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25 Jahre Geld­wä­sche­rei­ge­setz im Rück­blick

Etliche Skandale haben zu einer stetigen Verschärfung des Geldwäschereigesetzes geführt. Wie gut ist das heutige Abwehrdispositiv, und wo liegen die künftigen Herausforderungen in der Geldwäschereibekämpfung?
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Zwang auch die Schweiz zum Handeln: Der Geldwäscherei-Skandal um den malaysischen Staatsfonds 1MDB und Najib Razak, den ehemaligen Premierminister Malaysias (Bildmitte). (Bild: Keystone)

Vor fast 25 Jahren, am 1. April 1998, ist das Schweizer Geldwäschereigesetz in Kraft getreten. Kern der Vorlage waren die Verankerung der Sorgfalts- und Meldepflichten für Finanzintermediäre, das Bekenntnis zur Selbstregulation der Branche und die Errichtung der Meldestelle MROS beim Bundesamt für Polizei Fedpol. Die MROS dient als nationale Stelle für die Entgegennahme von Verdachtsmeldungen mit einer Relais- und Filterfunktion zwischen den Finanzintermediären und den Strafverfolgungsbehörden.

Der erste Jahresbericht der MROS aus dem Jahr 1999 hält fest: «Der Start ist geglückt. Während vor dem 1. April 1998 – unter dem alten Melderegime – lediglich 30 bis 40 Meldungen von Finanzintermediären erstattet wurden, waren es 1998 bereits deren 160. Diese Meldungen betrafen Vermögenswerte von über 330 Millionen Franken. Die Einführung der Meldepflicht hat sich bewährt.» Zum Vergleich: 2022 verzeichnete die Meldestelle 7638 Verdachtsmeldungen respektive 13’750 gemeldete Geschäftsbeziehungen mit einem geschätzten Vermögensvolumen im unteren zweistelligen Milliardenbereich.

Die Meldepflicht und die zentral gesteuerte Analyse der Verdachtsmeldungen durch die MROS sind die Grundpfeiler einer griffigen Geldwäschereiabwehr. Der Anstieg der Verdachtsmeldungen zeigt, dass im Kampf gegen die Geldwäscherei in den letzten zwei Jahrzehnten eine kontinuierliche und durchaus positive Entwicklung stattgefunden hat.

Spiegel der Zeit

Dieser langwierige Prozess der Verbesserung verlief jedoch nicht linear. Er erfolgte in Schüben und wurde massgeblich von besonderen Ereignissen sowie den darauffolgenden Reaktionen geprägt. Gerade die Geldwäscherei- und Korruptionsskandale – wie beispielsweise die Fälle rund um den malaysischen Staatsfonds 1MDB oder den venezolanischen Erdölkonzern PDVSA sowie verschiedene Datenleaks wie die Panama oder die Paradise Papers – haben die Schweiz und die Finanzbranche in den vergangenen zehn Jahren zum Handeln gezwungen und zur nachhaltigen Stärkung des Abwehrdispositivs beigetragen. So wurden die Instrumente der Finanzmarktaufsicht sowie die Sorgfalts- und Meldepflichten wesentlich ausgebaut.

Seither ist auch das Bewusstsein in der Finanzindustrie gestiegen – Compliance- und Investigativabteilungen wurden verstärkt, und es hat ein Kulturwandel eingesetzt. Schliesslich haben auch neue technologische Möglichkeiten – insbesondere im Transaktionsmonitoring – zu einer verbesserten Früherkennung von verdachtsbegründenden Elementen beigetragen.

Zeitgemässe Arbeitsweise

Diese stetige Entwicklung hat sich auch auf die Meldestelle MROS und deren Arbeitsweise ausgewirkt. 1998 zählte die durch Fedpol betriebene MROS noch eine Handvoll Mitarbeitende, heute beschäftigt sie knapp 50 Vollzeitäquivalente. Auch die Anzahl der Meldungen ist – wie eingangs erwähnt – signifikant angestiegen. Da sich die Zahl der Meldungen in den letzten zehn Jahren beinahe verzehnfacht hat, kann sich die Meldestelle heute ressourcenbedingt nicht mehr auf die Einzelmeldung fokussieren. Die Inhalte der Meldungen und deren bestmögliche Vernetzung stehen im Vordergrund.

Die MROS ist kein Durchlauferhitzer zwischen den Finanzintermediären und den Strafverfolgungsbehörden, sondern betreibt aktiv «Intelligence». Durch Anreicherung und Verknüpfung von Informationen aus unterschiedlichen Quellen führt sie vertiefte Analysen durch und schafft damit Mehrwert für die Strafverfolgungsbehörden. Die Informationen stammen aus den Meldungen und Antworten der Finanzintermediäre, Open Source, den staatlichen Informationssystemen sowie dem Austausch mit nationalen Behörden und ausländischen Partnerstellen.

