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Der Da­ten­fö­der­al­is­mus er­schwert die Kri­mi­na­li­täts­be­kämp­fung

Im Kampf gegen die Wirtschaftskriminalität sind wirtschaftsrelevante Daten zentral. Doch Registerdaten werden kantonal erfasst und sind von unterschiedlicher Qualität. Eine Harmonisierung auf Bundesebene und eine Vernetzung dieser Daten könnten dies ändern.
Nebulös: Der Immobilienmarkt sieht sich dem Vorwurf ausgesetzt, anfällig für Geldwäscherei zu sein. (Bild: Keystone)

Nach dem militärischen Angriff Russlands auf die Ukraine im Februar 2022 hat der Bundesrat verschiedene Wirtschaftssanktionen verhängt. Beispielsweise wurden die Gelder und Vermögenswerte natürlicher und juristischer Personen aus Russland in der Schweiz eingefroren.[1] Diese Massnahmen könnten dazu führen, dass aufgrund der Herkunft einiger im Schweizer Finanz- und Immobilienmarkt investierter Gelder Strafverfahren wegen Geldwäscherei oder Korruption eröffnet werden.

Wenn es darum geht, Wirtschaftssanktionen umzusetzen, ist der Bund auf die Unterstützung der Kantone angewiesen. Denn die Kantone führen ihre Handelsregister (Datenbank über Unternehmen und ihre Vertreter) sowie ihre Grundbücher (Datenbank zu den Immobilieneigentümern) autonom. Die Kantone haben die Massnahmen umgehend umgesetzt und die Fälle dem Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) übergeben. Beim darauffolgenden regen Austausch zwischen Bundes- und Kantonsbehörden verlangten Letztere, dass ihre Pflichten bei der Umsetzung der internationalen Sanktionen zu klären seien. Daraufhin wurde im März 2022 ein Merkblatt veröffentlicht, in dem die Verpflichtungen der Kantone genau festgelegt sind.[2]

Die Episode zeigt: Die Fragmentierung der Register erzeugt einen immensen Abklärungsaufwand zwischen Kantonen und Bund und schränkt ihre Handlungsfähigkeit ein. Die Fragmentierung erschwert auch die Ermittlungen der Strafverfolgungsbehörden und erhöht das Risiko, dass international sanktionierte Personen oder Unternehmen die Situation ausnutzen, um sich der Justiz zu entziehen.[3]

Die Fragmentierung der kantonalen Register und die Frage nach derer Aufsicht waren schon Gegenstand mehrerer Berichte der Eidgenössischen Finanzkontrolle (EFK) zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität. Die EFK hat die vom Bundesamt für Justiz (BJ) ausgeübte eidgenössische Oberaufsicht über die Handelsregister, über das Grundbuchwesen sowie über Schuldbetreibung und Konkurs geprüft.[4] Diese Prüfungen haben Mängel aufgedeckt, welche die Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität erschweren.

Mängel in den Handelsregistern

2018 hat die EFK bei der Datenzuverlässigkeit der kantonalen Handelsregister Mängel festgestellt: Eine grosse Anzahl Einzelunternehmen war dort nicht eingetragen, während andere, die schon seit Jahrzehnten nicht mehr aktiv waren, immer noch aufgeführt wurden. Der EFK-Bericht zeigt zudem, dass die Einträge von Tausenden von Unternehmen in den Registern seit rund 15 Jahren nicht mehr angepasst wurden (siehe Abbildung). Mangels einer Aktualisierung der Handelsregister gibt es zum Beispiel keine Gewissheit über die effektive Tätigkeit eines Unternehmens oder die Identität seiner aktuellen Vertreter. Diese Informationen sind wichtig, um betrügerische Konkurse und Geldwäscherei zu bekämpfen.

