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Die OECD und der digitale Wandel der KMU

Trotz des steten Aufwärtstrends im letzten Jahrzehnt bleibt der Digitalisierungsgrad von KMU weit hinter dem von Grossunternehmen zurück. Die OECD hat deshalb eine globale Initiative gestartet, um die Regierungen bei der Förderung des digitalen Wandels in KMU zu unterstützen.

Die OECD und der digitale Wandel der KMU

In den OECD-Ländern setzen KMU weniger oft auf Cloud-Computing-Tools als Grossunternehmen. (Bild: Keystone)

Die Digitalisierung von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) ist zentral beim Aufbau inklusiver und widerstandsfähiger Volkswirtschaften und Gesellschaften. Denn der digitale Wandel kann sich positiv auf die Produktivität, das Expansionstempo, die Innovationsfähigkeit und das Wachstum eines Unternehmens auswirken. Diese Faktoren beeinflussen wiederum das globale Wirtschaftswachstum. Und sie befähigen die KMU, die begrenzt verfügbaren Ressourcen besser zu nutzen und so den Übergang zu einer nachhaltigeren Wirtschaft mitzugestalten.

Allerdings: In den Mitgliedsstaaten der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) liegt etwa der Anteil der Kleinunternehmen, die IT-Dienstleistungen aus der Cloud nutzen, 35 Prozentpunkte tiefer als bei den Grossunternehmen. Und auch die mittleren Unternehmen hinken hinterher: Während 2021 nur 41 Prozent der Kleinunternehmen und 58 Prozent der Mittelunternehmen Cloud-Dienstleistungen einkauften, waren es bei den Grossunternehmen 76 Prozent (siehe Abbildung).

Welche anderen Gründe als die Unternehmensgrösse gibt es, dass die KMU einen derartigen Rückstand auf die Grossunternehmen aufgebaut haben? Und was können die Regierungen tun, um die KMU in ihrem Aufholprozess zu unterstützen?

Erwerb von Cloud-Dienstleistungen durch europäische Unternehmen (2021)

Anmerkung: Die Daten für die Schweiz sind von 2019 und basieren auf einer anderen statistischen Methode.
Quelle: OECD / Die Volkswirtschaft

 

Ein «perfekter Sturm» bremst die Digitalisierung

Während der Corona-Pandemie haben die KMU die Nutzung digitaler Tools erheblich ausgeweitet. Die Betriebe bedienten sich dieser Instrumente, um auf die «Social Distancing»-Massnahmen zu reagieren und sich auf eine sich schnell verändernde Nachfrage einzustellen. In diesem Bereich spielten gezielte politische Massnahmen[1] eine wichtige Rolle. So etwa die Unterstützung der KMU bei der Implementierung von Telearbeit und E-Commerce sowie die verstärkte Zusammenarbeit staatlicher und privater Akteure. Sie halfen den KMU dabei, sich auf die digitalen Tools einzustellen und diese zu nutzen, um sich über Wasser zu halten.

Doch trotz dieser Digitalisierungsfortschritte sind viele Unternehmen weiterhin anfällig und haben sich noch immer nicht vollständig von den wirtschaftlichen Folgen der Pandemie erholt. Hinzu kommt, dass die KMU aktuell einem «perfekten Sturm» ausgesetzt sind: steigende Energiekosten, hohe Inflation, restriktive Geldpolitik der Zentralbanken, eine Störung der globalen Lieferketten und die Zuspitzung der politischen Lage durch den Krieg in der Ukraine.

Auf dem Weg zur Digitalisierung gibt es zudem zahlreiche strukturelle Hindernisse zu überwinden. So etwa die unzureichende Information und Sensibilisierung bezüglich Lücken bei den digitalen Kompetenzen sowie des Kapitalmangels, der die Finanzierung des digitalen Wandels behindert. Zudem müssen sich Kleinunternehmen verschiedenen weiteren Schwierigkeiten stellen: den sich schnell ändernden rechtlichen Rahmenbedingungen, dem Umgang mit digitalen Sicherheits- und Datenschutzproblemen sowie dem mitunter schwierigen Zugang zu einer hochwertigen und erschwinglichen Breitbandinfrastruktur.

