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Angela Mattli, Fachleiterin Rohstoffe, Handel und Finanzen sowie Co-Geschäftsleiterin, Public Eye, Zürich und Lausanne

«Slapp»! Das hört sich nicht bloss an wie eine Ohrfeige, es ist auch eine: ein Schlag ins Gesicht der Medienfreiheit. Das Akronym steht für «Strategic Lawsuits Against Public Participation» und bezeichnet Gerichtsverfahren, deren Zweck es ist, investigative Medienschaffende und NGOs einzuschüchtern.

Solche Klagen werden selbst dann angedroht oder eingereicht, wenn sie keinerlei Chancen auf Erfolg haben. Denn sie zwingen die beschuldigten Medien und NGOs, grosse zeitliche und finanzielle Ressourcen aufzuwenden. Oft sind es Konzerne oder Oligarchen, die mit zunehmend spezialisierten Anwaltskanzleien und Millionenbudgets gegen die Zivilgesellschaft vorgehen. Dabei nutzen sie bewusst das immense ökonomische Machtgefälle.

2017, nach der Ermordung der Journalistin Daphne Caruana Galizia, die in Malta jahrelang gegen Wirtschaftskriminalität kämpfte, gelangte Slapp international aufs politische Parkett. So veröffentlichte im Mai 2022 die Europäische Kommission ihren Anti-Slapp-Gesetzentwurf. Damit können Gerichte solche missbräuchlichen Verfahren künftig frühzeitig abweisen. Zugleich muss der Kläger alle Kosten übernehmen, und die Beklagten haben das Recht auf Entschädigung.

 

Im Kampf gegen Korruption und Wirtschaftskriminalität sind investigative Recherchen wichtiger denn je.

 

Auch in der Schweiz nehmen missbräuchliche Klagen zu. Gemäss einer Umfrage des Hilfswerks Heks wurden sechs von elf befragten NGOs schon Opfer solcher juristischen Einschüchterungsversuche, die meisten davon sogar mehrfach. Public Eye war in den letzten fünf Jahren mit vier Gerichtsverfahren konfrontiert – bislang ohne Verurteilung, aber mit erheblichen Anwaltskosten. Anlass waren bezeichnenderweise oft jene Recherchen, welche die Bundesanwaltschaft zu eigenen Ermittlungen animierten, häufig gegen bekannte Rohstoffkonzerne, Finanzinstitute oder Oligarchen. Was zeigt, wie wichtig investigative Recherchen für die Bekämpfung von Wirtschaftskriminalität wie zum Beispiel Korruption sind.

Der vom Bundesamt für Kommunikation (Bakom) gemeinsam mit der Medienbranche lancierte – aber unverbindliche – «Aktionsplan für die Sicherheit von Medienschaffenden» benennt zwar das Slapp-Problem. Vom Parlament wird das demokratierelevante Thema Medienfreiheit aber nicht mal stiefmütterlich behandelt. Im Gegenteil: Statt der nötigen Fortschritte erleben wir gegenwärtig einen besorgniserregenden Rückschlag. So wurden mit der laufenden Revision der Zivilprozessordnung im Mai 2022 die Hürden für «superprovisorische Verfügungen» gegen Medien und NGOs weiter gesenkt. Und im November letzten Jahres hat die Rechtskommission des Nationalrats eine parlamentarische Initiative abgelehnt, die – analog zur EU-Gesetzgebung – mehr Rechtsschutz vor missbräuchlichen Klagen fordert.

Diese faktischen Einschränkungen der Medienfreiheit gehören dringend korrigiert. Denn im Kampf gegen Korruption und Wirtschaftskriminalität sind investigative Recherchen wichtiger denn je – und das gerade in der Schweiz.

Zitiervorschlag: Mattli, Angela (2023). Investi­ga­tive Re­cher­chen unter Be­schuss. Die Volkswirtschaft, 14. März.