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E-Mobilität: Von der Öl- zur Stromabhängigkeit?

Elektroautos verlassen die Nische und werden zum Massenprodukt. Die Netzintegration, auch von Millionen Elektroautos, ist eine machbare Herausforderung. Ein effizientes Lademanagement ist allerdings Pflicht.

E-Mobilität: Von der Öl- zur Stromabhängigkeit?

Elektroautos verursachen zusätzlichen Strombedarf. Installation von Hochspannungsleitungen in Sitten. (Bild: Keystone)

Die Elektromobilität hat in den letzten drei Jahren enorm Fahrt aufgenommen und eilt punkto Verkäufe von einem Rekord zum nächsten.[1] Ende 2021 war der Anteil der Personenwagen mit Elektroantrieb mit insgesamt 70’200 Fahrzeugen am gesamten Autobestand der Schweiz mit 1,5 Prozent zwar immer noch klein, er wächst aber schnell an: Vor rund zehn Jahren waren insgesamt nur ungefähr 1000 Elektroautos auf Schweizer Strassen unterwegs.

Herausforderungen durch E-Mobilität

Umso drängender ist die Frage, welche Herausforderungen zu meistern sind, wenn in wenigen Jahren Elektroautos millionenfach auf den Strassen fahren. Dazu gehören unter anderem: Sind global gesehen genügend Rohstoffe für Millionen von Elektroautos, vor allem für die ressourcenintensive Batteriefertigung und die Elektromotoren, verfügbar? Haben wir genügend Strom für E-Mobilität en masse? Kann mit den heutigen Stromnetzen eine flächendeckende Ladeinfrastruktur betrieben werden, ohne dass die Nutzung von E-Autos einschränkt wird oder gar ein Blackout droht? Im Folgenden liegt der Fokus auf der Stromversorgungsinfrastruktur in der Schweiz und aufgrund der technisch vergleichbaren Infrastrukturen und Netzplanungsgrundsätze im Dach-Raum[2].

Zusätzlicher Energiebedarf gering

Aktuell macht der Energiebedarf der Mobilität in der Schweiz mit 39 Prozent über ein Drittel des gesamten Brenn- und Treibstoffverbrauchs aus. Damit liegt er nur knapp hinter dem Energiebedarf für Raumwärme (40 Prozent).[3] Im Gegensatz hierzu wird der zusätzliche Strombedarf für Elektroautos noch auf längere Zeit nur einen kleinen Teil des landesweiten Stromverbrauchs ausmachen. Selbst eine Million Elektroautos – das wären 20 Prozent aller Autos in der Schweiz – mit einer überdurchschnittlichen jährlichen Fahrleistung von 15’000 Kilometern kämen bei den aktuellen Energieeffizienzfaktoren auf nur ungefähr 3 Terawattstunden zusätzlichen Strombedarf (siehe Abbildung). Dies entspricht rund 5 Prozent der jährlichen Schweizer Stromerzeugung.[4]

In den nächsten fünf bis zehn Jahren ist der zusätzliche Energiebedarf trotz der aktuellen Ausnahmesituation an den Energiemärkten kein grosses Problem. Jedes zusätzliche Elektroauto verringert zudem die Abhängigkeit von fossilen Energieträgern wie Erdöl.[5] Auch die Bereitstellung der Ladeinfrastruktur ist in diesem Zeithorizont gut bewältigbar. Auch wenn moderne Elektroautos oft den grössten Stromverbraucher in einem Haushalt darstellen, ist dies für typische Hausanschlüsse in der Schweiz problemlos verkraftbar. Der Knackpunkt ist vielmehr, wie viele E-Autos gleichzeitig laden können, ohne lokal das elektrische Verteilnetz zu überlasten. Eine umfangreiche Netzstudie des Instituts für Elektrische Anlagen und Netze, Digitalisierung und Energiewirtschaft (IAEW) an der Reinisch-Westfälischen Technischen Hochschule (RWTH) Aachen für die Verteilnetzstrukturen in Deutschland hat ergeben, dass bis zu einer Elektroauto-Durchdringung von 20 Prozent, wie sie aktuell für 2030 prognostiziert wird, nur punktuell Netzverstärkungen notwendig sind. [6]  Dabei handelt es sich vor allem um den Einbau von regelbaren Ortsnetztrafos (rONT) in stark geforderten Niederspannungsnetzen, um lokale Spannungsprobleme auszugleichen. Diese Erkenntnisse wurden von der Internationalen Energie-Agentur (IEA) in ihrer aktuellen Leitstudie zur E-Mobilität aufgegriffen und durch ähnliche Ergebnisse in anderen Weltregionen validiert.[7]

Stromverbrauch für Elektromobilität im Vergleich zu Verbrennungsmotoren und Wärmeenergie

