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Rund 240 Berufe ermöglichen Einstieg in die Arbeitswelt

Die Berufsbildung sorgt für Nachschub an qualifizierten Fach- und Führungskräften. Ihre Erfolgsrezepte heissen: Durchlässigkeit, Arbeitsmarktorientierung, Flexibilität, lebenslanges Lernen und Verbundpartnerschaft.

Rund 240 Berufe ermöglichen Einstieg in die Arbeitswelt

Landwirt gehört immer noch zu den zehn beliebtesten Berufslehren. Stall einer Alpsennerei in Emmetten NW. (Bild: Keystone)

Patroneur, Paramentikerin oder Posamenterin – nie gehört? Dabei handelt es sich um drei von rund dreissig Berufslehren im Textilbereich in den 1930er-Jahren. Die fortlaufende Modernisierung in der Branche zeigt sich darin, dass heute mit dem Textiltechnologen bzw. der Textiltechnologin nur noch eine berufliche Grundbildung angeboten wird. Das Schritthalten mit den Bedürfnissen des Arbeitsmarktes lässt sich auch anhand neu genehmigter Berufe ablesen wie Digital Collaboration Specialist oder Meister/in Wärmetechnikplanung. Neue Berufe im Solarbereich sind in Entwicklung.

Damals wie heute: All diese Berufe gründen auf dem Bedürfnis der Wirtschaft nach gut ausgebildeten Fach- und Führungskräften – eine wesentliche Stärke der Schweiz im internationalen Standortwettbewerb. Das Schweizer Berufsbildungssystem stösst international auf Interesse. Die Schweiz engagiert sich im Wissensaustausch auf diplomatischer oder technischer Stufe. Verschiedene ausländische Delegationen besuchen die Schweiz und lassen sich die Schweizer Berufsbildung erklären. Ebenso führt die Schweiz einen kontinuierlichen Dialog mit Ländern, die eine duale Berufsbildung kennen oder eine solche entwickeln.

Attraktivität der Berufsbildung

Die Schweizer Berufsbildung ist vollumfänglich in das Bildungssystem integriert. Die rund 240 beruflichen Grundbildungen auf Sekundarstufe II ebnen den Weg in den Arbeitsmarkt und sind Ausgangspunkt für das lebenslange Lernen (siehe Abbildung 1). Bei allen beruflichen Grundbildungen wird auch Allgemeinbildung vermittelt. Nach wie vor entscheiden sich zwei Drittel der Jugendlichen, auf diesem Weg in die Berufswelt einzusteigen.

Die Attraktivität der Berufsbildung zeigt sich aber auch darin, dass sie möglichst vielen Personen den Zugang zu eidgenössischen Berufsabschlüssen und damit formalen Bildungen ermöglicht. Exemplarisch dafür stehen die über 60 zweijährigen beruflichen Grundbildungen mit eidgenössischem Berufsattest. Überdies bieten individuelle Kompetenznachweise Anschluss an die formalen Bildungsabschlüsse.

Bund und Kantone haben das gemeinsame bildungspolitische Ziel, dass 95 Prozent der 25-Jährigen über einen Abschluss auf Sekundarstufe II verfügen. Während Jugendliche mit Schweizer Nationalität, die in der Schweiz geboren wurden, mit einer Abschlussquote von 94 Prozent das Ziel praktisch erreichen, liegt die Quote bei Jugendlichen mit Migrationshintergrund noch darunter (87,5% bei in der Schweiz geborenen Ausländerinnen und Ausländern; 75,7% bei im Ausland geborenen Ausländerinnen und Ausländern). Um möglichst allen interessierten Jugendlichen einen Abschluss auf Sekundarstufe II zu ermöglichen, steht ein umfangreiches Instrumentarium zur Verfügung, wie beispielsweise Berufsinformation und -beratung, Coaching und Lehrstellenförderung.

Für die Höherqualifizierung auf der Tertiärstufe stehen nahtlos viele Anschlussmöglichkeiten offen: Zum einen wartet die höhere Berufsbildung mit den eidgenössischen Berufs- und höheren Fachprüfungen auf und die höheren Fachschulen mit einem breiten, auf die Bedürfnisse der Wirtschaft abgestimmten Angebot. Berufsleute holen sich so das Rüstzeug für Spezialisierungen oder die Übernahme von Führungsfunktionen. Dank der höheren Berufsbildung kann ohne Maturität ein Abschluss auf Tertiärstufe erworben werden.

Zum andern öffnet die Berufsmaturität den Zugang an die Fachhochschulen. In den 1990er-Jahren eingeführt, stösst sie heute auf grosses Interesse. 2021 erwarben 14’500 Personen die Berufsmaturität. Im Vergleich dazu waren es 18’510 gymnasiale Maturitäten. Mit einer Zusatzprüfung steht auch der Weg an die universitären Hochschulen offen. Heute verfügen von den 25- bis 34-Jährigen insgesamt 52 Prozent über einen Abschluss auf Tertiärstufe.

Abb. 1: Die zehn meistgewählten beruflichen Grundbildungen

Quelle: Bundesamt für Statistik (2021c) / Die Volkswirtschaft
Anmerkung: Inklusive vollschulischer Angebote.

Fachkräftebedarf decken

Im Zentrum der Berufsbildung steht das Bedürfnis nach gut ausgebildeten Fach- und Führungskräften. Diese Aufgabe erfüllen drei Partner gemeinsam: Der Bund sorgt für die Einhaltung und die Weiterentwicklung der Rahmenbedingungen wie beispielsweise den Erlass von Bildungsverordnungen, und die Kantone stellen den Vollzug sicher. So führen beispielsweise die Kantone Berufsfachschulen und beraten Lehrbetriebe. Aufgabe der Berufsverbände, Branchenorganisationen und Trägerschaften ist es, die Bildungsinhalte und nationalen Qualifikationsverfahren zu definieren und regelmässig den aktuellen Gegebenheiten auf dem Arbeitsmarkt anzupassen.

