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Welche Kantone investieren am meisten in erneuerbare Energien?

Der Bund fördert erneuerbare Energien, insbesondere Fotovoltaik. Und die Kantone? Eine neue interaktive Webplattform beantwortet diese und weitere Fragen.
Im Jahr 2021 hat der Bund schweizweit über 26’000 PV-Anlagen mit einer Einmalvergütung unterstützt. (Bild: Keystone)

Die Energiestrategie des Bundes und das Netto-null-Treibhausgasemissionsziel bis 2050 weisen der Schweizer Energie- und Klimapolitik die Richtung. In der föderalistischen Schweiz spielen neben dem Bund auch die Kantone eine wichtige Rolle, um diesbezüglich auf Kurs zu bleiben. Ein Forschungsteam der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) hat in einem interdisziplinären Prozess den Cantonal Clean Energy Index (CEIS) entwickelt – eine intuitiv nutzbare Webplattform. Sie ermöglicht es, die Umsetzung der Energiestrategie 2050 auf kantonaler Ebene zu verfolgen, indem sie jährliche Vergleichsdaten, unter anderem zu Gebäuden, Mobilität oder erneuerbarem Strom, publiziert.

Bund fördert erneuerbare Energien

Die Energiestrategie 2050 gab als Richtwert für die erneuerbare Energie vor, dass im Jahr 2020 eine inländische Stromproduktion von 4400 Gigawattstunden erreicht wird. Dieses Ziel wurde unter anderem durch Förderungen des Bundes erreicht. Zwischen 2009 und 2022 betrieb der Bund die Kostendeckende Einspeisevergütung als Förderinstrument für die Stromproduktion aus erneuerbaren Energien. Dabei erhalten Produzentinnen von neuen Wind-, Kleinwasserkraft-, Biomasse-, Fotovoltaik- oder Geothermieanlagen Fördergelder für 15 Jahre. Bei Biomasseanlagen sind es 20 Jahre. Der Vergütungstarif gleicht die Differenz zwischen den Produktionskosten und dem Marktpreis für Strom aus und variiert je nach Technologie, Leistungsklasse und Baujahr der Anlagen. Seit 2022 werden aber keine neuen Anlagen mehr ins Programm aufgenommen.

Für die Förderung der Stromproduktion aus Fotovoltaikanlagen (PV-Anlagen) gibt es seit 2014 ein weiteres Instrument: die Einmalvergütung. Damit wird abhängig von der Leistung der Anlage ein einmaliger Beitrag an die Anlagenbetreiber bezahlt. Dabei wird zwischen kleinen PV-Anlagen bis zu einer Leistung von 100 Kilowatt und grossen Anlagen ab 100 Kilowatt unterschieden. Beide werden mit maximal 30 Prozent der Kosten einer Referenzanlage unterstützt.

In Appenzell Innerrhoden wird pro Kopf am meisten ausbezahlt

Das nächste Etappenziel im Jahr 2035 auf dem Weg zu einer klimaneutralen Energieversorgung erfordert aber eine weit grössere Stromproduktion aus erneuerbaren Quellen, genau gesagt 11’400 Gigawattstunden. Daher sind weitere Anstrengungen dringend nötig. Der Bund hat per 2023 eine dritte Kategorie von Einmalvergütungen eingeführt: die hohe Einmalvergütung für PV-Anlagen ohne Eigenverbrauch. Diese beträgt bis zu 60 Prozent der Investitionskosten einer Referenzanlage.[1]

Nach dem Auslaufen der kostendeckenden Einspeisevergütung wird die Einmalvergütung nun zum wichtigsten Instrument für die Förderung von PV-Anlagen. Seit Kurzem veröffentlicht der Bund dazu auch Daten. Im Jahr 2021 wurden schweizweit über 26’000 PV-Anlagen mit einer Einmalvergütung unterstützt. Dabei wurden schweizweit 216 Millionen Schweizer Franken ausbezahlt. Im CEIS lassen sich die Kantone bezüglich ausgewählter Vergleichswerte beurteilen. Die meisten PV-Anlagen pro Kopf baute der Kanton Jura mit 6,3 Anlagen pro 1000 Einwohner (siehe Abbildung 1). Am meisten Fördergelder zahlte jedoch der Kanton Appenzell Innerrhoden, gut 57 Schweizer Franken pro Person (siehe Abbildung 2).

