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Nachhaltigkeit spaltet institutionelle Anleger

Nachhaltigkeit ist in aller Munde, auch in der Immobilienbranche. Institutionelle Anleger stehen in der Pflicht. Es gibt aber grosse Unterschiede, wie das Thema bei Anlegern gehandhabt wird.
Immobilien werden immer nachhaltiger. Hochhaus Aglaya mit Fassadenbegrünung in Risch-Rotkreuz ZG. (Bild: Keystone)

Der Gebäudepark ist für ein Viertel der CO2-Emissionen in der Schweiz verantwortlich.[1] Entsprechend gross ist der politische und gesellschaftliche Druck auf die Akteure im Immobiliensektor. Gerade institutionelle Anleger, die mit einem Immobilienvermögen von über 600 Milliarden Schweizer Franken ein wichtiger Exponent sind, bekommen diesen Druck zu spüren.[2] Aber auch aus wirtschaftlichen Überlegungen sind institutionelle Anleger bestrebt, ihre Immobilien- und Hypothekaranlagen nachhaltiger zu gestalten. Allerdings gibt es zwischen den verschiedenen Anlegertypen frappante Unterschiede.

Pensionskassen haben Aufholpotenzial

Im Rahmen einer Studie wurden institutionelle Anleger zu ihren Immobilien- und Hypothekarinvestitionen befragt.[3] 75 Prozent der befragten Versicherungen berücksichtigen Nachhaltigkeit in ihrem Reporting. Bei Anlagestiftungen und Immobilienfonds liegt dieser Wert noch höher. Demgegenüber ist das Thema bei Pensionskassen (PK) mit 32 Prozent deutlich weniger präsent. Aber auch innerhalb der PK sind die Unterschiede markant: Nur 18 Prozent der kleinen PK berücksichtigen Nachhaltigkeit in ihrem Reporting, während es bei grossen PK 42 Prozent sind.[4] Ein ähnliches Bild zeichnet sich ab, wenn Anleger gefragt werden, ob sie zugunsten der Nachhaltigkeit auf Rendite verzichten würden (siehe Abbildung). Die Bereitschaft, kurzfristig auf Rendite zu verzichten, ist bei PK mit 35 Prozent deutlich tiefer als bei anderen Anlegern. Dieses Resultat ist bemerkenswert, weil alle Anleger langfristig gegenüber ihren Destinatären und Kunden verpflichtet sind, Rendite zu erwirtschaften. PK sind aufgrund ihres treuhänderischen Auftrages, für ihre Destinatäre das Vermögen optimal zu verwalten, zurückhaltender als die Anlagegefässe. Ein Grossteil der Anleger rechnet damit, dass sich ein kurz- bis mittelfristiger Renditeverzicht in Form höherer Investitionskosten für Nachhaltigkeit langfristig wirtschaftlich lohnt. Dies mag für Immobilien an sehr guter Lage bei gleichzeitig überschaubaren Instandsetzungskosten zutreffen. Objekte mit Investitionsstau an weniger guten Standorten spielen die hohen Investitionskosten jedoch auf der Ertragsseite oft nicht wieder ein.

Ein Grund für die Unterschiede zwischen den Anlegertypen dürften die fehlenden personellen Kapazitäten sowie Know-how-bezogenen Ressourcen sein. Dies ist besonders bei kleinen, in geringerem Ausmass bei grossen PK der Fall. So haben kleine PK im Durchschnitt 1,2 Mitarbeitende im Immobilien- und 0,9 im Hypothekarbereich. Wenig überraschend wird ein Grossteil der Aufgaben an externe Dienstleister vergeben. Das Reporting im Hypothekarbereich lagern beispielsweise 73 Prozent der kleinen PK aus, und 97 Prozent der Hypothekaranlagen sowie zwei Drittel der Immobilienanlagen tätigen sie indirekt via Anlagestiftungen oder Fonds. Die Studie zeigt hier ein interessantes Spannungsfeld auf, das vielen Akteuren nicht vollauf bewusst sein dürfte: PK dürften aufgrund ihres Auftrags nicht auf Rendite verzichten, investieren aber in Anlagevehikel, die dies zugunsten der Nachhaltigkeit tun.

Anteil Anleger, die zugunsten der Nachhaltigkeit auf Rendite verzichten würden, in Prozent (2022)

Quelle: Davidson, Kloess und Steffen (2022) / Die Volkswirtschaft

Nur Fokus auf Umwelt sinnvoll?

