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Die 99 Prozent der Schweizer Wirtschaft

Um ganz genau zu sein: Der Anteil kleiner und mittlerer Unternehmen in der Schweiz beträgt 99,7 Prozent. Der Grossteil davon sind Mikrofirmen mit weniger als zehn Mitarbeitenden. Doch in einigen Branchen ist der KMU-Anteil seit Längerem rückläufig.
Neun von zehn Firmen in der Schweiz sind Mikrounternehmen mit weniger als zehn Beschäftigten. Eine Textildesignerin beim Bedrucken in ihrem Atelier. (Bild: Keystone)

249 Mitarbeitende und nicht mehr. So lautet die gängige Definition von kleinen und mittleren Unternehmen – kurz KMU. Beschäftigt ein Unternehmen mehr Personen, wird es den Grossunternehmen zugerechnet. Doch diese strikte Teilung verdeckt die Vielfalt. Es handelt sich bei den KMU nämlich keineswegs um eine homogene Gruppe. Sie umfasst mittelgrosse hoch spezialisierte und international tätige Industriefirmen ebenso wie den lokalen Coiffeursalon mit drei Mitarbeitenden. KMU werden deshalb weiter unterteilt in Mikrounternehmen (<10 Beschäftigte), Kleinunternehmen (10–49 Beschäftigte) und Mittelunternehmen (50–249 Beschäftigte).

Klein, aber zahlreich

In den Wirtschaftsnachrichten dominieren die Namen der Grossunternehmen. Doch tatsächlich sind die KMU viel zahlreicher. Gemäss der Statistik zur Schweizer Unternehmensstruktur (Statent) des Bundesamts für Statistik[1] machen sie 99,7 Prozent der über 600’000 Unternehmen in der Schweiz aus. Gleichzeitig beschäftigen diese rund zwei Drittel aller Erwerbstätigen, was etwa 3 Millionen Personen entspricht. Mit Abstand am zahlreichsten sind die Mikrounternehmen mit weniger als 10 Mitarbeitenden. Sie machen rund 90 Prozent der Firmen aus (siehe Abbildung 1).  Die Zahlen beinhalten nur die marktwirtschaftlichen Unternehmen[2] – Verwaltungseinheiten sind hier etwa nicht mitgezählt. Ansonsten wären die KMU-Anteile ein wenig tiefer.

Die Anteile von KMU sind seit 2011 – der Ersterhebung der Statent – relativ konstant. Allerdings: Während die Anzahl KMU und ihrer Beschäftigten von 2011 bis 2019 mit jährlichen Wachstumsraten von jeweils rund 1 Prozent stetig leicht zunahmen, kam es zwischen 2019 und 2020 – dem ersten Jahr der Corona-Pandemie – zum ersten Mal zu einem Rückgang: Die Anzahl KMU reduzierte sich im Vergleich zum Vorjahr um 0,2 Prozent und jene der KMU-Beschäftigten um 1,1 Prozent. Einzig die Mikrounternehmen verzeichneten auf Ebene der Beschäftigten ein leichtes Plus.

Abb. 1: Anteil Unternehmen (links) und Beschäftigte (rechts) nach Grössenklassen (2020)

Quelle: Bundesamt für Statistik (2022b) / Die Volkswirtschaft

 

Auch KMU spüren Strukturwandel

Ob Landwirtschaft, Industrie und Bau oder Dienstleistungen – Mikrounternehmen sind in jedem dieser Sektoren dominant.[3] In der Industrie machen sie 80 Prozent aus, bei den Dienstleistungen 90 Prozent und in der Landwirtschaft 98 Prozent.

Bei den Beschäftigtenanteilen von KMU zeigt sich der Trend zur Dienstleistungsgesellschaft: 2011 arbeiteten 68 Prozent aller KMU-Beschäftigten im Dienstleistungssektor, 2020 bereits 70 Prozent. Die absolute Anzahl KMU-Beschäftigter im Sektor wuchs hierbei um 9,8 Prozent. Getrieben wurde dieser Zuwachs vor allem durch die stark gestiegene Beschäftigtenzahl im Gesundheits- und Sozialwesen.