Dies ist ein wesentlicher Erfolgsfaktor der Schweizer Berufsbildung: Die Branchen definieren, was künftige Berufsleute können müssen. Die Organisationen der Arbeitswelt, als Träger der beruflichen Grundbildungen und der Angebote der höheren Berufsbildung, überprüfen ihre Bildungsangebote in einem periodischen Prozess, passen diese bei Bedarf an oder lancieren neue Angebote. Bund und Kantone wirken im Berufsbildungsprozess mit.

Neue Governance in der Berufsbildung

Rückgrat der Berufsbildung ist die Verbundpartnerschaft von Bund, Kantonen und Organisationen der Arbeitswelt. Um die Verbundpartnerschaft zu stärken, ist 2021 eine neue Gremienstruktur eingeführt worden. Dabei ist die Tripartite Berufsbildungskonferenz das Bindeglied zwischen den verschiedenen Gremien auf operativer Ebene und dem nationalen Spitzentreffen auf politischer Ebene. Die neue Gremienstruktur ermöglicht es, die Sichtweisen der Verbundpartner einzuholen, und verbessert die Transparenz und die Verbindlichkeit in der Zusammenarbeit. Die Kompetenz, die Verantwortung und die Umsetzung der Aufgaben der einzelnen Verbundpartner richten sich weiterhin nach der Berufsbildungsgesetzgebung.

Zukunftsfähigkeit erhalten

Das Bildungsangebot in der Schweiz ist umfassend und aktuell. Es existieren verschiedenste Möglichkeiten: von informellem Lernen am Arbeitsplatz über nicht formale Kurse und Seminare der berufsorientierten Weiterbildung bis hin zu den formalen Bildungsangeboten (z. B. Angebote der höheren Berufsbildung). Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer können sich so an neue Anforderungen in der Arbeitswelt anpassen und ihre Kompetenzen erweitern oder Fähigkeiten dazulernen.

Wenn es darum geht, rasch auf Veränderungen oder Megatrends wie nachhaltige Entwicklung oder Digitalisierung zu reagieren, dann kommt der berufsorientierten Weiterbildung eine hohe Bedeutung zu. Berufsverbände und Bildungsinstitutionen konzipieren die Bildungsangebote. Zum Erhalt der Zukunftsfähigkeit zählt auch, bestehende Bildungsbereiche zu überprüfen und gezielt zu optimieren. Dazu gehören beispielsweise das laufende Projekt «Positionierung Höhere Fachschulen» oder die Initiative «Berufsbildung 2030» mit zurzeit über 20 Projekten. Ein wichtiger Themenbereich ist zudem der «Berufsabschluss für Erwachsene».

Lebenslanges Lernen fördern

Das Schweizer Bildungssystem ist so aufgebaut, dass Berufswechsel und lebenslanges Lernen jederzeit möglich sind (siehe Abbildung 2). Entsprechend hoch ist die berufliche Mobilität in der Schweiz. Die Rahmenbedingungen werden fortlaufend optimiert. So wurde zum Beispiel die Förderung von Ein-, Um- und Wiedereinstiegen im gesamten Bildungssystem 2015 in die bildungspolitischen Ziele zwischen Bund und Kantonen aufgenommen und in der gemeinsamen Erklärung 2019 bestätigt. In den vergangenen Jahren wurden verschiedene Fortschritte erzielt wie zum Beispiel der Anstieg der Abschlusszahlen bei Berufsabschlüssen von Erwachsenen um über ein Drittel seit 2014.

Zur Förderung des lebenslangen Lernens zählen auch Beiträge an die Höherqualifizierung im Rahmen der subjektorientierten Finanzierung von Kursen für die Vorbereitung auf eidgenössische Prüfungen sowie von Pauschalbeiträgen an die Kantone zur Finanzierung der höheren Fachschulen. Schliesslich wurde mit Viamia ein kostenloses Abklärungs- und Beratungsangebot für Personen über 40 Jahre geschaffen. Damit lässt sich die eigene Laufbahn gestalten. Bund und Kantone legen ein besonderes Augenmerk auf die Förderung von Grundkompetenzen wie beispielsweise die Anwendung von Informations- und Kommunikationstechnologien. Diese ermöglichen den Zugang zur Weiterbildung.

Insgesamt lässt sich sagen, dass die Schweizer Berufsbildung gut unterwegs ist. Neben dem Engagement aller beteiligten Akteure und dem Willen zur fortlaufenden Modernisierung ist auch eine solide und verlässliche Finanzierung durch die öffentliche Hand und die Wirtschaft unabdingbar. Die Bewältigung der Covid-Krise hat schliesslich gezeigt, dass die Strukturen der Berufsbildung gut funktionieren.

Abb. 2: Das Bildungssystem der Schweiz

Quelle: Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation (SBFI) / Die Volkswirtschaft

Zitiervorschlag: Dani Duttweiler (2022). Rund 240 Berufe ermöglichen Einstieg in die Arbeitswelt. Die Volkswirtschaft, 15. November.

Werbung für die Berufslehre

Das Vorhandensein der vielfältigen Karrieremöglichkeiten der Berufsbildung ist das eine, deren Bekanntheit das andere. Neben den Jugendlichen gilt es auch deren Eltern und Bezugspersonen zu erreichen. Hier kommt der Berufsinformation und -beratung in den Kantonen eine wichtige Aufgabe zu. Der Bund fördert die Bekanntmachung der Berufsbildung über die Unterstützung der Berufsmeisterschaften und regionalen Berufsmessen sowie über die Kampagne Berufsbildungplus.ch.