Ein anderes Thema sind Aktienregister, welche die Inhaberaktionäre sowie die wirtschaftlich Berechtigten der Aktiengesellschaften enthalten. Die kantonalen Handelsregisterämter sind nicht verpflichtet, deren Existenz zu überprüfen – weder bei der Eintragung der Gesellschaft noch später. Anhand solcher Register ist es möglich, den tatsächlichen wirtschaftlich Berechtigten der in der Schweiz angesiedelten Unternehmen zu ermitteln. So kann auch verhindert werden, dass Strohmänner eingesetzt werden, um Profiteure von Betrugsfällen zu decken.

2019 hat die Bundesversammlung zwar beschlossen, die anonymen Inhaberaktien grösstenteils abzuschaffen und so die wirtschaftlich Berechtigten transparenter zu machen. Diesbezüglich ist sie den Empfehlungen der Financial Action Task Force und des Globalen Forums über Transparenz und Informationsaustausch für Steuerzwecke der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) gefolgt. Allerdings: Kontrollen, um sicherzustellen, dass die Aktiengesellschaften ihre Aktienregister laufend aktualisieren und dass diese Register über die wirtschaftlich Berechtigten Auskunft geben, hat der Gesetzgeber nicht eingeführt.[5]

Unternehmen, die ihre Einträge in den Handelsregistern seit mehr als 15 Jahren nicht geändert haben, nach Kanton (2017)

Anmerkung: Die Daten betreffen das 1. Halbjahr 2017.
Quelle: Eidgenössische Finanzkontrolle: Prüfung der Datenzuverlässigkeit des Handelsregisters (2018) / Die Volkswirtschaft

 

Böswillige Schuldner im Visier

Die EFK hat zudem festgestellt, dass die Datenbanken der kantonalen und kommunalen Betreibungs- und Konkursämter (BKA) nicht vernetzt sind. Das hat zur Folge, dass die Daten nicht vollständig sind. Kritisch wird es, weil sich dadurch eine Person mit bösen Absichten ohne allzu grosse Mühe einen einwandfreien Betreibungsregisterauszug beschaffen könnte (als Nachweis dafür, dass sie keine Betreibungen hat), indem sie ihren Wohnsitz in einen anderen Bezirk verlegt.

Das hauptsächliche Hindernis für eine Vernetzung der Datenbanken der BKA ist, dass die Schuldner nicht eindeutig identifiziert werden können. Dieses Problem könnte das Projekt «Nationaler Adressdienst» lösen, an dem das Bundesamt für Statistik aktuell arbeitet. Mit diesem Dienst, der ab Mitte 2025 zur Verfügung stehen soll, würden die Behörden (und die BKA) über ein nationales Adressregister der natürlichen Personen verfügen, das auf den AHV-Nummern basiert. Eine Vernetzung der BKA würde die Suche für die Gläubiger erleichtern und böswillige Schuldner, welche die heutige Datenfragmentierung ausnutzen, abschrecken.

Immobiliensektor äusserst anfällig

Genau wie die Handels-, Betreibungs- und Konkursregister werden auch die Datenbanken der Grundbücher dezentral von den Kantonen geführt. Entsprechend ist auch hier die Qualität der Daten nicht gewährleistet.

Das Eidgenössische Amt für Grundbuch- und Bodenrecht (EGBA) ist mit der Oberaufsicht über das Grundbuchwesen beauftragt. Es steht vor einer grossen Herausforderung. Schon 2013 stellte ein Bericht des Bundesamts für Polizei (Fedpol) fest, dass der Immobilienmarkt anfällig für Geldwäscherei ist, insbesondere wenn es um die italienische Mafia geht.[6] Seither haben weitere Fachpersonen sowie Akteure der Zivilgesellschaft darauf hingewiesen, dass dieser Wirtschaftssektor missbraucht werden könne, um Gelder illegaler Herkunft in den legalen Finanzkreislauf einzubringen.[7] Das EGBA verfügt allerdings über keine Rechtsgrundlage, um dieses Risiko zu verringern.

