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Das KV im Wandel

Roland Hohl, Geschäftsleiter der Schweizerischen Konferenz der kaufmännischen Ausbildungs- und Prüfungsbranchen (SKKAB) und der Interessengemeinschaft Kaufmännische Grundbildung (IGKG Schweiz), Bern

Standpunkt

Kauffrau respektive Kaufmann – umgangssprachlich als KV-Lehre oder bloss KV bezeichnet – ist der meistgewählte Lehrberuf der Schweiz. Jedes Jahr starten rund 13’000 Jugendliche mit der dreijährigen beruflichen Grundbildung Kauffrau/Kaufmann EFZ ins Berufsleben, weitere 500 mit der zweijährigen beruflichen Grundbildung Kauffrau/Kaufmann EBA. Und die Anziehungskraft des Berufsfelds ist ungebrochen, weil das KV attraktive Entwicklungsperspektiven bietet. Viele Kaufleute bilden sich weiter. Sie werden Verkaufsleiterin, Betriebswirt, Marketingmanagerin, HR-Fachmann, Buchhalterin oder Social-Media-Managerin, um nur einige Abschlüsse zu nennen.

Insgesamt zählt das KV ab Lehrbeginn 2023 19 Ausbildungsbranchen. Kaufleute braucht es in allen Wirtschaftszweigen. Das Spektrum reicht von A wie Automobilgewerbe über M wie Marketing und Kommunikation und P wie Privatversicherung bis T wie Transport. Die fünf grössten Branchen Bank, Dienstleistung und Administration, Öffentliche Verwaltung, Treuhand/Immobilien sowie Maschinen-, Elektro und Metallindustrie umfassen aktuell drei Viertel aller Lehrverhältnisse.

Doch das Berufsfeld verändert sich rasant, primär wegen der Digitalisierung. Immer wieder prägen neue Technologien den Büroalltag, Team- und Projektarbeit sind unabdingbar. Auf diese Realität müssen die Lernenden vorbereitet werden. Im Rahmen der jüngsten Totalrevision wurden die beiden kaufmännischen Grundbildungen daher umfassend modernisiert. Im Zentrum stehen die Handlungskompetenzorientierung und die engere Zusammenarbeit der drei Lernorte Lehrbetrieb, Berufsfachschule und überbetriebliche Kurse.

Die Handlungskompetenzorientierung ist heute Standard in der Berufsbildung. Mit den Berufen des Detailhandels und der kaufmännischen Grundbildung stellen die zwei letzten Berufsfelder auf dieses Konzept um. Die Idee: Die in der Arbeit erforderlichen Kompetenzen werden interdisziplinär und anhand konkreter beruflicher Situationen entwickelt. Was abstrakt klingt, wird mit einem Beispiel leicht verständlich: Wenn kaufmännische Lernende das Verkaufsgespräch mit einem englischsprachigen Kunden trainieren, entwickeln sie parallel ihre Fach-, Sprach-, Sozial- und Methodenkompetenz.

Dieser Ansatz wirkt sich auf die didaktischen Konzepte der drei Lernorte aus. So wird beispielsweise an den Berufsfachschulen künftig nicht mehr im Rahmen von Fächern unterrichtet. Bei der dreijährigen Grundbildung sieht der Bildungsplan die Handlungskompetenzbereiche Handeln in agilen Arbeits- und Organisationsformen, Interagieren in einem vernetzten Arbeitsumfeld, Koordinieren von unternehmerischen Arbeitsprozessen, Gestalten von Kunden- oder Lieferantenbeziehungen sowie Einsetzen von Technologien der digitalen Arbeitswelt vor.

Die Handlungskompetenzorientierung macht das Lernen nachhaltiger

In der zweijährigen Grundbildung werden – auf tieferem Anforderungsniveau – analoge Handlungskompetenzen vermittelt. So wird der spätere Übertritt in das zweite Lehrjahr der dreijährigen Grundbildung reibungsfrei möglich. Die bessere Abstimmung der beiden Grundbildungen war ein wichtiges Reformziel. Gleiches gilt für die Lernortkooperation: Alle Lernorte arbeiten neu enger zusammen, orientieren sich an denselben Handlungskompetenzen und vermitteln diese zeitlich aufeinander abgestimmt.

Die Handlungskompetenzorientierung macht das Lernen nachhaltiger: Die Lernenden können die Theorie mit ihren Erfahrungen aus dem Arbeitsalltag verknüpfen und das Erlernte direkt in der Praxis anwenden. Die Lehrbetriebe begrüssen daher die Reformen und hätten diese gerne wie geplant 2022 eingeführt. Weil die Berufsfachschulen mehr Zeit für die Umstellung vom Fächer- auf den Handlungskompetenzunterricht benötigen, wurde die Einführung um ein Jahr verschoben.

Von verschiedenen Berufsfachschulen kamen auch Bedenken gegenüber der Reform. Die Abschaffung von Fächern – so die Befürchtung – senke das Anspruchsniveau des KV. Die Diskussionen über die Neuausrichtung des grössten Lehrberufs wurden teils emotional und medial geführt. Jetzt, da die Umsetzungsphase läuft, der Informationsstand an den Berufsfachschulen steigt und die Lernmedien bekannt sind, schwinden die Bedenken. Alle Berufsfachschulen arbeiten intensiv auf den Start im Sommer 2023 hin.

Verantwortlich für die Reformen sind die Schweizerische Konferenz der kaufmännischen Ausbildungs- und Prüfungsbranchen (SKKAB) und die Interessengemeinschaft Kaufmännische Grundbildung Schweiz (IGKG Schweiz). Sie sorgen als Träger der Grundbildungen im Rahmen der Vorgaben des Bundes dafür, dass ihre Berufe aktuell, attraktiv und anschlussfähig bleiben. Die beiden Organisationen mussten angesichts des Umfangs der Reformen auf externe Expertise zurückgreifen. Die breit abgestützte Berufsfeldanalyse sowie die Entwicklung der Bildungsverordnungen und Bildungspläne wurden mit Unterstützung der Ectaveo AG erarbeitet. Das Unternehmen ist auf Bildungs- und Organisationsprozesse spezialisiert. Dank Ectaveo entstanden auch erstmals schweizweit einheitliche Lernmedien für den Unterricht an den Berufsfachschulen. Sie können über eine zentrale digitale Plattform genutzt werden.

Ein Novum in der Berufsbildung ist schliesslich, dass die Kantone für die Umsetzung der Reformen im KV und im Detailhandel ein nationales Koordinationsgremium initiiert haben. Es sorgt für eine in allen Kantonen einheitliche und ressourcenschonende Einführung der Reformen. Diese läuft nach Plan: 2023 startet das KV in die Zukunft.

Zitiervorschlag: Roland Hohl (2022). Standpunkt: Das KV im Wandel. Die Volkswirtschaft, 15. November.