Abb. 1: Anzahl durch die Einmalvergütung geförderte PV-Anlagen pro 1000 Einwohner (2021)

 Quelle: BFE, CEIS (2021) / Die Volkswirtschaft

Abb. 2: Durch die Einmalvergütung ausbezahlte Fördergelder für PV-Anlagen pro Kopf (2021, in Schweizer Franken)

Quelle: BFE, CEIS (2021) / Die Volkswirtschaft

Alpine Solarproduktion essenziell

Neben den oben erwähnten Förderanstrengungen des Bundes spielen lokale Energieversorgungsunternehmen und die Kantone eine äusserst wichtige Rolle: Die Energieversorgungsunternehmen können durch die Höhe ihrer Rückliefervergütung für den eingespeisten Strom und ihrer Stromtarife direkt Anreize schaffen.[2] Zudem fördern einige Kantone die Stromproduktion aus Fotovoltaik zusätzlich zu den Einmalvergütungen des Bundes. Im letzten Jahr waren dies die folgenden sieben Kantone: Appenzell Ausserrhoden, Glarus, Graubünden, Schaffhausen, Thurgau, Tessin und Uri. Zum Beispiel wird im Kanton Appenzell Ausserrhoden die Einmalvergütung des Bundes verdoppelt. Im Kanton Glarus hingegen gibt es nur bei Kombination von Fotovoltaik und thermischer Solaranlage zusätzliche Fördergelder.

Diese Entwicklung bilden wir neu durch die Integration kantonaler Politikinstrumente im CEIS ab. Vermutlich werden hier weitere Kantone folgen, denn durch die Energiekrise ist das Thema der erneuerbaren Stromproduktion, insbesondere der alpinen Solarproduktion, in den politischen Fokus gerückt. So hat das Parlament in rekordverdächtigem Tempo eine Änderung des Energiegesetzes beschlossen, die bis Ende 2025 gelten soll und die Bewilligung und Förderung von alpinen PV-Grossanlagen regelt. [3] Die Frage, ob diese Anstrengungen ausreichen, um die Richtwerte der Energiestrategie 2050 zu erfüllen, kann der CEIS aber nicht beantworten. Er kann jedoch anhand des historischen Verlaufs aufzeigen, wie sich der Zubau bisher entwickelt hat. Durch die aktuelle Solaroffensive werden vor allem grosse Ausbausprünge in den Kantonen Wallis und Graubünden erwartet, da dort momentan Projekte in Planung sind.

  1. Siehe Energiegesetz (EnG) Art. 25. []
  2. Siehe Schmid et. al (2023). []
  3. Siehe Energiegesetz (EnG) Art. 71a. []

Literaturverzeichnis

Bibliographie

Zitiervorschlag: Regina Betz, Nina Boogen, Stephan Rösli (2023). Welche Kantone investieren am meisten in erneuerbare Energien. Die Volkswirtschaft, 07. März.

Zum Prototyp im zirkulären Entwicklungsprozess

Der Cantonal Clean Energy Index (CEIS) wurde vom Energy Research Board der ZHAW (ZERB) gefördert und ist als Betaversion online verfügbar: http://www.clean-energy-index.ch.

Für die Entwicklung der interaktiven Webanwendung setzte das Team auf eine Design-Thinking-Technik als «eine Innovations- und Entwicklungsmethode, die auf Basis eines iterativen Prozesses nutzer- und kundenorientierte Ergebnisse zur Lösung von komplexen Problemen liefert».a Der aktuelle Prototyp des CEIS ist im Rahmen mehrerer aufeinander aufbauender und sich wiederholender Entwicklungsschleifen entstanden. Zuerst wurden in mehreren Phasen die Bedürfnisse an eine CEIS-Webanwendung durch im Projekt priorisierte Zielgruppen erfasst. Dies geschah unter anderem via Interviews mit kantonalen Umwelt- und Energiefachstellen, mit Energiepolitikerinnen und Experten aus Energieverbänden. Darauf folgten jeweils Phasen der Ideenfindung im Team sowie Umsetzungen. Der aktuelle Prototyp stellt keinen Endstatus der Webanwendung dar, sondern wird in Zukunft durch die Integration von zusätzlichen Funktionalitäten und Indikatoren weiter angepasst.

a Siehe Uebernickel et al. (2015).