Bei ihrer Prüfung hat die EFK festgestellt, dass die vom EGBA für ihre Oberaufsicht ausgearbeiteten strategischen und konzeptionellen Grundlagen sich auf die Themen und Risiken konzentrieren, die direkt mit dem Grundbuchwesen zu tun haben. Die mit Geldwäscherei verbundenen Risiken werden jedoch vernachlässigt, und das, obwohl gerade zu dieser Frage eine vertiefte Analyse durchgeführt werden müsste. Das EGBA könnte die Grundbuchverwaltungen und die Aufsichtsbehörden der Kantone für diese Risiken sensibilisieren. Ebenso müsste das Amt Aspekte berücksichtigen, die für das Grundbuch von wesentlicher Bedeutung sind, wie zum Beispiel den Erwerb von Grundstücken durch Personen im Ausland. Das EGBA hat sich dazu bereit erklärt, seine strategischen und konzeptionellen Grundlagen um Themen zu erweitern, die mit Geldwäscherei zusammenhängen.

Föderalismus als Ursache

Register sind von entscheidender Bedeutung, damit unsere Wirtschaft reibungslos funktioniert. Die von der EFK durchgeführten Prüfungen haben in diesem Bereich eine weitere Schwachstelle aufgedeckt: die Informationsübermittlung zwischen den Bundesbehörden sowie zwischen Bund und Kantonen. Die fehlende Zentralisierung der kantonalen Register führt dazu, dass die Praktiken in diesem Bereich sehr unterschiedlich sind. Das ist die Folge des «Datenföderalismus».

Auf kantonaler Ebene gibt es kaum gemeinsame Datenmodelle, und wenn doch, so sind diese unvollständig oder nicht verbindlich. Das kann dazu führen, dass die Daten, die den Bundesämtern zur Verfügung gestellt werden, von schlechter Qualität[8], veraltet oder unvollständig sind. Teilweise haben die Bundesämter nicht einmal Zugriff auf diese Daten.

Alle diese Faktoren erklären, weshalb die Schweiz heute Mühe hat, die in den Kantonen erfassten Daten auf nationaler Ebene zu konsolidieren. Die gegebene Situation erschwert den Strafverfolgungsbehörden die Arbeit bei ihren Vorermittlungen und ihren Strafverfahren. Und sie beeinträchtigt ihre Analysen und damit die Umsetzung angemessener Massnahmen, um die grössten Risiken im Bereich Wirtschaftskriminalität in Angriff zu nehmen. Auch beim Aufspüren von Geldern und Vermögenswerten natürlicher und juristischer Personen aus Russland im Rahmen der internationalen Sanktionen war man mit dieser Situation konfrontiert – obwohl sie schon seit Jahren bekannt ist.

  1. Siehe Verordnung über Massnahmen im Zusammenhang mit der Situation in der Ukraine vom 4. März 2022 (SR 946.231.176.72). []
  2. Siehe Seco (2022). []
  3. «Guy Parmelin veut clarifier le contrôle des sanctions entre cantons et Confédération», in: Rtsinfo.ch, 29. März 2022 (besucht am 1. Februar 2023). []
  4. Siehe Efk.admin.ch: PA 16615, PA 20236, PA 21529. Ebenso finden sich dort ein Synthesebericht zu den Registern (PA 22245) sowie einer zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität (PA 21447). []
  5. Obligationenrecht, Artikel 686 und 697j. []
  6. Siehe Fedpol (2013). []
  7. Siehe Transparency International (2017) sowie «Tages-Anzeiger» vom 28.2.2022: «Die Tricks der Geldwäscher bei Hausverkäufen». []
  8. 2022 hat der Waadtländer Rechnungshof zur Qualität der Datenbank Themis der Betreibungsämter dasselbe festgestellt. Er empfiehlt unter anderem, die Datenbank zu bereinigen, um sie zuverlässiger zu machen, und die Datenzuverlässigkeit neu regelmässig zu überprüfen. []

Bibliographie

Zitiervorschlag: Daniel Aeby, Yves Steiner (2023). Der Da­ten­fö­der­al­is­mus er­schwert die Kri­mi­na­li­täts­be­kämp­fung. Die Volkswirtschaft, 14. März.