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Verpasste Nachfolgen schwächen DNA der Wirtschaft

Giacomo Garaventa, Präsident Schweizer Dachverband für Unternehmensnachfolge (CHDU) sowie Inhaber von Nachfolger.ch, Brunnen

Standpunkt

Rund 93’000 Schweizer KMU-Inhaber müssen sich in den nächsten fünf Jahren mit ihrer Nachfolge beschäftigen. Das sind rund 15 Prozent aller Unternehmen in der Schweiz. Der Druck, einen Nachfolger zu finden, ist hoch; denn klappt es nicht, hat das einen Verlust von Arbeitsplätzen, Know-how sowie Wirtschafts- und Innovationskraft zur Folge.

Dies gilt insbesondere für Randregionen, denn dort sind die Auswirkungen ungelöster KMU-Nachfolgen überproportional grösser als in den Wirtschaftszentren. Der Grund: Arbeitsplätze in der Peripherie sind rar! Nebst Arbeitsplätzen stehen aber auch unternehmerische Werte, traditionelles Handwerk, eine regional vernetzte Zusammenarbeit und Basiswissen auf dem Spiel. Der regionale Abzug von Arbeitskräften, die Überalterung der Randregionen und eine abnehmende wirtschaftliche Vielfalt sind die Konsequenzen. Kurz gesagt: Jede verpasste Nachfolgeregelung schwächt die DNA der Schweizer Wirtschaft.

Seit den 1990er-Jahren haben sich die Unternehmensgründungen in der Schweiz mehr als verdoppelt. Das zeigt ein Blick auf die CHDU-Nachfolgekarte 2022 der letzten 100 Jahre. Seit 1922 hat sich die Zahl der Unternehmen sogar verachteinhalbfacht, von knapp 80’000 auf heute rund 680’000.

 

Gleichzeitig mit dem Gründungsboom entwickelte sich die Schweiz zu einem ‹Monaco in den Bergen›.

 

Zu den wesentlichen Ursachen für den sprunghaften Anstieg der Gründungszahlen gehören die Globalisierung, die Digitalisierung und die vereinfachte Unternehmensgründung durch die Revision des GmbH-Rechts im Jahr 2008. Das günstige Umfeld hat viele Babyboomer der Jahrgänge 1946 bis 1964 motiviert, eine Firma zu gründen. In der Zwischenzeit ist ein Grossteil dieser Unternehmer im Pensionsalter. Trotzdem sind viele weiterhin mit Leidenschaft dabei, arbeiten oft über das Pensionsalter hinaus und vernachlässigen leider die rechtzeitige Regelung der Unternehmensnachfolge.

Gleichzeitig mit dem Gründungsboom entwickelte sich die Schweiz aber auch zu einem «Monaco in den Bergen»: ins Ausland ausgelagerte Produktion, im Inland überhöhte Immobilienpreise und eine Akademikerschwemme, da viele junge Menschen ein Studium einer Lehre vorziehen.

Doch für eine erfolgreiche Schweizer Wirtschaft müssen wir uns auch um den Erhalt der inländischen Produktion und der technischen Entwicklung kümmern. Hochschulen und handwerkliche Lehrausbildungen müssen gleichwertig nebeneinander rangieren, damit auch das inländische Gewerbe Nachfolger mit Know-how findet. Es braucht einen Nachfolgefonds für die Bergkantone. Zonenpläne müssen agiler werden betreffend Umnutzung. Vor allem aber braucht es einen ebenso stabilen wie einfachen Nachfolgeprozess. Nur so können wir die Vielfalt und die Einzigartigkeit der Schweizer KMU gemeinsam erhalten.

Genau dafür engagiert sich der Schweizer Dachverband für Unternehmensnachfolge (CHDU) in Profession, Praxis, Politik und Forschung mit Aus- und Weiterbildungen sowie Informations- und Vernetzungsangeboten für Unternehmenskäufer und -verkäufer und für Beratende im Bereich der Unternehmensnachfolge.

Zitiervorschlag: Giacomo Garaventa (2023). Standpunkt: Verpasste Nachfolgen schwächen DNA der Wirtschaft. Die Volkswirtschaft, 18. April.