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Traumberuf bei der Deutschen Bundesbank

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«Im Unterschied zu den 1970er-Jahren kann die Deutsche Bundesbank nicht mehr eigenständig Massnahmen zur Eindämmung der Teuerung ergreifen.» Detailaufnahme einer 20-Euro-Banknote. (Bild: Keystone)

Seit meinem Studium Anfang der 1990er-Jahre in Köln und Dublin interessiere ich mich für Volkswirtschaft und Politik. Als Leiter des Zentralbereichs Volkswirtschaft und Chefökonom der Deutschen Bundesbank habe ich heute folglich den schönsten Beruf, den ich mir vorstellen kann. Denn hier geht es jeden Tag aufs Neue darum, diese beiden Interessen unter einen Hut zu bringen.

Der Zentralbereich Volkswirtschaft ist mit rund 150 Personen ein kleiner Bereich in der Bundesbank, die insgesamt über 10’000 Personen beschäftigt. Meine wesentliche Aufgabe als Chefökonom besteht im Management hoch qualifizierter und hoch motivierter Mitarbeitender. Der grosse Reiz meiner Arbeit besteht darin, ihre Expertise zu bündeln und ständig nach Antworten auf immer neue und wichtige volkswirtschaftliche Herausforderungen zu suchen.

An solchen Herausforderungen hat es in den letzten Jahren nicht gemangelt. Gegenwärtig treibt mich vor allem die viel zu hohe Inflation um. Diese ist der Kernbereich der Geldpolitik, und wir müssen sehr aufpassen, dass wir die Lehren der 1970er-Jahre nicht vergessen. Die Geldpolitik darf auch bei gesamtwirtschaftlichen Angebotsschocks ihre Hände nicht in den Schoss legen. Denn am Ende liegt die Verantwortung für die Inflation mittel- bis langfristig bei der Geldpolitik – sprich den Zentralbanken. Und dieser Verantwortung müssen wir heute wie damals gerecht werden.

Am Ende liegt die Verantwortung für die Inflation bei der Geldpolitik

Im Unterschied zu den 1970er-Jahren kann die Deutsche Bundesbank allerdings nicht mehr eigenständig Massnahmen zur Eindämmung der Teuerung ergreifen, wie das die Schweizerische Nationalbank kann. Denn im Juni 1998 nahm die Europäische Zentralbank ihre Arbeit auf. Seitdem werden die geldpolitischen Entscheidungen im Euroraum vom Rat der Europäischen Zentralbank (EZB-Rat) getroffen. Der Bundesbank-Präsident hat Sitz und Stimme im EZB-Rat und wirkt so an den geldpolitischen Entscheidungen mit. Im Zentralbereich Volkswirtschaft bereiten wir den Präsidenten auf diese geldpolitischen Sitzungen des EZB-Rats vor.

Neben der europäischen Geldpolitik beschäftigen wir uns mit einem breiten Spektrum der deutschen Wirtschaftspolitik. Dies ist Teil der Beratungsaufgabe der Bank gegenüber der Bundesregierung. Wir stellen beispielsweise ein Mitglied im Arbeitskreis Steuerschätzung, und auch im Sozialbeirat der Bundesregierung sind wir vertreten.

Effiziente und effektive Politikberatung ist heute nur möglich auf Basis einer fundierten theoretischen und empirischen Forschung. Durch die Forschung in den Fachabteilungen beteiligen wir uns am wissenschaftlichen Diskurs und arbeiten eng mit dem Forschungszentrum der Bank zusammen, in das wir regelmässig Mitarbeitende entsenden. So findet sich mein im Studium gewecktes Interesse für Volkswirtschaft und Politik auch heute noch in der täglichen Arbeit wieder.

Zitiervorschlag: Ulbrich, Jens (2022). Traumberuf bei der Deutschen Bundesbank. Die Volkswirtschaft, 05. September.