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Kein Annahmezwang für Bargeld

Ein Postulat fordert, die Annahme von Bargeld in der Schweiz sicherzustellen. Der Bundesrat sieht vorerst keinen Handlungsbedarf.
Kassiererin in Ingebohl SZ: Die Bargeldnutzung in der Schweiz ist nach wie vor hoch. (Bild: Keystone)

Muss der Staat sicherstellen, dass in der Schweiz in allen Geschäften und Dienstleistungsbetrieben bar bezahlt werden kann? In anderen Ländern wie etwa in Schweden wird es nämlich immer schwieriger, mit Bargeld zu bezahlen. Diese Sorge war der Anlass für ein Postulat der SP-Nationalrätin Prisca Birrer-Heimo. Darin beauftragte das Parlament den Bundesrat, aufzuzeigen, wie die breite Akzeptanz von Bargeld in Zukunft sichergestellt werden kann. Mit dem Bericht «Die Akzeptanz von Bargeld in der Schweiz» hat der Bundesrat darauf geantwortet.

Bargeld in der Schweiz beliebt

Die aktuellen Zahlen zeigen: Bargeld hat in der Schweiz nach wie vor eine hohe Bedeutung. Im internationalen Vergleich zählt die Schweiz bei der Bargeldnutzung klar zur Spitzengruppe (siehe Abbildung). Der Umlauf von Banknoten und Münzen liegt gemessen am Bruttoinlandprodukt (BIP) bei rund 11 Prozent (Jahr 2022), das entspricht rund 85 Milliarden Franken. Signifikant höher ist der Anteil nur in Japan.

Doch damit nicht genug: Die Bargeldmenge hat in den vergangenen 15 Jahren sogar zugenommen. Die erhöhte Nachfrage nach Bargeld war insbesondere darauf zurückzuführen, dass es in den Jahren nach der Finanzkrise vermehrt zur Wertaufbewahrung benutzt wurde. Denn: Das über viele Jahre andauernde Tiefzinsumfeld hat die Opportunitätskosten der Bargeldhaltung gegenüber verzinslichen Wertanlagen reduziert. Allerdings hat sich diesbezüglich seit 2022 das Bild im Zuge steigender Inflation und Zinsen wieder verändert, was sich entsprechend in einem Rückgang der Bargeldmenge manifestiert.

Anteil Bargeld am Bruttoinlandprodukt (1990–2022)

Quelle: Refinitiv Eikon, eigene Berechnungen der Autoren / Die Volkswirtschaft

 

Digitale Zahlungsmittel werden attraktiver

Doch trotz des aktuell noch hohen Stellenwerts des Bargelds: Verschiedene Zahlungsmittelumfragen[1] belegen, dass Bargeld auch in der Schweiz als Zahlungsmittel gegenüber Debit- und Kreditkarten oder Bezahl-Apps tendenziell an Bedeutung verliert. Zwar ist Bargeld für alltägliche Ausgaben, wie Lebensmittel, Kleider, Restaurantbesuche oder Freizeitaktivitäten, noch immer das meistgenutzte Zahlungsmittel, sein Vorsprung gegenüber digitalen Bezahlformen hat sich jedoch verringert.

Aus der Zahlungsmittelumfrage der SNB für das Jahr 2020 geht hervor, dass der Anteil der alltäglichen Zahlungen, die mit Bargeld beglichen wurden, von 70 Prozent (2017) auf 43 Prozent (2020) gesunken ist. Die entsprechenden Anteile von Debit- und Kreditkartenzahlungen haben sich derweil auf 33 Prozent (2017: 22%) bzw. 13 Prozent (2017: 5%) erhöht. Und auch Bezahl-Apps wie etwa Twint konnten ihren Nutzungsanteil von praktisch 0 Prozent im Jahr 2017 auf nunmehr 5 Prozent deutlich steigern. Der Hauptgrund für diese Entwicklung ist, dass bargeldlose Zahlungsmittel benutzerfreundlicher und schneller sind (etwa Zahlkarten mit Kontaktlosfunktion). Die Corona-Pandemie hat durch den vermehrten Einsatz von kontaktlosen Bezahlformen diese Veränderungen beschleunigt.

