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Der Schweizer Wohnraum ist in gutem Zustand

Bewohner von Eigenheimen sind insgesamt zufriedener mit ihrem Zuhause als Mieter. Und das, obwohl Mietobjekte öfter renoviert werden als Eigenheime. Das zeigt eine Studie.
Knapp ein Fünftel des Schweizer Wohnraums ist neu oder frisch renoviert. (Bild: Keystone)

Wie gut ist der bauliche Zustand des Wohnraums in der Schweiz, und wie zufrieden ist die Bewohnerschaft damit? Entspricht die Bewirtschaftung der Liegenschaften auch den Bedürfnissen? Diese Fragestellungen sind im Zusammenhang mit der Substanzerhaltung und der Erneuerung des Wohnungsbestandes von grosser wohnungspolitischer Bedeutung.

Im Auftrag des Bundesamtes für Wohnungswesen (BWO) haben die Hochschule Luzern (HSLU) und die Hochschule Westschweiz (HES-SO) deshalb eine Studie dazu erstellt. Diese analysiert die Wohnraumthematik auf der Basis des Schweizerischen Haushalt-Panels (SHP) des Schweizerischen Kompetenzzentrums für Sozialwissenschaften (Fors) und der Gebäude- und Wohnungsstatistik (GWS) des Bundesamts für Statistik.[1]

Wirtschaftliche Entwicklung prägt das Ortsbild

In der Schweiz sind rund 37 Prozent der Wohngebäude und knapp ein Drittel der aktuell bestehenden Wohnungen vor 1960 erstellt worden und damit mindestens 60 Jahre alt. Das Alter des Gebäudebestandes einer Gemeinde wird einerseits durch strukturelle und geografische Eigenschaften wie die Grösse der Gemeinde, die bestehende Gebäudestruktur (eher Mehr- oder Einfamilienhäuser), die Stadt/Land-Typologie sowie die Wirtschaft und die Geschichte der Grossregion bestimmt. Andererseits spielen auch die wirtschaftliche Entwicklung und die Angespanntheit auf dem Wohnungsmarkt eine Rolle. So geht im betrachteten Zeitraum von 2000 bis 2018 eine positive wirtschaftliche Entwicklung einher mit einem geringeren relativen Anteil neuerer Gebäude bzw. einem höheren Anteil älterer Gebäude.

Das ist auf den ersten Blick überraschend. Der Umstand könnte jedoch damit zusammenhängen, dass die Wirtschaft insbesondere auch dort stärker gewachsen ist, wo bereits eine hohe Gebäudedichte bestand, beispielsweise in Städten. Eine höhere Bautätigkeit in einer gegebenen Zeitperiode ist gemäss den Ergebnissen auch positiv mit der Leerwohnungsziffer in zukünftigen Perioden korreliert. Ab dem Jahr 2015 ist insbesondere in der Genferseeregion und der Region Zürich relativ mehr Wohnraum erstellt worden als in anderen Grossregionen.

Nur wenige Wohnräume in schlechtem Zustand

Der Zustand des Wohnraums wird im SHP-Datensatz in drei Kategorien unterteilt: «neu oder frisch renoviert», «in gutem Zustand, aber nicht kürzlich renoviert» und «in schlechtem Zustand». Die Kategorisierung basiert damit auf einer subjektiven Einschätzung der befragten Personen. Knapp 80 Prozent des Schweizer Wohnraums sind in einem guten Zustand, aber nicht kürzlich renoviert, und zwischen 15 und 20 Prozent des Wohnraums sind neu oder frisch renoviert. In dieser Kategorie ist Wohnraum im Eigentum anteilsmässig etwas zahlreicher. In einem schlechten Zustand befinden sich rund 3 Prozent des Wohnraums, wobei hier Mietobjekte übervertreten sind. Von Letzteren befinden sich nämlich rund 5 Prozent in einem schlechten Zustand (siehe Abbildung 1).

Doch welche Determinanten beeinflussen, ob jemand eher in Wohnobjekten in besserem Zustand wohnt? Die Studie zeigt: Sowohl Miet- wie auch Eigentumsobjekte von Haushalten mit höherem Einkommen sind tendenziell in einem besseren Zustand. Auch Objekte mit weniger Zimmern sind eher in einem besseren Zustand. Nicht bestätigt werden konnte jedoch, dass Eigenheime im Stockwerkeigentum einen schlechteren Zustand aufweisen als Einfamilienhäuser. Aufgrund vieler involvierter Mitspracheberechtigter beim Stockwerkeigentum wäre zu erwarten gewesen, dass Renovationen bei diesem Objekttyp schwieriger sind und der Zustand deshalb schlechter ist.

