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Reicht der Strom für die Transformation?

Der Transportsektor generiert einen grossen Teil der CO2-Emissionen in der Schweiz. Wie könnte der Sektor dekarbonisiert werden? Elektromobilität ermöglicht eine schnelle und effiziente Transformation, aber nicht überall.
Der Transportsektor ist für zwei Fünftel der inländischen CO2-Emissionen verantwortlich. Postbote liefert Pakete aus. (Bild: Keystone)

Die Schweiz bekennt sich zum Pariser Klimaabkommen und will bis 2050 klimaneutral werden. Doch bis dahin ist es noch ein langer Weg. Berücksichtigt man sämtliche Energieträger im Transportsektor, so ist dieser mit 38 Prozent der mit Abstand grösste Endenergieverbraucher in der Schweiz.[1] Gleichzeitig gehen die Verkehrsperspektiven davon aus, dass der inländische Personenverkehr bis 2050 um insgesamt 11 Prozent zunimmt, was noch mehr Emissionen bedeuten würde.[2] Stand heute sind rund 94 Prozent der Energieträger im Transportsektor fossil (siehe Abbildung 1). Wie also kann dieser Sektor dekarbonisiert werden, um die Klimaziele zu erreichen?

Abb. 1: Energieträger im Transportsektor in Terawattstunden (Twh) (2019)

Quelle: BFE Gesamtenergiestatistik 2019 / Die Volkswirtschaft

Personenwagen als Hauptverursacher

Personenwagen stossen im Transportsektor mit über 70 Prozent am meisten CO2 aus (siehe Abbildung 2). Kein Wunder, denn fast alle Personenwagen auf Schweizer Strassen fahren mit Verbrennungsmotor. Jeder heute verkaufte Brenner bleibt weitere 15 bis 20 Jahre im Verkehr und erzeugt entsprechende CO2-Emissionen.

Emissionen können am effizientesten und günstigsten reduziert werden, wenn Verbrennungs- durch Elektromotoren ersetzt werden. Die Fortschritte in der Elektromobilität der letzten Jahre machen es möglich. Dies ist sinnvoll, denn der Klimawandel erfordert rasche Massnahmen.[3] Elektrofahrzeuge sind heute verfügbar, technologisch weit fortgeschritten und bezüglich Gesamtkosten gleichwertig mit konventionellen Antrieben.

Abb. 2: Anteil der Verkehrsträger an den inländischen CO2-Emissionen (2019)

Quelle: Bafu Treibhausgasinventar (2019) / Die Volkswirtschaft

Elektromobilität und Fotovoltaik

Doch auch Elektroautos benötigen Energie. Für das Laden dieser Fahrzeuge wurden 2021 rund 220 Gigawattstunden Strom benötigt, weniger als 0,4 Prozent des gesamten Stromverbrauchs. Allerdings machte der Anteil der Elektroautos auch erst 2,5 Prozent der Fahrzeuge auf den Strassen aus.[4] Mittlerweile wird aber jeder vierte Neuwagen elektrisch geladen, Tendenz steigend.

In der aktuell angespannten Versorgungslage auf den Energiemärkten stellt sich die Frage, ob der Mehrbedarf an Elektrizität überhaupt gedeckt werden kann. Der momentane Energieverbrauch im Strassenverkehr, 59 Terawattstunden, entspricht relativ genau dem aktuellen Stromverbrauch der Schweiz. Dank enormen Effizienzgewinnen der Elektromobilität wird der Mehrbedarf an Elektrizität bei kompletter Elektrifizierung des Strassenverkehrs allerdings deutlich geringer ausfallen: rund 8 bis 16 Terawattstunden.[5] Der jetzt beschlossene zügige Ausbau erneuerbarer Energien kann mit dem steigenden Anteil an elektrischen Antrieben also gut Schritt halten.

Für die Fotovoltaik rechnet man im Endausbau mit bis zu 30 Gigawatt Spitzenleistung. Um diese hohe Leistung, die überwiegend in den Mittagsstunden generiert wird, auch nutzen zu können, braucht es flexible Verbraucher. Ein Elektroauto kann beispielsweise genau dann geladen werden, wenn die Produktion maximal ist. Für die typische tägliche Fahrdistanz wird nur ein Bruchteil der Batteriekapazität benötigt. Ein Teil der gespeicherten Energie kann während der abendlichen Lastspitze und in der Nacht wieder ins Netz eingespeist werden. Dadurch wird die Fotovoltaikproduktion über 24 Stunden verteilt, was das Energiesystem insgesamt effizienter und stabiler macht. Die zwei Schlüsseltechnologien für eine schnelle Transformation unseres Energiesystems ergänzen sich also optimal.