Gezielte politische Unterstützung

Zur Bewältigung dieser Schwierigkeiten haben die OECD-Mitgliedsstaaten gezielte politische Massnahmen und verschiedene operative Tools entwickelt. Sie sollen die KMU bei ihrem digitalen Wandel unterstützen – und zwar unter Berücksichtigung der Unterschiedlichkeit der Unternehmen und Branchen. Die Massnahmen betreffen unter anderem den E-Commerce und die Exportstrategien von KMU, die Ausbildung in digitalen Kompetenzen, die Konnektivität der lokalen Ökosysteme und den Einsatz der digitalen Technologien für mehr Nachhaltigkeit.

Aus Sicht der OECD ist auch die Stärkung der digitalen Infrastruktur wichtig – etwa die Förderung angemessener Praktiken der digitalen Sicherheit und des Datenschutzes in KMU. In Deutschland versucht beispielsweise die Transferstelle IT-Sicherheit im Mittelstand das Bewusstsein von KMU zu schärfen und gleichzeitig den Wissens- und Technologietransfer im Bereich der IT-Sicherheit zu fördern. Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang auch Australien. Das Land hat 1,67 Milliarden australische Dollar in seine Cybersicherheitsstrategie 2020 investiert, um KMU bei der Abwehr von Cyberbedrohungen zu unterstützen.

Die OECD-Initiative «Digital for SMEs»

Initiativen des Privatsektors, insbesondere in Zusammenarbeit mit öffentlichen Einrichtungen, Forschungszentren und Universitäten, sind ebenfalls wichtig, um den digitalen Wandel von KMU zu ermöglichen und zu unterstützen. Hauptmotor des Wandels sind indes die Ökosysteme der KMU, die aus Grossunternehmen, Industrie- und Branchenverbänden sowie den KMU selbst bestehen. Diese Ökosysteme treiben innerhalb ihrer Netzwerke die Digitalisierung voran, während spezialisierte KMU und Start-ups direkt andere Klein- und Mittelunternehmen unterstützen.

2019 rief das Centre for Entrepreneurship, SMEs, Regions and Cities der OECD die globale Initiative «Digital for SMEs» (D4SME) ins Leben. Das Projekt ist eine Zusammenarbeit mit dem Beratenden Ausschuss der Wirtschaft bei der OECD (Business at OECD), der als Koordinationsstelle zwischen den 55 wichtigsten nationalen Berufsverbänden der OECD-Mitgliedsstaaten und der OECD fungiert. D4SME dient als wertvolles Forum für den Dialog zwischen unterschiedlichen Akteuren: Regierungen von OECD-Mitgliedsstaaten, Grossunternehmen, Akademiker, internationale Experten und die KMU selbst können im Rahmen der Initiative effizient zusammenarbeiten, um KMU bei der gewinnbringenden Nutzung der Digitalisierung zu unterstützen.

Die D4SME-Initiative wurde 2018 bei der KMU-Ministerkonferenz der OECD in Mexiko-Stadt als Reaktion auf einen Aufruf der Ministerinnen und Minister lanciert, den Regierungen bei der Unterstützung ihrer KMU zu helfen. Gemäss Aufruf[2] sollten die KMU in die Lage versetzt werden, durch geeignete Bedingungen für den Einsatz und die Verbreitung innovativer und digitaler Technologien seitens der KMU und durch Investitionen in komplementäre Güter in den Bereichen digitales Wissen und digitale Sicherheit den grössten Nutzen aus dem digitalen Wandel zu ziehen. Zu diesem Zweck sollte, so der Aufruf, der Dialog zwischen den verschiedenen Beteiligten über wirksame politische Massnahmen zur Unterstützung der Entwicklung, des Wachstums und der Wettbewerbsfähigkeit von KMU in einer globalen, digitalisierten Wirtschaft fortgesetzt werden. Die Initiative fügt sich in das Arbeitsprogramm des OECD-Ausschusses über KMU und Unternehmertum (Committee on SMEs and Entrepreneurship, CSMEE) ein, dessen Vorsitz aktuell Martin Godel, Leiter Ressort KMU-Politik beim Seco inne hat. Im Ausschuss arbeiten die Vertreterinnen und Vertreter aller OECD-Regierungen daran, die Festlegung und die Umsetzung politischer Massnahmen betreffend KMU und Unternehmertum auf Grundlage belastbarer Daten zu unterstützen.

