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«Der geplante Image­wandel führte zu langen Diskussionen»

Das Berner Familienunternehmen Blasercafé ist über 100 Jahre alt. Die Modernisierung der Firma geschah nicht ohne Konflikte zwischen den Generationen, wie Firmenchef Marc Käppeli ausführt. Wie gute Nachfolge aussieht, erklären die dritte und die vierte Generation im Gespräch.

«Der geplante Image­wandel führte zu langen Diskussionen»

Drei Generationen von Blasercafé (v. l.): Verwaltungsratspräsident Markus Blaser, Kommunikationsleiter Michael Blaser, HR-Chefin Bettina Blaser, Geschäftsführer Marc Käppeli und der KV-Lernende Felice Blaser im Degustationsraum des Unternehmens. (Bild: Keystone / Peter Schneider)
Gratulation! Blasercafé ist kürzlich vom Dachverband für Unternehmensnachfolge für langfristiges Schweizer Unternehmertum ausgezeichnet worden. Was macht Sie so erfolgreich?

Markus Blaser, 76 (Verwaltungsratspräsident): Das Hauptrezept heisst Motivation! Man soll die Nachkommen zu nichts zwingen. Der Einstieg ins Familienunternehmen muss eine freie Wahl sein. Gleichzeitig soll man die Nachkommen nicht vom Unternehmen fernhalten. Die Tür muss jederzeit offen bleiben.

Bettina Blaser, 41 (Leiterin HR, Tochter von Markus Blaser): Gegenseitiger Respekt ist zentral. Auch bei uns gibt es Konflikte. Man muss sie angehen und lösen.

Marc Käppeli, 51 (Geschäftsführer, Neffe von Markus Blaser): Ich kam zum Betriebswirtschaftsstudium aus dem Wallis nach Bern. Meine Mutter ist die Schwester von Markus Blaser. Bei den Mittagessen mit meinen Grosseltern hörte ich beeindruckende Firmengeschichten. Wenn ich einen Firmenwagen von Blasercafé sah, wusste ich: Da gehöre ich dazu. Das Interesse am Produkt und an der Firma wuchs ständig. Die Nachfolge ist dann das Ergebnis daraus.

Herr Blaser, Ihre beiden Kinder, Bettina und Michael – Letzterer ist ja beim Gespräch nicht dabei –, kamen über unterschiedliche Wege in die Geschäftsleitung von Blasercafé. Wie erlebten Sie dies?

Markus Blaser: Michael absolvierte zunächst die KV-Lehre im Unternehmen und machte die Handelsmatura. Alles schien für ihn aufgegleist, um bei Blasercafé einzusteigen. Es kam dann anders. Er hat auch eine künstlerische Ader und studierte Fotografie. Das war ein Schock für mich. Aber meine Frau gab mir zu verstehen, dass es wichtig sei, die Jungen voll zu unterstützen. Inzwischen lebt Michael seine künstlerische Ader im Familienunternehmen aus – als Leiter der Unternehmenskommunikation. Bei Bettina war der Einsatz von Beginn weg gross. Sie löste später die langjährige HR-Chefin ab.

Bettina Blaser: Ich bin mit der Firma aufgewachsen, sie ist ein Teil von mir. Ich begann die KV-Lehre hier und arbeitete auch vorher in den Ferien immer im Familienunternehmen. Um Abstand zu gewinnen, war ich dazwischen öfters in Brasilien – auch ein Kaffeeland. Jedoch arbeitete ich dort nicht für Blasercafé.

 

Früher hatten wir viel Druck. Das war nicht böse gemeint, aber die Firma war noch klein, und es brauchte von jedem Familienmitglied Unterstützung.

 

Herr Blaser, war bei Ihnen der Einstieg ins Familienunternehmen auch so freiwillig wie bei den jüngeren Generationen?

