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Berufe im Detailhandel: Fit für die Zukunft

Sven Sievi, Geschäftsführer, Bildung Detailhandel Schweiz (BDS), Bern

Standpunkt

Der Detailhandel ist ein beliebtes Berufsfeld. Im Jahr 2021 belegte die dreijährige berufliche Grundbildung Detailhandelsfachfrau/-fachmann EFZ auf der Liste der meistgewählten Lehrberufe Platz zwei, direkt hinter den Kaufleuten. Zudem ist Detailhandelsassistentin/-assistent EBA die meistgewählte zweijährige berufliche Grundbildung. Das zeigt: Der Detailhandel bietet jungen Menschen attraktive Perspektiven für ihre berufliche Entwicklung.

Allerdings hat sich das Berufsfeld in den letzten Jahren stark gewandelt. Die Digitalisierung durchdringt heute sämtliche Prozesse, bis hin zum Selfscanning an der Kasse. Auch das Verhalten der Kundinnen und Kunden hat sich verändert. Sie shoppen immer öfter im Internet. Gehen sie in ein Geschäft, erwarten sie ein besonderes Einkaufserlebnis. Dazu gehören neben anspruchsvollen Kunden- und Verkaufsgesprächen beispielsweise das Storytelling, bei dem Produkte in Geschichten verpackt werden, sowie Kundenanlässe und Verkaufspromotionen. Onlinehandel und stationärer Handel sind aber keine getrennten Welten. Viele Leute informieren sich im Internet, bevor sie im Geschäft einkaufen, oder umgekehrt. Diesem veränderten Verhalten muss die Ausbildung gerecht werden.

Bildung Detailhandel Schweiz hat deshalb als verantwortliche Organisation der Arbeitswelt ihre beruflichen Grundbildungen in einem fünfjährigen Prozess unter Einbezug aller Verbundpartner[1] umfassend modernisiert. Eine der Herausforderungen war, eine Grundbildung für alle betrieblichen Formate[2] des Detailhandels zu gestalten. Diesen Sommer haben die ersten Lernenden ihre berufliche Grundbildung Detailhandelsfachfrau/-fachmann EFZ nach der Revision gestartet. Nach wie vor stehen das Fachwissen über das Gestalten von Kundenbeziehungen, die Warenbewirtschaftung sowie Produkt- und Dienstleistungskenntnisse im Zentrum. Letztere werden branchenspezifisch in 22 verschiedenen Ausbildungs- und Prüfungsbranchen – von Automobil Sales bis Zoofachhandel – abgedeckt. Ebenfalls zentral sind Kenntnisse in zwei Sprachen. Gestärkt wurden die überfachlichen Kompetenzen, die sogenannten Soft Skills. Beispielsweise lernen angehende Detailhandelsfachleute, vernetzt zu denken, Trends und Entwicklungen zu erkennen und sich rasch auf neue Situationen einzustellen. So halten sie mit dem rasanten Wandel in der Branche Schritt. Zudem beherrschen sie die neuen Kommunikationstechnologien und verstehen die Grundlagen der Verkaufspsychologie. Auch wird die Zusammenarbeit in unterschiedlichen Teams gefördert.

An allen Lernorten, also auch an den Berufsfachschulen, wird neu handlungskompetenzorientiert unterrichtet. Das heisst, Wissen und Kompetenzen werden nicht mehr in Form von Fächern wie beispielsweise Wirtschaft unterrichtet, sondern anhand konkreter Situationen aus dem Berufsalltag vermittelt. Wie man korrekt deutsch schreibt und einen Text strukturiert, trainieren die Lernenden beispielsweise durch das Beantworten von Kundenreklamationen. Dabei lernen sie zugleich den Umgang mit unterschiedlichen Kommunikationsmitteln wie Brief, E-Mail und sozialen Medien. So können sie das Erlernte im Lehrbetrieb unmittelbar anwenden. Wir erwarten von diesem Systemwechsel einen positiven Effekt auf die Ausbildungsbereitschaft der Betriebe.

Wissen und Kompetenzen werden nicht mehr in Form von Fächern wie beispielsweise Wirtschaft unterrichtet, sondern anhand konkreter Situationen aus dem Berufsalltag vermittelt

Für den Unterricht in der Berufsfachschule entwickelte Bildung Detailhandel Schweiz nationale Lernmedien. Im Betrieb führen die Lernenden eine Online-Lerndokumentation, in der sie ihre Arbeiten und beruflichen Erfahrungen festhalten. Die Berufsbildenden ihrerseits verfügen über ein Cockpit, mit dem sie die Ausbildung ihrer Lernenden steuern und beurteilen. Mit diesen digitalen Instrumenten wird die Zusammenarbeit der beiden Lernorte Betrieb und Berufsfachschule gestärkt.

In der dreijährigen Grundbildung vertiefen sich die Lernenden im dritten Lehrjahr in einem der zwei neuen Schwerpunkte. Beim Schwerpunkt «Gestalten von Einkaufserlebnissen» geht es darum, Erlebniswelten zu gestalten und in anspruchsvollen Beratungs- und Verkaufsgesprächen positive Emotionen zu wecken. Der Schwerpunkt «Betreuen von Onlineshops» setzt den Fokus auf die Onlinepräsentation der Produkte und die Auswertung von Daten zu Onlinekäufen und zum Kundenverhalten.

Auf die Grundbildung aufbauend, haben leistungsstarke Detailhandelsfachleute EFZ nach wie vor die Möglichkeit, während oder nach der Lehre die Berufsmaturität zu absolvieren und danach an einer Fachhochschule zu studieren. Zudem stehen ihnen nach abgeschlossener Ausbildung im Bereich der Höheren Berufsbildung Weiterbildungsmöglichkeiten offen, die sie auf eine Führungs- oder Fachfunktion im Detailhandel vorbereiten.

Ab 2023 gibt es eine komplett neue Weiterbildung, die auf die Berufsprüfung E-Commerce-Spezialist/-in FA vorbereitet. Dieser erste eidgenössisch anerkannte Abschluss im E-Commerce vermittelt sämtliche Kompetenzen, die es für den Aufbau, den Betrieb und die Weiterentwicklung eines Onlineshops braucht. Dazu gehören beispielsweise die Begleitung von E-Commerce-Projekten, digitale Produktpräsentationen und Marketingaktivitäten. Der E-Commerce wird weiter wachsen und zusätzliche personelle Ressourcen benötigen. Mit diesem Angebot bilden wir die dazu benötigten Fachkräfte aus. Dadurch ist der Detailhandel bestens für die Zukunft gerüstet.

  1. Dazu gehören Bund, Kantone, Berufsfachschulen, Branchen und Betriebe. []
  2. Gross-, Mittel- und Kleinbetriebe, Fachgeschäfte, Grossverteiler etc. []

Zitiervorschlag: Sven Sievi (2022). Standpunkt: Berufe im Detailhandel: Fit für die Zukunft. Die Volkswirtschaft, 15. November.