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Schweizer Investitionsanteil an grössten börsenkotierten Schweizer Firmen wächst

Der US-Investor Blackrock ist der grösste institutionelle Anleger im Börsenindex SMI Expanded. Schweizer Grossaktionäre mit Firmenanteilen über 3 Prozent halten jedoch klar den grössten Kapitalanteil, Tendenz steigend.
Der Pharmakonzern Roche ist zu 100 Prozent in Schweizer Händen. Die Verwaltungsräte Jörg Duschmalé (l.) und André Hoffmann. (Bild: Keystone)

Beteiligungen von ausländischen Investoren an börsenkotierten Schweizer Unternehmen führen in der Öffentlichkeit und in der Politik immer wieder zu Missmut. Genaue Informationen über den tatsächlichen Umfang und die Struktur solcher Beteiligungen sind bislang jedoch nicht vorhanden. Die Angaben aus Geschäftsberichten oder Börseninformationssystemen wie Bloomberg sind unvollständig, uneinheitlich, oder die Datengrundlage ist nicht nachvollziehbar.

Im Auftrag des Staatssekretariats für Wirtschaft (Seco) haben die Ökonomen Yvonne Seiler Zimmermann von der Hochschule Luzern und Heinz Zimmermann von der Universität Basel dennoch einen Versuch unternommen, sich der Frage anzunähern. In ihrer Studie aus dem Jahr 2019[1] untersuchten sie die Beteiligungsverhältnisse bei schweizerischen börsenkotierten Unternehmen des Börsenindex SMI Expanded per Stichtag 15. September 2018.

Aufgrund der vielen Firmenübernahmen und des schnelllebigen Finanzmarktes wurde die Untersuchung per Stichtag 10. März 2022 nun erneut durchgeführt.[2] Dabei wurden 47 Unternehmen aus dem SMI Expanded analysiert. Der SMI Expanded listet die 50 höchstkapitalisierten börsenkotierten Schweizer Unternehmen, die alle an der Schweizer Börse SIX Exchange gehandelt werden.

Grossteil im Besitz von Kleinaktionären

Aufgrund der gesetzlich geregelten Meldepflicht gibt es nur für Aktionäre, die mindestens einen Anteil von 3 Prozent an einer Firma besitzen, öffentlich zugängliche Informationen über die tatsächlichen Besitzverhältnisse. Der Streubesitz, welcher Aktionäre mit einer Beteiligung unter 3 Prozent umfasst, ist deshalb nicht identifizierbar. Neben der SIX-Datenbank können Geschäftsberichte zusätzliche Informationen zu den Besitzverhältnissen enthalten. Wo dies der Fall ist, haben wir dies ergänzt. Insgesamt konnten wir so aber nur 2 Prozent zusätzliche Aktionäre identifizieren.

Die Stimmrechte, die aufgrund der SIX-Meldungen den identifizierbaren Aktionären zugeordnet werden können, betragen nur 23 Prozent. Das bedeutet, dass rund 77 Prozent der Stimmrechte im Streubesitz gehalten werden und folglich nicht identifizierbar sind. Zum Vergleich: Im Jahr 2018 betrugen die Anteile noch 21 Prozent (identifizierbare Aktionäre) und 79 Prozent (im Streubesitz). Unsere Aussagen treffen somit für weniger als ein Viertel der SMI-Stimmrechte zu. Dennoch erlauben sie einige Rückschlüsse auf den gesamten SMI Expanded.

Analysiert man die Unternehmen einzeln, ist der durchschnittlich bekannte Stimmrechtsanteil gegenüber 2018 gesunken: Waren es 2018 noch 34 Prozent, sind es 2022 lediglich 29 Prozent. Gewichtet man die Stimmrechte mit der Marktkapitalisierung der einzelnen Firmen, beträgt der bekannte Stimmrechtsanteil über alle Firmen hinweg 30 Prozent. 2018 waren es 31 Prozent (siehe Tabelle).

Identifizierbare Aktionäre und Stimmrechtsanteile im SMI Expanded (2018 und 2022)

Studie 2022 Studie 2018
Anzahl identifizierbare Aktionäre 81 97
Aggregierter Anteil identifizierbare Stimmrechte 23% 21%
Ø Stimmrechtsanteil ungewichtet 29% 34%
Ø Stimmrechtsanteil gewichtet 30% 31%
Quelle: Gattlen, Kronenberger und Mangold (2022) / Zimmermann und Seiler Zimmermann (2019)

 

Schweizer Anteil wächst

Gegenüber 2018 hat der Anteil an Schweizer Kapital leicht zugenommen. 2022 betrug der Anteil 71 Prozent, im Jahr 2018 waren es noch 68 Prozent. Gleichzeitig hat sich der Anteil Beteiligungen von US-Investoren verringert – und zwar von 21 auf 18 Prozent.