Markus Blaser: Nein. In meiner Generation war das anders. Wir hatten viel Druck. Das war nicht böse gemeint, aber die Firma war noch klein, und es brauchte von jedem Familienmitglied Unterstützung. Jetzt beschäftigen wir Mitarbeiter, die mehr als 20 bis 30 Jahre dabei sind. Das Wissen ist breit verteilt, und somit ist der Druck auf die einzelnen Familienmitglieder nicht mehr so gross, ins Unternehmen einsteigen zu müssen.

Herr Käppeli, Sie sind seit 1998 bei Blasercafé. Welche Stationen durchliefen Sie vorher?

Marc Käppeli: Nicht so viele. (lacht) Ich war beim Eintritt 27 Jahre alt. Markus, mein Onkel, fragte mich, ob ich mir ein Engagement bei Blasercafé vorstellen könne. Damals war mein Grossvater – also die zweite Generation – gesundheitlich stark angeschlagen. Deshalb kam der Wunsch auf, dass jemand aus der vierten Generation in die Firma einsteigt. Eigentlich wollte ich damals lieber reisen gehen. Aber das konnte ich dann auch mit Blasercafé umsetzen.

Markus Blaser: Obwohl mein Vater unverhofft krank wurde, konnte ich mit ihm über den Eintritt von Marc in die Firma sprechen. Mein Vater war damals Verwaltungsratspräsident und ich der Geschäftsführer. Als mein Vater starb, übernahm ich zusätzlich seine Funktion als Verwaltungsratspräsident. Mit meiner Pensionierung wurde dann Marc 2006 Firmenchef. Ich stehe seither nur noch dem Verwaltungsrat vor.

War Marc Käppeli also schon bei seinem Firmeneintritt 1998 als Geschäftsführer vorgesehen?

Marc Käppeli: Damals war vieles möglich. Über Nachfolge und Führung hatten wir damals noch nicht gesprochen. Ich übernahm nach einer Weile die Leitung der Rösterei. Bei diesem kundenorientierten Geschäft fand ich meine Berufung. Dass ich dann so schnell Geschäftsführer wurde, hatte verschiedene Gründe. Als Betriebswirt war ich in einer Sturm-und-Drang-Phase und wollte vieles ändern. Zudem stieg zu diesem Zeitpunkt unser bisheriger Direktor aus gesundheitlichen Gründen aus.

Markus Blasers Neffe, Marc Käppeli, wurde also Geschäftsführer, da die eigenen Nachkommen andere Interessen hatten.

Bettina Blaser: Ja, genau. Aber auch deshalb, weil Michael und ich zehn Jahre jünger sind als Marc. Wir waren 2006 noch nicht so weit. Als ich jung war, wollte ich vor allem eines: frei sein. Als alleinerziehende Mutter realisierte ich später, dass ich Verantwortung nicht scheue. So übernahm ich schliesslich die HR-Leitung. Blasercafé und Blaser Trading zählen insgesamt 110 Mitarbeitende. Um meine Stärken und Interessen zu entdecken, brauchte ich Zeit.

 

 

Der Phoenix Award bewertet auch die Innovationsfähigkeit des Unternehmens. Bringt jede Generation ihre eigenen Innovationen hervor?

Markus Blaser: Innovation ist ein ständiger Prozess. Mein Vater hat in den Fünfzigerjahren die erste vollautomatische Röstmaschine der Schweiz in Betrieb genommen. Unter meiner Leitung lancierten wir die erste vollautomatische Verpackungsmaschine und modernisierten die Röstmaschinen. Innovationen entstanden beispielsweise auch, nachdem ein Swissair-Einkäufer eine bessere Lösung für Kaffee im Flugzeug gesucht hatte. Diese sollte leicht sein und wenig Abfall produzieren. Ein Innovationsteam entwickelte daraufhin eine technische Erweiterung für Airline-Kaffeemaschinen, welche weltweit patentiert wurde. Auf diesen können spezielle Kaffee-Pillows von Blasercafé verwendet werden, welche leichter und umweltfreundlicher sind als die damals noch üblichen Blechdosen.