Bei Güterverkehr und Luftfahrt wird es komplizierter

Im Güterverkehr zeichnet sich bei der Feinverteilung, also der Belieferung der Endkunden, eine Elektrifizierung analog zu den Personenwagen bereits ab. Im Schwerverkehr hingegen stossen elektrische Antriebe an ihre Grenzen. Den Verkehr auf die Schiene zu verlagern, ist zwar eine fast emissionsfreie Alternative, allerdings aus operativen Gründen nicht immer praktikabel. Bei Lastwagen im Fernverkehr hat sich der Dieselmotor über Jahrzehnte als zuverlässiger Antrieb etabliert. Batterien hingegen, die Tagesfahrleistungen von 500 Kilometern und mehr abdecken könnten, sind teuer und schwer.

Betrachtet man den Transportsektor global, kommen zwei gewichtige Verkehrsträger dazu: die Luftfahrt und der Frachtschiffverkehr. Beide transportieren grosse Massen über riesige Distanzen. Das macht eine direkte Elektrifizierung schwierig und im Falle der kommerziellen Luftfahrt wohl für absehbare Zeit unmöglich. Vergleicht man die rund 5 Millionen Tonnen verbrauchte Treibstoffe wie Benzin und Diesel für den Strassenverkehr mit den 2 Millionen Tonnen Kerosin für die Luftfahrt, wird klar, dass diese effektiv doch ins Gewicht fällt (siehe Abbildung 1).

Wasserstoff und synthetische Treibstoffe als Alternative

Eine in der Schweiz bereits einigermassen verbreitete Alternative bei LKWs ist Wasserstoff, welcher via Brennstoffzelle den Strom für den Antrieb produziert. Dank seiner hohen Energiedichte kann eine mit Diesel vergleichbare Reichweite erreicht werden. Weil Wasserstoffantriebe von der Leistungsabhängigen Schwerverkehrsabgabe (LSVA) befreit sind, können sie trotz hoher Anschaffungskosten bezüglich Gesamtkosten bereits heute mit Diesel mithalten. Eine weitere denkbare Alternative sind synthetische Treibstoffe. Diese können als Eins-zu-eins-Ersatz von Diesel mit der bestehenden Flotte und Infrastruktur genutzt werden.

Synthetische Treibstoffe zu produzieren, ist allerdings mit hohen Umwandlungsverlusten verbunden, und die nachgeschalteten Antriebsformen sind deutlich weniger effizient als ein Elektromotor. Sie machen nur da Sinn, wo eine direkte Elektrifizierung nicht möglich ist. Insbesondere in der Luftfahrt bieten sogenannte nachhaltige Flugtreibstoffe auf absehbare Zeit die einzige Alternative zu Kerosin. Auch Wasserstoff wird für lange Zeit ein rares Gut bleiben, das da eingesetzt werden muss, wo es keine anderen Alternativen gibt. Zum Beispiel in industriellen Hochtemperaturprozessen wie der Stahl- oder der Zementherstellung.

Ausbau der Infrastruktur notwendig

Um die Transformation voranzutreiben, ist ein schneller Ausbau der benötigten Infrastruktur, primär der Ladeinfrastruktur, aber auch der erneuerbaren Energie, unabdingbar. Das ist nur mit den richtigen Anreizen und Rahmenbedingungen möglich. Aufseiten der Elektromobilität ist ein massiver Ausbau der Ladeinfrastruktur bei öffentlichen Langzeitparkplätzen, am Arbeitsplatz sowie in Tiefgaragen von Mehrfamilienhäusern nötig. Investitionsanreize dazu werden vom Bundesrat in der Botschaft zum CO2-Gesetz vorgeschlagen.

Abschliessend lässt sich sagen, dass sich der Mehrbedarf an Elektrizität, um den Transportsektor zu dekarbonisieren, in Grenzen hält. Dies, weil der Elektromotor effizienter ist und optimal mit Fotovoltaik ergänzt werden kann. Auch ist die Schweiz weniger abhängig vom Import fossiler Energieträger. Zusammen mit Wasserstoff und synthetischen Treibstoffen sind die Energieträger diversifizierter und führen zu mehr Resilienz. Die volkswirtschaftlichen Kosten der Transformation halten sich also in Grenzen, und es entsteht ein grosser Mehrwert, indem CO2-Emissionen verringert und weitere Externalitäten wie Lärm und Abgase ohne Mehrkosten reduziert werden.

  1. Der Transportsektor umfasst den Personen- und den Warenverkehr. []
  2. Siehe Bundesamt für Raumentwicklung(2021). []
  3. Siehe International Energy Agency (2021). []
  4. Siehe Schreyer und Morlier (2022). []
  5. Siehe Swiss Competence Center for Energy Research (2021). []

Literaturverzeichnis

Bibliographie

Zitiervorschlag: Luca Castiglioni, Matthias Gysler, Konstantinos Boulouchos (2022). Reicht der Strom für die Transformation. Die Volkswirtschaft, 23. Dezember.