Anmerkung: Wärmeenergie besteht aus Raumwärme und Warmwasser und beinhaltet nur elektrische Last von Wärmepumpen und E-Heizungen.
Quelle: BFE (2021), BFE (2022), eigene Berechnungen der Autoren / Die Volkswirtschaft

Lastmanagement als Königsweg

Langfristig, im Falle einer nahezu hundertprozentigen Elektrifizierung des motorisierten Strassenverkehrs, ergeben sich aber durchaus Herausforderungen: Wären alle 4,7 Millionen zugelassenen Schweizer Autos elektrisch, ergäbe dies einen zusätzlichen Strombedarf von ca. 14 Terawattstunden oder knapp einem Viertel der heutigen jährlichen Nettostromerzeugung. Ohne zusätzliche Erzeugungskapazitäten ginge es nicht. Bei Durchdringungsraten von deutlich über 20 Prozent steigt ebenso der Netzausbaubedarf deutlich an.

Ein flächendeckendes, intelligentes Lastmanagement für Elektroautos, das sogenannte Smart Charging, bietet einen eleganten Ausweg, um sowohl lokale wie auch regionale und nationale Lastspitzen deutlich zu reduzieren. Dies verringert gleichzeitig den allfälligen Netzausbaubedarf in den elektrischen Verteilnetzen und den Bedarf an teurer Spitzenstromkapazität wie Gasturbinen.

Elektroautos sind durch ihren Batteriespeicher im Vergleich zu anderen Stromverbrauchern wie Wärmepumpen deutlich flexibler. Bei einer durchschnittlichen wöchentlichen Fahrleistung von 300 Kilometern sind bei heutigen Elektroautos nur ein bis zwei Ladevorgänge pro Woche nötig. Die dabei benötigten 50 bis 60 Kilowattstunden lassen sich bei voller Ladeleistung in rund fünf bis sechs Stunden bereitstellen. Das erlaubt auch unter Berücksichtigung der typischen Autonutzungsprofile genügend Freiraum, um auf die günstigen Stunden am Strommarkt mit einem hohen Anteil an erneuerbarer Energie zu warten und die teuren Stunden mit hohem Lastbedarf, der im europäischen Strommarkt dann typischerweise von Gasturbinen gedeckt wird, zu vermeiden. Die Zukunft der Elektromobilität hängt also nicht vom Gas für die Spitzenstromerzeugung ab. Vielmehr könnten Elektroautos als sehr flexible Stromverbraucher eine bessere Netzintegration der volatilen Erneuerbaren-Einspeisung aus Wind und Sonne fördern.

  1. Siehe Mock (2022) und Schreyer und Morlier (2022)[]
  2. Dach ist eine Abkürzung für die Länder Deutschland, Österreich und Schweiz. []
  3. Bundesamt für Energie BFE (2021). []
  4. Bundesamt für Energie BFE (2022). []
  5. IEA (2022), S. 129. []
  6. Vertgewall, C. M. et al. (2021). []
  7. IEA (2022), S. 197. []

Literaturverzeichnis
  • Bundesamt für Energie BFE (2021). Analyse des schweizerischen Energieverbrauchs 2000–2020 nach Verwendungszwecken. Oktober.
  • Bundesamt für Energie BFE (2022). Energiestatistik 2021. September.
  • IEA (2022). Global EV Outlook. Mai.
  • Peter Mock (2022). Die EU hat die Weiche auf Elektromobilität gestellt. Was heisst das. Die Volkswirtschaft, 25. Oktober.
  • Christoph Schreyer und Delphine Morlier (2022). Roadmap Elektromobilität: Zukunft unter Strom. Die Volkswirtschaft, 25. Oktober.
  • Vertgewall, C. M. et al. (2021). Modelling of Location and Time Dependent Charging Profiles of Electric Vehicles Based on Historical User Behavior. CIRED Congress, Berlin.

Bibliographie
  • Bundesamt für Energie BFE (2021). Analyse des schweizerischen Energieverbrauchs 2000–2020 nach Verwendungszwecken. Oktober.
  • Bundesamt für Energie BFE (2022). Energiestatistik 2021. September.
  • IEA (2022). Global EV Outlook. Mai.
  • Peter Mock (2022). Die EU hat die Weiche auf Elektromobilität gestellt. Was heisst das. Die Volkswirtschaft, 25. Oktober.
  • Christoph Schreyer und Delphine Morlier (2022). Roadmap Elektromobilität: Zukunft unter Strom. Die Volkswirtschaft, 25. Oktober.
  • Vertgewall, C. M. et al. (2021). Modelling of Location and Time Dependent Charging Profiles of Electric Vehicles Based on Historical User Behavior. CIRED Congress, Berlin.

Zitiervorschlag: Andreas Ulbig (2022). E-Mobilität: Von der Öl- zur Stromabhängigkeit. Die Volkswirtschaft, 25. Oktober.