Marc Käppeli: Auf die Generation von Michael, Bettina und mich geht das Konzept «Rösterei Kaffee und Bar» zurück. Zuvor dominierte das Business-to-Business-Geschäft. Vor neun Jahren eröffneten wir an unserem Hauptsitz an der Güterstrasse in Bern das erste eigene Café. Wir wollten näher beim Konsumenten sein und Kaffee erlebbar machen. Dort kann man dem Röster und dem Barista über die Schultern schauen und direkt verschiedene Röstungen kaufen. Zwei Jahre später folgte in Bahnhofsnähe der zweite Gastrobetrieb. Bei Markus Blaser brauchte dieser Erweiterungsschritt jedoch viel Überzeugungsarbeit…

Markus Blaser: Ja, ich hatte grosse Bedenken. Ich fürchtete, dass wir unsere Grosskunden konkurrenzieren würden. Das Gegenteil ist jedoch der Fall. Der Wert, der im Produkt steckt, wird so sichtbar. Ich bin jetzt sogar das Familienmitglied, das am meisten Zeit in den Cafés verbringt und sich mit Kunden trifft. (lacht)

Wo sehen Sie die grössten Veränderungen, seit die vierte Generation am Steuer sitzt?

Marc Käppeli: Beim Imagewandel. Wir galten lange als traditioneller Kaffeeröster. Darüber hatten wir lange Diskussionen zwischen den Generationen geführt. Aber die Eröffnung unserer Rösterei Kaffee und Bar war nicht der einzige Imagewandel. Wir haben auch neue peppigere Kaffeeverpackungen geschaffen. Zudem haben wir mit der Einführung der Easy-Serving-Espresso-Pads eine nachhaltige Produktvariante ins Sortiment aufgenommen. Die Pads sind nach Gebrauch kompostierbar und kommen lose verpackt im Beutel ganz ohne Alu aus. Auch die Zeit hat uns geholfen. Produkte rund um den Kaffee geniessen heute dank dem anhaltenden Barista-Kult wieder viel mehr Wertschätzung.

Bereits arbeitet die fünfte Generation in Ihrer Firma. Frau Blaser, wie geht es Ihnen dabei, dass Ihr Sohn, der 17-jährige Felice Blaser, hier seine KV-Lehre macht?

Bettina Blaser: Ich hatte zu Beginn etwas Bedenken und hätte mir gewünscht, dass er Erfahrungen ausserhalb von Blasercafé sammelt. Das ist sehr wertvoll für eine längere Laufbahn beim Familienunternehmen. Aber er kann diese auch nach dem KV sammeln. Sorgen machte ich mir auch, weil ich selbst die KV-Lehre im Familienbetrieb machte. Ich wusste also, worauf sich Felice einliess: Der Druck ist etwas höher und die jugendliche Unbeschwertheit eingeschränkt. Denn Felice muss natürlich Vorbild für andere Lernende sein.

Das aktuelle Sorgenbarometer des Unternehmensberaters PWC zeigt: Der Fachkräftemangel ist die grösste Sorge der KMU. Teilen Sie diese Wahrnehmung?

Marc Käppeli: Nicht nur. Ein grosses Thema sind auch die Energiepreise und die Nachhaltigkeit. Die IG Kaffee Schweiz plant zusammen mit dem Staatssekretariat für Wirtschaft die Swiss Sustainable Coffee Initiative zu lancieren. Wir sind auch dabei und wollen Lösungsansätze innerhalb der Kaffee-Wertschöpfungskette beisteuern.

 

Die damalige Vormundschaftsbehörde wollte der Gründergattin Cécile Blaser die Leitung entziehen.

 

Wie sehen diese konkret aus?