Bargeld ist gesamtwirtschaftlich wichtig

Dass viele Personen dennoch lieber Bargeld nutzen, kann mehrere Gründe haben. Zum Beispiel, wenn jemand ein Bedürfnis nach physischem Geld hat oder keine digitalen Informationen über sich und sein Kaufverhalten preisgeben möchte. Denn Bargeld schützt die finanzielle Privatsphäre, weil es keine Datenspuren hinterlässt.

Darüber hinaus erfüllen Noten und Münzen auch Funktionen für Wirtschaft und Gesellschaft, die bargeldlose Zahlungsmittel bislang nicht vollständig ersetzen können. So ermöglicht heute nur Bares der Allgemeinheit den Zugang zu Zentralbankgeld. Das ist wichtig für das Vertrauen in das private Bankenbuchgeld und somit für das Funktionieren des Geldsystems. Denn privates Bankenbuchgeld unterliegt dem Schuldnerrisiko, das heisst, es ist im Konkursfall der Bank nur bis zum Maximalbetrag der Einlagensicherung (100’000 Franken) versichert und erhält das Vertrauen der Öffentlichkeit daher erst durch seine Konvertierbarkeit in Zentralbankgeld. Auf diese Weise stellt Zentralbankgeld einen monetären Anker für das Geldsystem dar. Ausserdem stärkt Bargeld die Krisenresilienz, weil es eine Überbrückungsfunktion erfüllt, falls es zu Ausfällen der elektronischen Zahlungssysteme kommt. Und: Bargeld ermöglicht Personen ohne Bankkonto und ohne Zugang zu bargeldlosen Zahlungsmitteln wie auch jenen, die digitales Geld nicht benutzen wollen, die Teilhabe am Wirtschafts- und Sozialleben (finanzielle Inklusion).

Aus all diesen Gründen wäre ein weitgehendes Verschwinden von Bargeld mit gesamtwirtschaftlichen und gesellschaftlichen Nachteilen verbunden und sollte vermieden werden – zumindest so lange, wie keine gleichwertige bargeldlose Alternative zur Verfügung steht. Eine solche könnte in Zukunft beispielsweise für die Allgemeinheit verfügbares digitales Zentralbankgeld (Central Bank Digital Currency, CBDC) darstellen. Viele Zentralbanken, darunter auch die SNB, prüfen zurzeit solche Konzepte; allerdings ist eine Umsetzung auf breiter Front noch nicht in Sicht.

Drohende Negativspirale

Die aktuelle Tendenz zu weniger Bargeldzahlungen ist deshalb nicht unproblematisch. Denn: Bargeldzugang, Bargeldnutzung und Bargeldakzeptanz beeinflussen sich gegenseitig und können einen sich selbst verstärkenden Prozess in Gang setzen. Wenn beispielsweise als Folge einer verringerten Bargeldnutzung die Banken das Automatennetz ausdünnen, wird der Zugang zu Bargeld erschwert. Zudem sinkt die Bargeldakzeptanz, wenn sich Geschäfte und Dienstleistungsbetriebe vermehrt auf bargeldlose Bezahlformen der Kundschaft ausrichten und Barzahlungen zunehmend einschränken. Die Kunden wiederum merken, dass sie Bargeld immer weniger verwenden können, und nutzen deshalb vermehrt bargeldlose Zahlungsmittel, wodurch die Bargeldnutzung weiter abnimmt, und so weiter…

Solche negativen Spiralen konnten insbesondere in Schweden, aber auch in den Niederlanden und in Grossbritannien beobachtet werden und haben dort wesentlich zur schwindenden Rolle des Bargelds beigetragen. In den betroffenen Ländern haben die staatlichen Behörden deshalb teilweise Massnahmen ergriffen, um die Entwicklung hin zu einer weitgehend bargeldlosen Gesellschaft zu bremsen. Ein Beispiel dafür ist etwa ein gesetzliches Mindestangebot an Bargelddienstleistungen, wie es seit 2022 in Schweden gilt.[2]

In der Schweiz ist eine solche Negativspirale bislang nicht festzustellen. Gemäss Umfragen ist die Bevölkerung mit der Abdeckung von Bargeldbezugsstellen grundsätzlich zufrieden.[3] Einschränkungen der Bargeldakzeptanz sind, trotz einer gewissen Zunahme in den letzten Jahren, noch eher selten und punktuell.