Dennoch halten US-Investoren noch immer den höchsten ausländischen Anteil an Schweizer Firmen, und dies mit grossem Abstand. Dahinter kommen Schweden, Norwegen, Grossbritannien und Saudi-Arabien mit einem Anteil von 1,5 Prozent oder weniger. Insgesamt stammen 23 Prozent der Investitionen aus dem Ausland. Davon sind 3,5 Prozent europäische Aktionäre (Schweizer Aktionäre nicht mit eingerechnet).

Der hohe Schweizer Kapitalanteil ist im Wesentlichen auf die Firma Roche zurückzuführen. Roche hat eine hohe Kapitalisierung und weist keine gemeldeten ausländischen Beteiligungen aus. Auch die Ems-Chemie, der Versicherer Helvetia Holding, der Luxusgüterkonzern Richemont, der Aufzughersteller Schindler und die Swatch Group sind gemäss den identifizierbaren Aktionären zu 100 Prozent in Schweizer Händen, weisen aber eine deutlich tiefere Kapitalisierung als die Firma Roche auf.

Umgekehrt befinden sich das Pharmaunternehmen Alcon, der Sanitärtechnikkonzern Geberit, der Duftstoffhersteller Givaudan, der Unterhaltungselektronikkonzern Logitech, das Chemieunternehmen Lonza, der Nahrungsmittelkonzern Nestlé und der Versicherer Zurich Insurance zu 100 Prozent in ausländischen Händen.

Betrachtet man nicht den Anteil an Schweizer Kapital, sondern den Anteil Schweizer Stimmrechte, dann verändern sich die Anteile erheblich. Dann nämlich befinden sich nur noch 45 Prozent der identifizierbaren Stimmrechte in Schweizer Besitz. 47 Prozent sind in ausländischen Händen[3], rund ein Drittel davon sind US-Anteile.[4]

Privatpersonen werden wichtiger

Wie schon 2018 kontrollieren auch im Jahr 2022 institutionelle Investoren ungewichtet mit 71 Prozent den grössten Anteil der identifizierbaren Stimmrechte. Der grösste institutionelle Investor ist weiterhin die US-Investmentgesellschaft Blackrock. Der ungewichtete Stimmrechtsanteil von Blackrock ist leicht angestiegen und beträgt neu 23 Prozent. Der Investor ist in insgesamt 35 der 47 analysierten Unternehmen des SMI Expanded investiert.

Der grosse Unterschied zwischen dem ungewichteten (71%) und dem marktkapitalisierten Durchschnitt (47%) deutet darauf hin, dass institutionelle Anleger relativ gesehen über höhere Beteiligungen an kleinkapitalisierten Firmen verfügen. Der gegenteilige Effekt ist bei Privatpersonen erkennbar: Gewichtet ist der bekannte Stimmrechtsanteil von Privatpersonen deutlich angestiegen und liegt neu bei 46 Prozent. Dieser Anstieg ist auf die Beteiligungen der Familie Hoffmann an Roche zurückzuführen. Grund dafür ist, dass Novartis 53,3 Millionen Roche-Inhaberaktien im Wert von rund 19 Milliarden Franken an Roche verkaufte, was einem Drittel der Stimmrechte entsprach. Durch die Vernichtung der Stimmrechte vergrösserte sich der im Besitz der Familie Hoffmann befindliche Anteil prozentual.

Anonymer Streubesitz entlastet Firmen administrativ

Der Einfluss und die Höhe der Beteiligung ausländischer Investoren an börsenkotierten schweizerischen Unternehmen kann aufgrund der verfügbaren Daten nur ungenau geschätzt werden. Die hohen Schwellen bei der Meldepflicht führen dazu, dass sich ein Grossteil der Stimmrechte im Streubesitz von unbekannten Aktionären befindet.

Auch wenn zur Analyse mehr Transparenz wünschenswert wäre, hat der Streubesitz auch etwas Positives. Denn eine Rapportierung von Kleinstpositionen, typischerweise im Besitz von Privatpersonen, würde einen grossen administrativen Mehraufwand verursachen.

  1. Siehe Zimmermann und Seiler Zimmermann (2019). []
  2. Siehe Gattlen, Kronenberger und Mangold (2022). []
  3. Der Anteil von 7,9 Prozent ist nicht kategorisierbar. Es handelt sich dabei um mehrere Investierende aus dem In- und Ausland. []
  4. Siehe Gattlen, Kronenberger und Mangold (2022). []

Literaturverzeichnis

Bibliographie

Zitiervorschlag: Yvonne Seiler Zimmermann, Angelo Gattlen, Timon Kronenberger, Andrea Mangold (2022). Schweizer Investitionsanteil an grössten börsenkotierten Schweizer Firmen wächst. Die Volkswirtschaft, 11. Oktober.