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Aussenwirtschaftspolitik in Krisenzeiten

Im internationalen Vergleich ist die Schweizer Wirtschaft äusserst resilient – auch dank einer zielgerichteten Aussenwirtschaftspolitik. Was genau macht die Schweiz in Krisenzeiten erfolgreich? Und wo sind die Grenzen der Aussenwirtschaftspolitik?
Engpässe bei lebenswichtigen Gütern wie Energie sind besonders problematisch. Solaranlage in Leuk VS. (Bild: Keystone)

Zuerst die Covid-19-Pandemie, dann der Krieg in der Ukraine und die Inflation: Eine internationale Krise jagt die nächste. Globale Wertschöpfungsketten erinnern immer wieder an die Verflechtungen und gegenseitigen Abhängigkeiten zwischen Ländern und Regionen. Dies wirft unter anderem die Frage auf, welche Rolle die Aussenwirtschaftspolitik für die Versorgungssicherheit spielt.[1]

Rahmenbedingungen für Diversifizierung

Kurz gesagt ist der internationale Handel für die Versorgungssicherheit fundamental – gerade für eine mittelgrosse Volkswirtschaft wie die Schweiz mit einem begrenzten Binnenmarkt und weitgehend ohne natürliche Rohstoffe. Die internationale Verflechtung führt allerdings dazu, dass die Schweiz vermehrt Schocks ausgesetzt ist. Gleichzeitig erlaubt ihr aber die Diversifizierung von Handelspartnern, diese Schocks abzufedern. Dies, weil die Anzahl möglicher Bezugsquellen und Absatzmärkte höher ist. Das macht die Schweizer Wirtschaft resilienter.

Um Klumpenrisiken zu vermeiden – etwa durch ein einziges Herkunftsland bei wichtigen Vorleistungen für die Produktion –, haben Schweizer Unternehmen ein starkes Eigeninteresse, ihre Produktions- und Lieferketten möglichst breit aufzustellen. Der Bund unterstützt, wie in seiner 2021 aktualisierten Aussenwirtschaftsstrategie festgehalten, die Diversifizierung, indem er entsprechende Rahmenbedingungen gewährleistet. Die Schweiz ergänzt dabei langfristige aussenwirtschaftspolitische Massnahmen wie beispielsweise die Ausweitung und die Modernisierung des Netzes an Freihandelsabkommen mit kurzfristigen. Zu letzteren gehören etwa die Instrumente der Wirtschaftsdiplomatie, welche gerade in Krisenzeiten eine schnelle Kontaktaufnahme mit den zuständigen Stellen im Ausland ermöglichen und es erleichtern, Lösungen zu finden. Eine besondere Bedeutung kommt dabei den Nachbarländern zu, auch weil die Schweiz als Binnenland keinen direkten Zugang zum Meer hat, über das der Grossteil der Waren nach Europa gelangt.

Aussenwirtschaftspolitik und ihre Grenzen

Die Wirksamkeit aussenwirtschaftspolitischer Massnahmen hat aber auch Grenzen. So kann es bei aussergewöhnlichen und unvorhersehbaren Ereignissen wie Kriegen, Pandemien oder Naturkatastrophen dazu kommen, dass die Versorgung der Bevölkerung mit lebensnotwendigen Gütern und Dienstleistungen zeitweise nicht sichergestellt werden kann. Grund dafür können dabei die fehlende Koordination und der unzureichende Informationsfluss zwischen privatwirtschaftlichen, oft internationalen Marktakteuren sein. Aber auch staatliche Eingriffe in Handelsströme im Ausland können zu Engpässen führen, wie die zahlreichen Ausfuhrbeschränkungen in der Covid-19-Pandemie zeigten.

Dies ist besonders problematisch bei Gütern, welche für die Schweizer Bevölkerung lebenswichtig sind. Gemäss Landesversorgungsgesetz[2] gehören zum Beispiel Energiegüter, Nahrungs- oder Heilmittel dazu. Bei diesen kommt die wirtschaftliche Landesversorgung zum Einsatz: Sie greift lenkend ins Marktgeschehen ein, indem sie beispielsweise Pflichtlager öffnet oder, im äussersten Fall, Kontingentierungen anordnet. Wie die aktuell angespannte Lage in der Energieversorgung zeigt, ergreift der Bundesrat im Bedarfsfall zudem weitere sektorspezifische Vorkehrungen. Dazu gehören etwa die Sparkampagne oder die Beschaffung des Reservegaskraftwerks in Birr AG.

Staatliche Eingriffe

Der Krieg hat nicht nur Auswirkungen auf die Versorgungssicherheit, sondern auch auf die Handelspolitik. Die internationale Debatte um deren Ausrichtung, vor allem im Hinblick auf eine mögliche Entkoppelung gewisser Länder oder Regionen voneinander, wurde weiter angekurbelt. Hierbei spielen insbesondere staatliche Eingriffe in Form von Subventionen, Export- und Investitionskontrollen sowie Handelsschutzmassnahmen eine zunehmend grosse Rolle. Handelsflüsse zu regionalisieren, um die eigene Wirtschaft resilienter zu machen, wird unter anderem mit sicherheits- sowie geopolitischen Überlegungen begründet.

Ein weiteres Mittel sind Sanktionen. Diese haben sich als wichtiges und in vielen Fällen notwendiges Instrument der Aussen- und Aussenwirtschaftspolitik bewährt. Auch wenn sie allein ihre Ziele oft nicht erreichen, setzen sie klare politische Signale: Die Schweiz spricht sich im Rahmen ihrer Neutralitätspolitik für das Völkerrecht aus und steht für die Prinzipien der UNO-Charta ein. Ebenso schränken die Massnahmen den Handlungsspielraum der sanktionierten Partei ein und erhöhen damit die Kosten für die Verletzung des Völkerrechts. Internationale Sanktionsmassnahmen wirken generell dann am besten, wenn sie breit abgestützt sind.

Die Schweizer Wirtschaft erholte sich im internationalen Vergleich schnell von der Covid-19-Pandemie, und auch der wirtschaftliche Einbruch nach Ausbruch des Krieges in der Ukraine ist international gesehen bisher relativ gering. Dies zeigt, dass sich Schweizer Unternehmen rasch auf neue Umstände einstellen können. Zudem haben sich die Instrumente der Schweizer Aussenwirtschaftspolitik als wirksam erwiesen und tragen zur Resilienz der Schweizer Wirtschaft bei.

  1. Dieser Artikel basiert auf dem Schwerpunktkapitel des diesjährigen Berichts des Bundesrates zur Aussenwirtschaftspolitik. []
  2. Bundesgesetz über die wirtschaftliche Landesversorgung (Landesversorgungsgesetz vom 17. Juni 2016, (LVG), SR 531. []

Zitiervorschlag: Philippe Lionnet, Piotr Lukaszuk, Simone Schönenberger (2023). Aussenwirtschaftspolitik in Krisenzeiten. Die Volkswirtschaft, 11. Januar.