Viele Anleger richten sich bezüglich Nachhaltigkeit an ESG-Kriterien (Umwelt, Soziales, Governance) aus. Die Resultate der Studie zeigen, dass dabei das «E», also ökologische Themen, klar im Vordergrund steht: 90 Prozent aller Befragten berücksichtigen bei Nachhaltigkeitsbestrebungen CO2-Emissionen, gefolgt von weiteren ökologischen Teilbereichen wie Gebäudezertifikaten (64 Prozent) und Energiesparen (50 Prozent). Abgeschlagen mit jeweils rund 30 Prozent finden sich soziale Aspekte wie bezahlbares Wohnen und Mietermix am Ende der Prioritätenliste wieder.

Der Fokus auf ökologische Aspekte ist nachvollziehbar, denn hier liegt der grösste politische sowie gesellschaftliche Druck. Zudem sind ökologische Kennzahlen vergleichsweise gut zu erheben. Allerdings wird es problematisch, wenn die CO2-Neutralität zu schnell und zu wenig zielorientiert umgesetzt wird. Einerseits kann es zu Kapazitätsengpässen auf der Material- und Umsetzungsseite kommen. Es gibt nicht genug Ressourcen für alle Initiativen im privaten und institutionellen Bereich, um die Ziele in der kurzen Frist zu erreichen.

Andererseits stehen die Ziele Ökologie, Soziales und wirtschaftliche Nachhaltigkeit kurzfristig im Konflikt: Ein Umstieg auf CO2-neutrale Gebäude ist kostenintensiv, und um die wirtschaftliche Nachhaltigkeit nicht aufzugeben, muss ein Teil der Kosten auf die Mieter abgewälzt werden. Angesichts von Wohnungsknappheit und steigenden Mieten ist dies mit dem Ziel von bezahlbarem Wohnraum nicht vereinbar. Wird eine teilweise Überwälzung auf die Mieter verhindert, gefährdet dies die Wirtschaftlichkeit der Anleger, zu welcher sie ihren Destinatären gegenüber verpflichtet sind. Zudem verleitet es dazu, neue, nachhaltige Gebäude dort zu erstellen, wo es freie Flächen gibt, und nicht dort, wo das Angebot an Immobilien knapp ist.

In der langen Frist existiert kein zwingender Zielkonflikt zwischen Ökologie, sozialen Aspekten und Wirtschaftlichkeit. Ein Umbau auf einen nachhaltigen Gebäudepark – in allen Dimensionen der Nachhaltigkeit – ist möglich und erstrebenswert, aber herausfordernd. 78 Prozent aller vor dem Jahr 2000 erstellten Gebäude nutzen fossile Energieträger, gegenüber 16 Prozent aller Wohngebäude, die nach 2016 erstellt wurden. Insbesondere im Altbestand der Städte, wo Entwicklungs- und Sanierungsrisiken besonders hoch sind, gibt es enormen Nachholbedarf: In Genf leben beispielsweise 90 Prozent aller Bewohner in Gebäuden mit fossilen Energieträgern.[5] Dies zeigt, wo das grosse Potenzial, aber eben auch die wesentlichen Herausforderungen liegen.

  1. Siehe BAFU (2022). []
  2. Um die Summe in Relation zu setzen: Das gesamte Immobilienvermögen beträgt 4500 Milliarden Schweizer Franken. []
  3. Siehe Davidson et al. (2022). []
  4. Kleine PK sind Kassen mit einem verwalteten Vermögen von weniger als 500 Millionen Schweizer Franken. Alle anderen gelten als grosse PK. []
  5. Siehe Kraft (2023). []

Literaturverzeichnis

Bibliographie

Zitiervorschlag: John Davidson, Stephan Kloess, Daniel Steffen (2023). Nachhaltigkeit spaltet institutionelle Anleger. Die Volkswirtschaft, 21. März.

Die Schöne oder das Biest?

Die Resultate dieses Artikels basieren auf der Studie «Immobilien- und Hypothekaranlagen: Die Schöne oder das Biest?», welche die Hochschule Luzern zusammen mit KRE Kloess Real Estate im Auftrag von key4 by UBS im Frühling 2022 durchgeführt hat. Es wurden 162 institutionelle Anleger zu ihren Immobilien- und Hypothekarinvestitionen befragt. Insgesamt decken die Teilnehmer der Studie etwas mehr als ein Drittel des Gesamtvermögens aller Pensionskassen, 61 Prozent aller Immobilienanlagen von Immobilienfonds, 60 Prozent aller Immobilien-Anlagestiftungen, 34 Prozent aller PK und 29 Prozent aller Versicherungen ab. Im Herbst 2023 erscheint eine Neuauflage der Studie, die den Schwerpunkt der Nachhaltigkeit vertieft.