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Werden Unternehmen durch staatliche Anreize robuster?

Wie gut Unternehmen durch eine Krise kommen, hängt auch von ihrem finanziellen Risikopolster ab. Doch steuerliche Anreize, um dieses Polster zu erhöhen, sind wenig wirksam, wie eine Studie zeigt.
«Wer wird die Rechnung bezahlen?», steht am Fenster eines geschlossenen Lausanner Restaurants während des Corona-Lockdowns im Februar 2021. (Bild: Keystone)

Wie hätte man sich besser vorbereiten können? Welche Massnahmen hätte man vorsorglich treffen können? Und welche Lehren ziehen wir für künftige Krisen? Solche Fragen müssen sich nicht nur Unternehmen immer wieder stellen. Auch in der Politik und im öffentlichen Diskurs tauchen sie nach der ersten Krisenabwehr auf.

So auch im Herbst 2020, nach dem ersten Corona-Schock: Der Ständerat beauftragte damals mit einem Postulat[1] den Bundesrat, zu prüfen, wie die Risikovorsorge der Schweizer Unternehmen in ausserordentlichen Situationen gestärkt werden kann. Als Beispiele für solche ausserordentlichen Situationen wurden Pandemien, Kriege oder schwere Störungen des Finanzsystems genannt. Zu prüfen waren laut Postulat insbesondere steuerliche Anreize, welche die Unternehmen veranlassen, in guten Zeiten finanzielle Reserven anzulegen, die sie dann im Krisenfall nutzen können.

Das Berner Forschungs- und Beratungsunternehmen Ecoplan hat im Auftrag des Staatssekretariats für Wirtschaft (Seco) eine Auslegeordnung möglicher Massnahmen erarbeitet und geprüft.[2] Um die Wirkung der vorgeschlagenen Instrumente einzuordnen, hat Ecoplan eine sogenannte Regulierungsfolgenabschätzung (RFA) vorgenommen. Im Folgenden werden die zentralen Erkenntnisse aus der Studie präsentiert.

Wie gross ist der Handlungsbedarf?

Grundsätzlich gibt es zahlreiche Hebel, an denen angesetzt werden kann, um die Resilienz von Unternehmen zu stärken. Bevor jedoch mögliche Massnahmen unter die Lupe genommen werden, lohnt es sich, die Frage zu stellen, ob ein staatlicher Eingriff überhaupt gerechtfertigt ist. Die kurze Antwort lautet: Nein. Denn ordnungspolitische Eingriffe sind aus volkswirtschaftlicher Sicht vor allem dann angezeigt, wenn ein Marktversagen vorliegt. Im vorliegenden Fall hiesse das, dass sich zu geringe finanzielle Reserven eines Unternehmens negativ auf andere Unternehmen, die Gesellschaft oder die Umwelt auswirken würden (sogenannte negative Externalitäten).

Für die allermeisten Unternehmen trifft das nicht zu. Vielmehr liegt es in ihrem eigenen Interesse, soweit möglich und sinnvoll, selbst Reserven für weniger gute Zeiten anzulegen. Die wenigen Ausnahmen – man denke zum Beispiel an systemrelevante Banken – unterliegen bereits strengeren Regulierungen. Von einem allgemeinen Marktversagen kann also nicht die Rede sein. Damit fehlt auch ein triftiger Grund, um mit staatlichen Massnahmen auf die Reservebildung von Unternehmen einzuwirken. Doch wie steht es eigentlich um die Widerstandsfähigkeit der Schweizer Unternehmen?

Eine repräsentative Umfrage von Ecoplan bei Schweizer Unternehmen hat ergeben, dass diese bezüglich ihrer Reservehaltung gut aufgestellt sind. Würde der Staat die Bildung von Reserven zusätzlich steuerlich fördern, würden das zwar die meisten der befragten Unternehmen begrüssen. Gleichzeitig sehen sie aber die heutigen Rahmenbedingungen als zweckmässig an und beurteilen auch ihre eigene Reservehaltung in der Regel als ausreichend. Dies deckt sich mit den Einschätzungen von Experten aus Wirtschaft und Wissenschaft, die im Rahmen der Studie befragt wurden.

Für die Widerstandsfähigkeit sind neben finanziellen Reserven weitere Faktoren mindestens ebenso wichtig. So etwa die Flexibilität der Firmen: Dass die Schweizer Wirtschaft in vergangenen Krisen insgesamt so widerstandsfähig war, lag zum einen auch daran, dass Unternehmen rasch und flexibel auf geänderte Rahmenbedingungen reagierten. Zum anderen haben sich die bestehenden staatlichen Krisenbewältigungsmechanismen bewährt. Zu nennen sind allen voran die automatischen Stabilisatoren. Wie es der Name schon sagt, sind diese so konzipiert, dass sie bei konjunkturellen Einbrüchen automatisch zum Tragen kommen und eine stabilisierende Wirkung entfalten, indem sie einen Einbruch der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage abfedern. Dazu zählen insbesondere die Arbeitslosenversicherung und die Kurzarbeitsentschädigung sowie die Ausgestaltung des Steuersystems und die Schuldenbremse.