Abb. 1: Zustand des Wohnraums von Miet- und Eigentumsobjekten in der Schweiz (2018)

Quelle: Schweizer Haushalt-Panel SHP / Die Volkswirtschaft

 

Zufriedener im Eigenheim

Die Zufriedenheit mit dem Wohnraum wird im SHP-Datensatz mit einer Skala von 0 (überhaupt nicht zufrieden) bis 10 (vollumfänglich zufrieden) gemessen. Über alle analysierten Jahre betrachtet, liegt die Zufriedenheit mit dem Wohnobjekt der Bewohnerschaft im Durchschnitt bei 8,3. Dabei fällt auf, dass Eigentümer mit ihrem Wohnraum zufriedener sind als Mietpersonen (siehe Abbildung 2).

Auch hier haben wir mittels Ordered-Logit-Modell die Zufriedenheit mit dem Wohnobjekt aus Sicht der Bewohnerschaft untersucht. Nicht überraschend gilt: Es besteht ein deutlich positiver Zusammenhang zwischen der Zufriedenheit mit dem Wohnraum und dessen Zustand – ob Miete oder Eigentum macht hier keinen Unterschied. Anders bei der Wohnkostenbelastung. Für Mietende gilt dort: Ein höherer Anteil der Wohnkosten gemessen am Einkommen korreliert negativ mit der Zufriedenheit. Für Eigentümer ist kein solcher Zusammenhang erkennbar. Auch die geografische Lage hat bei Mietenden mehr Einfluss auf die Zufriedenheit als bei Eigentümern.

Abb. 2: Zufriedenheit von Schweizer Mietern und Eigentümern mit ihrem Wohnraum (2000–2018)

Anmerkung: Skala von 0 (überhaupt nicht zufrieden) bis 10 (vollumfänglich zufrieden). Keine Daten für die Jahre 2004–2012.
Quelle: Schweizer Haushalt-Panel SHP / Die Volkswirtschaft

 

Mietobjekte werden schneller renoviert

Bei den Renovationstätigkeiten zeigt sich, dass Mietobjekte schneller renoviert werden als Eigenheime. Zudem spielt die Lage bei der Renovationsgeschwindigkeit eine wichtigere Rolle als bei Eigenheimen. Bei urban gelegenen Objekten wird länger zugewartet als bei ländlich gelegenen Objekten. Dies erstaunt wenig, da Mietobjekte generell stärker dem Markt ausgesetzt sind als Eigenheime. Unabhängig davon, ob Mietobjekte oder Eigentum, gilt jedoch: Kleinere Wohnungen mit weniger Zimmern werden schneller saniert als grössere Wohnungen. Zudem ist wenig erstaunlich, dass bei Unterkünften, in denen mehr Personen pro Zimmer leben, schneller renoviert wird als bei kleineren Haushalten.

Nach der Renovation sind im Durchschnitt dann sowohl die Eigentümer wie auch die Mieterschaft zufriedener mit dem Wohnobjekt als vor der Renovation. Wobei: Bei Mietenden steigt die Zufriedenheit stärker als bei Eigentümern. Die Veränderung der Wohnkostenbelastung, welche durch die Renovation allfällig hervorgerufen wird, hat jedoch keinen Einfluss auf die Zufriedenheitsveränderung. Daraus kann die Schlussfolgerung gezogen werden, dass Renovationen generell bedürfnisorientiert sind, sofern das von uns benutzte Modell alle relevanten Faktoren beinhaltet.

Zukunftsthema Gebäudesanierungen

Mit den ökologischen Herausforderungen dürften in Zukunft die Investitionen in den Erhalt und die Erneuerung von Wohnimmobilien an Bedeutung gewinnen. Denn gemäss der Schweizerischen Energiestiftung (SES) beansprucht der Schweizer Gebäudepark gut 45 Prozent des Primärenergieverbrauchs und ist für 24 Prozent der Treibhausgasemissionen verantwortlich. Mit entsprechenden Massnahmen soll es gemäss SES bis 2050 möglich sein, den Energieverbrauch bei Gebäuden zu halbieren.

Damit dies gelingen kann, ist ein gutes Verständnis der Kosten- und Nutzeneffekte der Massnahmen notwendig. Dazu ist es wichtig, dass im Vergleich zu heute die Datenqualität deutlich verbessert wird. Erst so lassen sich die zugrunde liegenden Zusammenhänge etwa zwischen Investitionen in Gebäude und den daraus resultierenden energetischen Auswirkungen überhaupt analysieren und damit besser verstehen. Dies ist wichtig im Hinblick auf die gesetzlichen Vorgaben und die Anreizmechanismen an die Adresse der Immobilieneigentümer und -investoren.

  1. Seiler Zimmermann, Yvonne und Wanzenried, Gabrielle (2022). Zustand des Wohnraums in der Schweiz aus der Sicht der Bewohnerschaft. Bundesamt für Wohnungswesen, Bern. []

Zitiervorschlag: Yvonne Seiler Zimmermann, Gabrielle Wanzenried (2022). Der Schweizer Wohnraum ist in gutem Zustand. Die Volkswirtschaft, 29. November.