Diese Vorgehensweise impliziert jedoch, dass Schwerpunkte und Prioritäten gesetzt werden müssen und nicht jeder Verdachtsmeldung die gleiche Bedeutung zukommt.

Herausforderung Datenqualität

Der Meldeprozess wurde in der Schweiz relativ spät digitalisiert. Genau genommen ist die digitale Transformation bis heute nicht vollständig abgeschlossen. Seit 2020 können die Finanzintermediäre ihre Verdachtsmeldungen elektronisch an die MROS übermitteln. Die Papiermeldungen machen heute nur noch rund 3 Prozent aller Meldungen aus, verursachen bei der MROS jedoch nach wie vor einen überdurchschnittlich grossen Erfassungsaufwand.

Noch kritischer stuft die MROS die teilweise schlechte Datenqualität der elektronischen Meldungen ein. Anders als etwa in Luxemburg oder den Niederlanden besteht in der Schweiz kein gesetzlich definiertes Daten- und Übermittlungsformat. Die nachträgliche Bereinigung der Daten ist deshalb sehr ressourcenintensiv und geht zulasten der Analysetätigkeit. Derzeit sind diverse Gespräche zwischen der MROS und der Branche im Gang, um mittelfristig einen Datenstandard zu definieren. Zudem wird die Meldestelle 2023 eine neue Version ihres Datenverarbeitungssystems einführen und die Dateneingabe für die Finanzintermediäre erleichtern.

Welche Daten in Zukunft für die Analysetätigkeit herangezogen und wie diese bearbeitet werden sollen, ist das zentrale Thema für die MROS. In den letzten Jahren haben die Komplexität der Geschäfte und die Transaktionsgeschwindigkeit durch die zunehmende Globalisierung, die Digitalisierung, die Entwicklung neuer Technologien und Businessmodelle stark zugenommen. Das Datenvolumen ist massiv angestiegen.

Mehr automatisieren, mehr kooperieren

Dieser Datenflut ist mit manuellen Bearbeitungsansätzen nicht mehr beizukommen. Für eine effiziente Analysetätigkeit sind automatisierte Prozesse unabdingbar. Zudem ist zwischen den Behörden und dem Privatsektor eine engere Zusammenarbeit nötig. Dadurch können die Datenlage, der Wissensstand und die Analysefähigkeit auf beiden Seiten verbessert werden.

Hier hinkt die Schweiz gegenüber dem Ausland noch hinterher. 20 der 30 weltweit wichtigsten Finanzplätze verfügen heute über eine Public-private-Partnership (PPP) für den Austausch von Finanzinformationen. 2022 hat die MROS im Auftrag des Bundesrats zusammen mit anderen Behörden und der Finanzbranche die Möglichkeiten für eine Schweizer Lösung ausgelotet. Es wird sich nun zeigen, ob und allenfalls wie der Informationsaustausch in der Schweiz künftig erfolgen wird.

Überwiegend Meldungen von Banken

Eine weitere Herausforderung sieht die MROS im Meldeverhalten der einzelnen Teilbranchen. Rund 90 Prozent der Meldungen stammen heute von Banken. Andere in der Finanzintermediation tätige Dienstleister wie etwa die unabhängigen Vermögensverwaltungen, Treuhandbüros, Anwälte und Anwältinnen, Notarinnen und Notare oder auch Money Transmitter und Virtual Asset Service Providers (Vasp) sind trotz punktuell erhöhtem Geldwäschereirisiko in der Meldestatistik untervertreten.

Künftig stellt sich auch die Frage, ob Branchen – ausserhalb der klassischen Finanzintermediation – dem Geldwäschereigesetz unterstellt werden sollen. Der Immobiliensektor, Teile das Beraterwesens sowie der Kunsthandel stehen immer wieder in der internationalen Kritik – der Druck auf diese Sektoren dürfte kurz- bis mittelfristig zunehmen. Die Schweiz und die erwähnten Branchen sind gut beraten, das Heft selber in die Hand zu nehmen, offensichtliche Schlupflöcher proaktiv zu stopfen und nicht erst auf äussere Umstände zu reagieren.

Zitiervorschlag: Brönnimann, Anton (2023). 25 Jahre Geld­wä­sche­rei­ge­setz im Rück­blick. Die Volkswirtschaft, 14. März.