Bargeldannahmezwang zu einschneidend

Das Postulat von Prisca Birrer-Heimo schlägt als Massnahme zur Stärkung der Bargeldakzeptanz vor, die bereits bestehende gesetzliche Annahmepflicht von dispositivem in zwingendes Recht umzuwandeln. Was ist damit gemeint? In Artikel 3 des Bundesgesetzes über die Währung und die Zahlungsmittel (WZG) ist festgelegt, dass Umlaufmünzen bis zu 100 Stück und Banknoten in unbeschränkter Zahl anzunehmen sind. Allerdings stellt diese Verpflichtung sogenanntes dispositives Recht dar. Das bedeutet, die Annahmepflicht gilt nur dann, wenn die Vertragsparteien nichts anderes vereinbart haben. Ein sichtbarer Hinweis beim Geschäftseingang mit dem Vermerk «Nur bargeldlose Zahlungen akzeptiert» bewirkt bereits, dass die Annahmepflicht wegbedungen ist.

Dem wollte das Postulat einen Riegel schieben, indem das dispositive Recht in zwingendes Recht umgewandelt werden soll. Durch eine solche zwingende Bargeldannahmepflicht würde quasi ein Recht auf Barzahlung verankert und ausgeschlossen, dass private Firmen oder Anbieter von öffentlichen Leistungen im Rahmen ihrer Vertragsfreiheit Barzahlungen ausschliessen können.

Gestützt auf die Analyse im Bericht, ist für den Bundesrat eine zwingende Annahmepflicht derzeit jedoch weder angemessen noch notwendig. Zu stark wäre der Eingriff in die Vertragsfreiheit und in das Grundrecht der Wirtschaftsfreiheit. Zudem könnte eine zwingende Verpflichtung unter Umständen hohe Kosten für einzelne Wirtschaftsakteure verursachen und zu Wettbewerbsverzerrungen zwischen Unternehmen führen. Ausserdem besteht zurzeit keine Notwendigkeit für einen solchen Eingriff, auch weil die Bargeldnutzung in der Schweiz nach wie vor hoch ist, die Bevölkerung mit dem Bargeldzugang grundsätzlich zufrieden und die Bargeldakzeptanz gut gewährleistet ist. Der Bundesrat ist der Ansicht, dass die Wahl der Zahlungsmittel grundsätzlich den privaten Haushalten und Unternehmen überlassen sein soll.

Entwicklungen beobachten

Gleichwohl: Aufgrund der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Funktionen des Bargelds will der Bundesrat die weiteren Entwicklungen im Bargeldbereich aufmerksam beobachten. So kann er rechtzeitig einen allfälligen Handlungsbedarf erkennen und geeignete, im Vergleich zur zwingenden Annahmepflicht weniger einschneidende Massnahmen ergreifen.

Aus diesem Grund hat der Bundesrat das Eidgenössische Finanzdepartement (EFD) beauftragt, in regelmässigen Abständen über die Entwicklung des Bargeldzugangs, der Bargeldakzeptanz und der Bargeldverwendung zu informieren und allenfalls Handlungsoptionen aufzuzeigen. Dazu gehört auch die laufende Berichterstattung über Innovationen im Bereich alternativer Zahlungsmittel, unter anderem solcher, die Bargeld ersetzen könnten. Des Weiteren erteilte er dem EFD den Auftrag, einen runden Tisch mit den am Bargeldverkehr beteiligten Akteuren – SNB, Bund, Banken, Post, Detailhandel, Dienstleistungsanbieter, Verbraucherverbände – zu etablieren.

  1. Siehe unter anderem SNB (2021) sowie Graf et al. (2023). Zu letztgenannter Publikation siehe auch den Artikel von Graf, Heim, Stadelmann und Trütsch in diesem Schwerpunkt. []
  2. Eine Zusammenfassung von in verschiedenen Ländern ergriffenen Massnahmen findet sich im Bericht des Bundesrates auf Seite 23ff. []
  3. Siehe SNB (2021). []

Literaturverzeichnis

Bibliographie

Zitiervorschlag: Frank Schmidbauer, Margit Himmel, Martin Baur (2023). Kein Annahmezwang für Bargeld. Die Volkswirtschaft, 15. Mai.