Demgegenüber betrugen die Rückgänge zwischen 2011 und 2020 von KMU in der Landwirtschaft 8,1 Prozent und im Industriesektor 1,7 Prozent. Im Industriesektor konnten einzig die Grossunternehmen die Beschäftigtenzahl zwischen 2011 und 2020 erhöhen (+3,7%). Aber auch dieser Zuwachs konnte die Beschäftigtenrückgänge von Industrie-KMU nicht vollständig kompensieren. Möglicherweise ist diese Verschiebung teils damit zu erklären, dass KMU durch Beschäftigtenzuwachs zu Grossunternehmen geworden sind. Oder dass es für KMU in der Industrie schwieriger geworden ist, im internationalen Umfeld zu bestehen – unter anderem aufgrund des Frankenschocks 2015.

Doch eine generelle Interpretation für den Industriesektor ist nur bedingt möglich. Zu unterschiedlich sind die Strukturen und Marktdynamiken der einzelnen Branchen des Sektors. So unterscheidet sich etwa die durchschnittliche Unternehmensgrösse je nach Branche deutlich (siehe Abbildung 2). Unternehmen aus der Pharmabranche haben weit überdurchschnittlich viele Beschäftigte. Sie beschäftigen im Schnitt fast 160 Mitarbeitende. Nur in der Tabakverarbeitung arbeiten mit durchschnittlich 340 Beschäftigten mehr Personen pro Unternehmen. Der KMU-Anteil ist in diesen Branchen im Quervergleich denn auch am geringsten. Nichtsdestotrotz beträgt der Anteil auch hier über 90 Prozent. Manche Branchen abseits des Industriesektors, wie etwa die Forstwirtschaft oder das Veterinärwesen, weisen gar einen KMU-Anteil von 100 Prozent auf, was bedeutet, dass es in diesen Branchen gar keine (marktwirtschaftlichen) Grossunternehmen gibt.

Abb. 2: Durchschnittliche Anzahl Beschäftigter je Unternehmen nach Branche (2020)

Quelle: Bundesamt für Statistik (2022b) / Die Volkswirtschaft

 

KMU-Anteil anderswo höher

Oftmals ist vom KMU-Land Schweiz die Rede. Doch ist der hohe KMU-Anteil eine Schweizer Besonderheit? Mittels Strukturdaten von Eurostat[4] lassen sich europäische Länder mit der Schweiz vergleichen. In Frankreich und Deutschland beispielsweise arbeiten mit jeweils über 40 Prozent vergleichsweise viele Beschäftigte in Grossunternehmen, in der Schweiz ist es nur ein Drittel. Deutlich tiefer ist der Anteil Beschäftigter in Grossunternehmen allerdings in Griechenland. Dort beträgt er weniger als 20 Prozent. Zugleich arbeiten in Griechenland über 40 Prozent der Beschäftigten in Mikrounternehmen. In der Schweiz beträgt dieser Anteil nur rund 26 Prozent. Das hängt auch damit zusammen, dass in Griechenland anteilsmässig deutlich mehr Personen als in der Schweiz als selbstständig erwerbend erfasst sind.[5]

Der hohe KMU-Anteil der Schweizer Gesamtwirtschaft wird in den kommenden Jahren weiterhin eine Konstante darstellen. Dies soll jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Wettbewerbsdruck vermutlich weiter steigen wird. Dieser Druck wird allerdings nicht nur von Grossunternehmen ausgehen, sondern ebenso von agilen und findigen KMU.

  1. Siehe Bundesamt für Statistik (2022a & 2022b). []
  2. Laut dem Bundesamt für Statistik gelten sowohl private als auch öffentliche Unternehmen als marktwirtschaftlich, wenn sie ihre Produkte und Dienstleistungen zu mehrheitlich kostendeckenden Preisen anbieten. Als nicht marktwirtschaftliche Unternehmen gelten etwa Verwaltungseinheiten oder Non-Profit-Organisation. []
  3. Siehe dazu auch die allgemeine Systematik der Wirtschaftszweige (Noga) als Branchenklassifikation, welche die Einteilung der einzelnen Branchen in die Sektoren zeigt. []
  4. Siehe Eurostat (2022). []
  5. Siehe OECD (2022). []

Literaturverzeichnis

Bibliographie

Zitiervorschlag: Alexander Fust, Alexander Graf (2023). Die 99 Prozent der Schweizer Wirtschaft. Die Volkswirtschaft, 17. April.