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Eine neue Lehre verbindet Technik und Wirtschaft

Matthias Bauhofer, Leiter Berufliche Grundbildung, ICT-Berufsbildung Schweiz, Bern

Standpunkt

Berufe aus den Informations- und Kommunikationstechnologien (ICT) sind in Zeiten der Digitalisierung so wichtig wie nie zuvor. Neben den technisch ausgerichteten Berufsbildern wie der Informatik werden auch Berufe an Schnittstellen zu anderen Fachbereichen immer bedeutender. Dazu gehören Mediamatiker/innen EFZ, die sowohl über Informatik- als auch über Design- und Marketingkompetenzen verfügen. Aber auch die neue Berufslehre Entwickler/in digitales Business EFZ, die ab 2023 angeboten wird, bildet ein Bindeglied zwischen Technik und Wirtschaft. Sie schliesst eine Lücke im Ausbildungsangebot der Grundbildungen. Absolvierende agieren mit ihren fachübergreifenden Kompetenzen brückenbauend zwischen Abteilungen eines Unternehmens oder sind Drehscheibe zwischen Leistungserbringenden und Kundschaft. Nebst relevantem technischem Fachwissen sowie Know-how in Datenanalyse lernen sie deshalb auch eine Reihe von Soft Skills.

Seit dem Jahr 2020 arbeitet der Verband ICT-Berufsbildung Schweiz mit Expertinnen und Experten aus verschiedenen Wirtschaftszweigen, der Verwaltung und dem Bildungsbereich am Berufsprofil Entwickler/in digitales Business EFZ. In einer internen Anhörung im Februar 2022 mit 170 Unternehmen zeigte die Schweizer Wirtschaft grosses Interesse daran. Der Befragung zufolge sind die Betriebe bereit, mindestens 150 Lehrstellen in der gesamten Schweiz zu schaffen.

In Zukunft sollen Entwickler/innen digitales Business EFZ in Digitalisierungsprojekten mitarbeiten, Fachpersonen unterstützen sowie Trends und Innovationen bewerten. Auch das Auswerten und das Präsentieren von Daten gehören zu ihrer wichtigen Schnittstellenfunktion. Auf deren Basis optimieren Unternehmen dann ihre Digitalisierungsprozesse. Kurz: Absolvierende unterstützen Unternehmen bei ihren Transformationen und Innovationen.

Die neue Lehre schliesst eine Lücke im Ausbildungsangebot der Grundbildungen

Diese Fachleute kommen dabei in den unterschiedlichsten Branchen zum Einsatz: Im Bankenwesen etwa erarbeiten sie gemeinsam mit Applikationsentwickelnden mobile Lösungen für Bezahlapps, und in industriellen Betrieben kümmern sie sich ums Optimieren von Prozessen. In der öffentlichen Verwaltung vereinheitlichen Entwickler/innen digitales Business EFZ mit ihrem Know-how diverse Anwendungen, sodass sich Arbeiten schneller und einfacher gestalten lassen. Und im Gesundheitsbereich nutzen sie ihre Kompetenzen, um Gesundheitsdaten auszuwerten und weiterführende Schritte zu empfehlen. Auch in der Logistik, im Bauwesen oder in der Automobilbranche sind sie ein wichtiger Mehrwert. Wer sich für diese Ausbildung entscheidet, erhält dabei nicht nur relevantes Fachwissen, sondern eignet sich ebenso selbstständiges Arbeiten sowie vernetztes Denken an. Diese Fertigkeiten sind heute bereits wichtig, werden künftig jedoch geradezu essenziell sein.

Wie dringend ICT-Fachkräfte gesucht sind, zeigt auch eine Studie von ICT-Berufsbildung Schweiz: Demnach werden bis ins Jahr 2030 insgesamt 119’600 zusätzliche ICT-Fachkräfte benötigt. Um diesen Bedarf zu decken, braucht es im Vergleich zu heute 37’800 weitere ausgebildete Personen. Die berufliche Grundbildung ist dabei ein zentraler Hebel. Doch auch die höhere Berufsbildung spielt eine grosse Rolle. Deshalb hat ICT-Berufsbildung Schweiz zusammen mit dem Kaufmännischen Verband Schweiz auch einen neuen eidgenössischen Fachausweis entwickelt: den Digital Collaboration Specialist EFA. Dieser Fachausweis richtet sich vor allem an Personen mit kaufmännischem oder betriebswirtschaftlichem Hintergrund. Digital Collaboration Specialists unterstützen künftig die digitale Transformation in Unternehmen und Verwaltungen. An der Schnittstelle von Technik, Kommunikation und Personalentwicklung sorgen sie dafür, dass Kundinnen und Kunden sowie Mitarbeitende fit für das digitale Zeitalter sind. Die ersten Vorbereitungskurse wurden 2021 angeboten. Studierende werden im Mai 2023 an der ersten Berufsprüfung teilnehmen. Die Vorbereitungskurse dauern in der Regel zwei bis drei Semester und können berufsbegleitend absolviert werden.

Zitiervorschlag: Matthias Bauhofer (2022). Standpunkt: Eine neue Lehre verbindet Technik und Wirtschaft. Die Volkswirtschaft, 15. November.