Die D4SME-Initiative stützt sich auf drei Säulen. Die erste Säule mit der Bezeichnung «Analytische Forschung» (Analytical Research) umfasst verschiedene internationale Untersuchungen. Sie werden von Projektpartnern aus dem Privatsektor durchgeführt, um Wissenslücken zu schliessen, die bezüglich der Chancen, Herausforderungen und Politikansätze im Zusammenhang mit der Digitalisierung der KMU bestehen. 2022 wurde beispielsweise eine Studie in sechs OECD-Mitgliedsstaaten über den «Hybridhandel»[3] auf den Weg gebracht.

Im Rahmen der zweiten Säule «Erfahrungen von KMU» (SME Experiences) ist eine Datenbank mit Fallstudien zur Digitalisierung in KMU entstanden. Ihr Ziel ist es, die verschiedenen Wege sowie die Erfolgsfaktoren, die Herausforderungen und die Bedeutung öffentlicher und privater Förderprogramme für den digitalen Wandel zu veranschaulichen. Der Fokus der dritten Säule «Netzwerk und politischer Dialog» (Network and Policy Dialogue) liegt schliesslich darauf, den internationalen Dialog zwischen den Regierungen der OECD-Mitgliedsstaaten, den Grossunternehmen, Berufsverbänden, KMU und Experten im Sinne eines Erfahrungsaustauschs über bewährte politische Verfahren zu fördern.

Die D4SME-Initiative konzentriert sich primär auf die verschiedenen Chancen, die sich den KMU und «traditionellen» Unternehmern bieten, sowie auf deren Bedürfnisse. Solche Unternehmen, die nicht der Informations- und Kommunikationstechnologie angehören, wissen wenig über digitale Tools oder setzen solche nur sehr spärlich ein. Dabei könnten ihnen die Technologien helfen, ihre Geschäftsziele leichter zu erreichen. Diese Firmen, die innerhalb der OECD einen erheblichen Teil der Wertschöpfung generieren und sehr viele Arbeitsplätze schaffen, sind für einen wirksamen, inklusiven und nachhaltigen digitalen Wandel in der Gesamtwirtschaft unverzichtbar.

Die KMU können digitale Tools nutzen, um Krisen besser zu überwinden und in einem volatilen Geschäftsumfeld zu florieren. Sie spielen eine wichtige Rolle bei der Bewältigung der gesellschaftlichen und ökologischen Herausforderungen unserer Zeit. Deshalb werden die Ergebnisse der D4SME-Initiative im Juni 2023 einfliessen in die CSMEE-Ministerkonferenz mit dem Titel «Umgang mit Schocks und Übergängen – Politikansätze für die Zukunft der KMU und des Unternehmertums» und insbesondere in die Plenarsitzung über die «Förderung des Beitrags der KMU und Unternehmer zum grünen und digitalen Wandel» (Fostering the Contribution of SMEs and Entrepreneurs to the Green and Digital Transitions). Für die KMU rund um den Globus markiert diese Konferenz einen Schlüsselmoment, um Wege in die digitale Zukunft zu finden.

  1. Weitere Informationen finden Sie auf der Website der OECD[]
  2. Siehe OECD (2018). Declaration on Strengthening SMEs and Entrepreneurship for Productivity and Inclusive Growth[]
  3. Die Veröffentlichung der Ergebnisse ist bis Ende April im Rahmen des Dokuments «SMEs in the Era of Hybrid Retail: Evidence from an OECD D4SME Survey» geplant, das auf der OECD-Website veröffentlicht wird. []

Zitiervorschlag: Marco Bianchini (2023). Die OECD und der digitale Wandel der KMU. Die Volkswirtschaft, 18. April.