Marc Käppeli: Wir beziehen den Rohkaffee teilweise aus Entwicklungsländern. Dort ist Nachhaltigkeit ein schwieriges Thema, weil ein Entwicklungsland die Prioritäten erst mal anders setzen muss. Für uns ist zentral, dass wir durch unsere Schwesterfirma, die Blaser Trading AG, direkt und ohne Umwege mit den Herkunftsländern unseres Rohstoffs verbunden sind. Unsere Einkäufer kennen die Plantagen und deren Besitzerinnen und Besitzer meist persönlich und können sich durch Besuche vor Ort ein eigenes Bild machen. Durch diesen persönlichen Kontakt werden auch immer wieder sehr sinnvolle und unterstützenswerte soziale Projekte an uns getragen, die wir dann nach Möglichkeit unterstützen.

Bettina Blaser: Der Fachkräftemangel ist nicht die grösste Herausforderung. Dennoch: In den über 20 Jahren im Familienunternehmen habe ich bisher nie erlebt, dass ich eine Stelle nicht unmittelbar besetzen konnte. Doch beim Werkstattleiter und auch beim technischen Betriebsleiter der Röstanlagen dauerte die Suche letztes Jahr so lange, dass der neue Mitarbeitende nicht mehr durch dessen Vorgänger ins Themengebiet eingeführt werden konnte.

Seit wann spüren Sie den Fachkräftemangel?

Bettina Blaser: Das Phänomen kennen wir seit rund fünf Jahren. Die Lage hat sich aber letztes Jahr zugespitzt. Allgemein bewerben sich auch weniger junge Menschen. Früher hatte ich 70 bis 100 Bewerbungen für eine KV-Stelle. Jetzt sind es höchstens 20.

Markus Blaser: Ich war ja auch lange Personalchef. Schon in den Achtzigern und Neunzigern gab es Jahre, wo sich Hunderte für eine Stelle bewarben, und Jahre, da kamen nur zwei oder gar keine Bewerbung für ein Inserat rein. Das sind einfach Schwankungen über die Jahre hinweg. Das ist nichts Neues.

War der Verkauf der Firma in der über 100-jährigen Geschichte jemals ein Thema?

Markus Blaser: Nein, in der zweiten und der dritten Generation nie. Es gab Probleme bei der ersten Generation. Der Gründer Walter Blaser ist früh, im Alter von 49, gestorben, und seine Frau Cécile übernahm die Rösterei in Bern. Die damalige Vormundschaftsbehörde wollte ihr die Leitung entziehen, weil sie der Meinung war, sie sei als gelernte Damenschneiderin der Aufgabe nicht gewachsen. Sie hatte jedoch einen starken Willen, und ihr Bruder, welcher Finanzchef bei der Chocolat Tobler in Bern war, half ihr. Mit seiner Unterstützung konnte Cécile die Leitung behalten.

Zitiervorschlag: Nicole Tesar (2023). «Der geplante Image­wandel führte zu langen Diskussionen». Die Volkswirtschaft, 14. April.

Familie Blaser

Markus Blaser (76) leitet in dritter Generation den Verwaltungsrat des Familienunternehmens Blasercafé. Seine Kinder Bettina Blaser (41, HR-Leiterin) und Michael Blaser (43, Leiter Unternehmens­kommuni­ka­tion) leiten zusammen mit Marc Käppeli (52, Geschäfts­füh­rer) das operative Geschäft bei Blasercafé. Felice Blaser (17), der Sohn von Bettina Blaser, absolviert das zweite Lehrjahr als Kaufmann beim Familienunternehmen. Blasercafé ist in den Geschäftsfeldern Kaffeerösterei und Rohkaffeehandel aktiv. Die Rösterei Kaffee und Bar, mittlerweile an drei Standorten in Bern vertreten, macht zudem das Kaffeeerlebnis auch Privatkunden zugänglich. Gegründet haben die Rösterei der Berner Walter Blaser und seine Frau Cécile 1922. Insgesamt zählt das Unternehmen 110 Mitarbeitende.