Nur geringe Wirkung erwartet

Sieht man vom fehlenden Handlungsbedarf ab, gäbe es prinzipiell diverse Ausgestaltungsmöglichkeiten, mit denen man versuchen könnte, Firmen finanziell widerstandsfähiger zu machen. In Einklang mit dem Postulat haben wir vor allem auf steuerliche Anreize fokussiert. Die Grundidee ist dabei immer die gleiche: Unternehmen erhalten die Möglichkeit, in guten Jahren einen Teil ihres Gewinns als Reserve anzulegen und zum Beispiel auf ein Sperrkonto beim Bund oder einer Bank einzuzahlen. Damit sie einen Anreiz haben, entrichten die Unternehmen auf dem einbezahlten Teil keine Gewinnsteuer. In weniger guten Jahren können die Unternehmen dann auf die angelegte Reserve zurückgreifen. Mit anderen Worten: Der Staat fördert das Sparen in guten Zeiten, damit Unternehmen für turbulente Perioden besser gerüstet sind.

So weit die Theorie. Aufgrund der durchgeführten Analyse kommen wir allerdings zum Schluss, dass solche Instrumente, die bei der Gewinnsteuer ansetzen, ihre vorgesehene Wirkung in der Praxis weitgehend verfehlen dürften. Denn gerade jene Unternehmen, die man damit stärken möchte, dürften tendenziell wenig profitabel sein und somit kaum Möglichkeiten haben, Reserven aus einbehaltenem Gewinn aufzubauen. Und wer es sich umgekehrt leisten kann, verfügt vermutlich ohnehin bereits über solide Reserven. Neben der verfehlten Wirkung ist also auch mit beachtlichen Mitnahmeeffekten zu rechnen.

Die schlechte Wirkungsbilanz lässt sich auch durch die konkrete Ausgestaltung kaum aufbessern. So haben wir insbesondere untersucht, wie sich Vorgaben zum Verwendungszweck der Reserve auswirken. Grundsätzlich lässt sich sagen: Je enger dieser gefasst wird, desto weniger flexibel können Unternehmen über ihre Reserven verfügen, und umso weniger würden sie ein solches Instrument nutzen wollen. Zudem stehen der geringen Wirkung unter Umständen hohe administrative Kosten gegenüber. Dann nämlich, wenn der Verwendungszweck durch eine staatliche Kontrollstelle aufwendig geprüft werden müsste.

Zweckmässiger wäre daher eine Ausgestaltung ohne explizit vorgegebene Zweckbindung. Allerdings ist dann auch mit grösseren Mitnahmeeffekten zu rechnen. Ausserdem besteht die Gefahr, dass Firmen die Reserve vor allem zur Steueroptimierung nutzen. In jedem Fall müsste eine Reserve ohne Zweckbindung bei der Auflösung nachbesteuert werden. Für Unternehmen würde es sich steuerlich lohnen, die Reserve in Verlustjahren aufzulösen. Denn so könnten sie die einbehaltenen und nicht versteuerten Gewinne mit den anfallenden Verlusten verrechnen und eine Nachbesteuerung verhindern.

Unbeabsichtigte Nebeneffekte

Aber dennoch: Aus gesamtwirtschaftlicher Sicht bleibt die Wirkung bestenfalls bescheiden. Dies auch, weil andere Mechanismen – wie die erwähnten automatischen Stabilisatoren – eine viel wichtigere Rolle spielen. Hinzu kommt, dass der Staat mit Anreizen zur Reservebildung auch das Investitionsverhalten beeinflusst und somit Unternehmen womöglich nicht optimal über ihren Ressourceneinsatz entscheiden.

Denn werden die Gewinne nicht als Dividende an die Aktionäre ausgeschüttet, werden sie in der Regel im Unternehmen reinvestiert. Entscheiden sich Unternehmen, einbehaltene Gewinne einer Reserve zuzuweisen, ist dies implizit auch immer eine Entscheidung gegen eine Investition in die Weiterentwicklung des Unternehmens. Damit besteht die Gefahr, dass Unternehmen aus volkswirtschaftlicher Sicht nicht optimal über ihre Gewinnverwendung entscheiden.

Für die finanzielle Widerstandsfähigkeit der Unternehmen könnte sich eine Investition in die Zukunft unter Umständen sogar mehr auszahlen als eine angehäufte Krisenreserve. Dank ihren Reserven sind Unternehmen zwar finanziell widerstandsfähiger. Dem sind aber entgangene Gewinne aufgrund nicht getätigter Investitionen gegenüberzustellen, die zu mehr Innovation oder Wachstum geführt hätten. Und diese Gewinne bilden die Grundlage, um überhaupt erst entsprechende Reserven anlegen zu können.

  1. Postulat 20.3544 «Die Resilienz der Schweizer Unternehmen stärken». []
  2. Siehe Ecoplan (2022). Stärkung der Resilienz der Schweizer Unternehmen. Auslegeordnung möglicher Massnahmen im Rahmen einer vertieften Regulierungsfolgenabschätzung RFA. Studie im Auftrag des Seco. []

Zitiervorschlag: Ramin Mohagheghi, Michael Marti, Svenja Strahm (2022). Werden Unternehmen durch staatliche Anreize robuster. Die Volkswirtschaft, 16. Dezember.