. Denn rund 45 Prozent aller Brücken auf dem Nationalstrassennetz wurden zwischen 1966 und 1975 in Betrieb genommen. Diese alternden Infrastrukturen müssen in absehbarer Zeit ersetzt oder fit gemacht werden für die Zukunft. Auf die kommenden Generationen wird folglich eine «Ersatzbau-Welle» zukommen, die einen Grossteil der durch den Nationalstrassen- und Agglomerationsverkehrs-Fonds (NAF) zur Verfügung gestellten Gelder beanspruchen wird.

Zudem gilt es, die «Verträglichkeit» der Strassen zu erhöhen. Denn weil die Bevölkerung und der Verkehr gleichzeitig wachsen, fühlen sich auch immer mehr Menschen gestört. So hat der Bund seit der Übernahme der Nationalstrassen von den Kantonen im Jahr 2008 bis heute bereits rund 3,1 Milliarden Franken in Lärmschutzmassnahmen entlang von Nationalstrassen investiert. Realisiert wurden Lärmschutzwände und -dämme, lärmarme Strassenbeläge, schallabsorbierende Verkleidungen von Stützmauern und Tunnelportalen, Überdeckungen und Halbüberdeckungen. Das absehbare Bevölkerungs- und Verkehrswachstum wird die Ansprüche an den Lärmschutz zusätzlich erhöhen. Dies prägt die Wahrnehmung und das Bild der Strassen.

Dank Digitalisierung Stau vermeiden

Mehr Verkehr heisst grössere Engpässe. Teilweise kann dem Verkehrswachstum mit einem punktuellen Ausbau der Infrastrukturen entsprochen werden. Grosse Chancen bietet aber auch die Digitalisierung. Denn mit gezielten Massnahmen im Verkehrsmanagement können bestehende Infrastrukturen besser ausgelastet werden. So halten beispielsweise digital gesteuerte, situative Geschwindigkeitsbeeinflussungen den Verkehr möglichst lange flüssig und verhindern Stau. Damit dies möglich ist, sind die Strassen in Zukunft aber mit Sensoren und Anzeigen auszurüsten, welche den Verkehrsteilnehmenden situativ signalisieren, wie schnell sie aufgrund der aktuellen Verkehrslage fahren dürfen.

Solche intelligenten Strassen, welche das Verkehrsaufkommen erfassen können, könnten theoretisch auch direkt mit den Fahrzeugen kommunizieren und mit ihnen Informationen zur aktuellen Verkehrslage sowie Stau- oder Unfallwarnungen teilen. Und auch bei den Fahrzeugen selber wird die Digitalisierung einen Beitrag zur Automatisierung leisten und so die Verkehrssicherheit erhöhen.

Die Digitalisierung hilft uns beim Bundesamt für Strassen (Astra) aber auch bereits bei der Planung von Strassen – etwa mittels «Building Information Modeling (BIM)». Dabei wird auf Smartphones oder am PC ein vereinfachtes digitales Abbild des Bauwerks erstellt. Zusätzlich können Daten aus verschiedenen Fachdisziplinen hinzugezogen werden, um ein ganzheitliches Bild zu erhalten. Dank BIM sparen wir Zeit und Geld bei der Planung. Aber nicht nur dort. Die Planungshilfe wird über die gesamte Lebensdauer eines Bauwerks angewandt und hilft auch später dabei, den kurz- und langfristigen Unterhalt zu optimieren. Für die Nutzerinnen und Nutzer der Nationalstrassen bedeutet dies eine grössere Verkehrssicherheit oder Verfügbarkeit. Denn aufgrund der digitalen Pläne werden in Zukunft beispielsweise weniger Vermessungen auf den Autobahnen nötig sein.

Nicht zuletzt trägt die Digitalisierung auch dazu bei, die Ressourcen beim Strassenbau schonend einzusetzen, indem sich beispielsweise Rohstoffmengen genauer berechnen lassen. Eine gute und effiziente Bewirtschaftung der Ressourcen hilft, die Kreislaufwirtschaft am Laufen zu halten. So können Ressourcen gespart und der Energieverbrauch reduziert werden.

Entkarbonisierung gefährdet Finanzierung

Die Elektrifizierung im Individualverkehr hat Fahrt aufgenommen. Heute sind bereits über 22 Prozent der neu zugelassenen Personenwagen sogenannte Steckerfahrzeuge. Dieser Trend wird sich in den kommenden Jahren fortsetzen.

Er führt aber auch zu neuen Herausforderungen. Beispielsweise bei der Finanzierung von Strassen. Denn heute stammt ein Grossteil der Gelder im Nationalstrassen- und Agglomerationsverkehrs-Fonds aus der Mineralölsteuer und dem Mineralölsteuerzuschlag. Wegen der zunehmenden Elektrifizierung nehmen diese Gelder stetig ab, und es sind neue Finanzierungsquellen nötig. Der Bundesrat möchte deshalb eine leistungsabhängige Ersatzabgabe für Elektrofahrzeuge einführen. So kann sichergestellt werden, dass auch in Zukunft genügend Geld für den Bau, den Unterhalt und den Betrieb der Nationalstrassen vorhanden ist.

Mehr Platz für mehr Velos

Auch der Langsamverkehr gewinnt zunehmend an Bedeutung. So wurden 2020 zu Fuss und mit dem Velo insgesamt 8,4 Mrd. Personenkilometer zurückgelegt. Dies ist etwa ein Zehntel der Leistung des privaten motorisierten Personenverkehrs. Insbesondere in den Agglomerationen und auf kurzen Strecken ist er eine gute Ergänzung zum motorisierten Individualverkehr und zum öffentlichen Verkehr. Die absehbare weitere Verbreitung von E-Bikes wird diese Entwicklung noch verstärken.

Damit Velofahren sicher und attraktiv bleibt, sind Investitionen in die Veloinfrastruktur nötig. Grosse Bedeutung kommt dabei der Entflechtung der einzelnen Verkehrsträger zu. Die Einrichtung sogenannter Veloschnellrouten – quasi Autobahnen für den Veloverkehr – kann mithelfen, die übrigen Strassen vom zunehmenden Veloverkehr zu entlasten. Sie richten sich vor allem an die Pendlerinnen und Pendler, die jeden Tag mit dem Velo zur Arbeit fahren.

Das Augenmerk muss dabei aber vor allem auf der Verkehrssicherheit sein. Denn heute haben wir bei den Velofahrenden die höchste Zahl an Toten und Schwerverletzten im Strassenverkehr. Mit dem neuen Veloweggesetz[2] hat das Parlament diesen Frühling ein Instrument geschaffen, um ein sicheres und zusammenhängendes Velowegnetz zu erstellen. Die Umsetzung soll nach Inkrafttreten dieses Gesetzes – voraussichtlich per Januar 2023 – angegangen werden.

Die allermeisten Wohn- und Geschäftsadressen tragen heute einen Strassennamen oder den eines Platzes. Nicht nur aufgrund dieser Tatsache sind und bleiben Strassen auch in Zukunft unverzichtbar. Doch der Strassenbau wird sich weiterentwickeln: Er wird wesentlich nachhaltiger und noch sicherer werden als heute.

  1. Privater motorisierter Strassenverkehr: 85,2 Mrd. km; öffentlicher Strassenverkehr: 3,4 Mrd. km; Langsamverkehr: 8,4 Mrd. km. []
  2. Siehe BBI 2021 1261 auf Fedlex.admin.ch. []

Zitiervorschlag: Jürg Röthlisberger (2022). Dekarbonisierung und Langsamverkehr prägen den Strassenbau. Die Volkswirtschaft, 13. September.