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Nur Bares hat Bestand

Dr. h.c. Beat Kappeler, Ökonom, Kommentator und Buchautor, Hinterkappelen

Standpunkt

Geld galt viel, als vermutlich König Krösus im 6. Jahrhundert vor unserer Zeit erstmals Goldstücke prägte, mit Siegelzeichen versah und es selbst im Staate als Zahlungsmittel annahm. Zweieinhalbtausend Jahre später geht die EU plötzlich gegen ihr eigenes Bargeld vor. Niemand darf mehr als 10’000 Euro über eine Grenze führen, niemand darf mehr als so viel zu Barzahlungen verwenden, und die 500-Euro-Note wird nicht mehr ausgegeben. Schweizer Behörden leisten Schützenhilfe, seit 2009 sollen auch ausreisende Schweizer Einwohner an der Grenze Beträge über 10’000 rechtfertigen und ihre Identität registrieren lassen.

Begründet wird dies mit Sicherheit und dem Kampf gegen Kriminalität, Steuerflucht, Geldwäsche. Dass dabei die rechtsstaatliche Unschuldsvermutung umgekehrt wird, die Bürger unter Generalverdacht stehen und die Beweislast haben, hat kaum noch Aufsehen verursacht.

 

Die Möglichkeit der Flucht ins Bargeld ist ein Dorn in den Augen der Zentralbanken und Finanzmarktbehörden.

 

Soeben liefen mehrere «Bank-Runs» auf Kundengelder in den USA und einer bei der CS in der Schweiz ab. Das Banksystem, das Kredite über die vorhandenen Einlagen hinaus erteilt, schafft Buchgeld, ist ein Teilreservensystem. Bei kleinsten Ängsten will daher das Publikum Bargeld, also Notenbankgeld, das nur teils vorhanden ist. Diese Möglichkeit der Flucht ins Bargeld ist ein Dorn in den Augen der Notenbanken und Finanzmarktbehörden. Das Teilreservensystem ist als Ganzes ein Systemrisiko, das Bargeld ist sein Herausforderer.

Pläne der Notenbanken für digitales Geld haben damit zu tun. Gelingt es, dem Publikum das Bargeld zu entwinden, bleiben die Teilreservebanken der einzige Hort für Guthaben, nicht für Bares. Digitale Konten aber können bequem besteuert, amputiert werden – des Bürgers Geld ist in der Hand des Staates, der Politiker, der Notenbank, gerade wenn sie sich verrannt haben mit der Geldpresse. Das Bargeld kann unterdrückt werden, indem eine Gebühr verlangt wird, von der Notenbank, dann überwälzt durch die Banken auf die Kunden, wenn sie es beziehen und es wieder ins Banksystem zurückbringen. Oder man folgt dem Vorschlag des Internationalen Währungsfonds für digitales Geld als Prinzip. Dagegen würden die Notenbanken Notengeld abwerten, also nur zu unter 100 Prozent zurücknehmen. Auch dies stellt alles auf den Kopf – Buchgeld auf Teilreservebanken würde attraktiver als Bargeld, ein Geld zweiter Klasse.

Bargeldkonten statt nur Buchgeldkonten will hingegen The Narrow Bank in den USA bieten. Sie wäre eine Vollgeldbank, ohne Krediterteilung, diente nur als Kassenhaltung der Kunden und würde diese Gelder bei der Notenbank einlegen, was Banken dürfen. Dann hätten die Kunden jederzeit Notenbankgeld anstatt nur Buchgeld zugut, und erst noch verzinst, weil die Notenbank die Bankeinlagen bei ihr verzinst. Aber diese elegante Konkurrenz des Teilreservesystems durch echtes Notenbankgeld auf Konten wehrt die US-Notenbank ab. Seit fünf Jahren kämpfen ihre Juristen gegen eine Bewilligung für diese Narrow Bank. Zeichen der Zeit!

Zitiervorschlag: Beat Kappeler (2023). Standpunkt: Nur Bares hat Bestand. Die Volkswirtschaft, 16. Mai.