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Enttäuschende Nachfrage nach Energiespar-Innovationen

Steigende Stromkosten belasten produzierende Unternehmen. Doch technische Innovationen und neue Geschäftsmodelle von Maschinen- und Anlagenbauern zur Kostensenkung werden nur vorsichtig vom Markt angenommen. Woran liegt das?
Die steigenden Energiepreise in Europa schmälern die Wettbewerbsfähigkeit energieintensiver Branchen, etwa in der Metallverarbeitung. (Bild: Keystone)

Die produzierende Industrie in Europa hat es in diesen Tagen nicht leicht: Noch immer sind die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die Lieferketten spürbar. Und auch die Inflation bei den Inputkosten ist allgegenwärtig. Ein wesentlicher Grund für die Teuerung sind die steigenden Energiepreise. Deshalb versuchen Unternehmen mit Nachdruck, ihren Energieverbrauch zu senken.

Die aktuell herausfordernde Situation könnte aber auch eine Chance sein – insbesondere für Hersteller von Maschinen und Maschinenanlagen, die mittels innovativer technischer Lösungen ihren Kunden ermöglichen, nachhaltig den Energieverbrauch zu senken. Doch die erhofften Umsätze bleiben oft hinter den Erwartungen der Maschinen- und Anlagenbauer zurück.

Wieso das so ist, hat das Institut für Technologiemanagement der Universität St. Gallen im Rahmen eines Forschungsprojekts untersucht. Dafür wurden im September 2022 Gespräche[1] mit Entscheidungsträgern von Maschinen- und Anlagenbauern aus Deutschland, Österreich und der Schweiz sowie deren Kunden geführt.

Innovationsdruck so hoch wie nie

Der gesellschaftliche und politische Druck zu mehr Nachhaltigkeit war für die europäische Industrie wohl nie höher als heute. Der Ausstieg aus fossilen Energieträgern und der Ausstieg Deutschlands aus der Atomkraft, der nur schleppende Ausbau der Windkraft und die nur langsamen Fortschritte bei Energiespeichertechnologien: Alle diese Gründe schaffen ein Umfeld, in dem die Strompreise in Europa auf dem ohnehin schon hohen Niveau noch weiter steigen werden.

Für Industrieunternehmen bedeutet das auch langfristig hohe Kosten und weiter erodierende Margen. Die Folge: In einem immer kompetitiveren globalen Markt nimmt die Wettbewerbsfähigkeit europäischer Produktionsstandorte ohne Gegenmassnahmen ab – vor allem in energieintensiven Branchen. Produzenten versuchen daher ihre Stromkosten zu senken und suchen Möglichkeiten, die über die Reduktion der Raumtemperatur in Fabrikhallen und Verwaltungsgebäuden hinausgehen.

Hohe Strompreise als Geschäftschance

Bei der Steigerung der Energieeffizienz ist externe Expertise gefragt. In der Industrie steckt sehr viel Sparpotenzial im Produktionsprozess selbst. Investitionen in Hardware-Upgrades oder -Modernisierungen sind eine Möglichkeit. In den letzten Jahren wurde hier aber bereits viel investiert. Immer häufiger wird auch versucht, Firmenkunden mit Abomodellen zu locken. Neu ist dabei der Ansatz, den Kunden auch Hardware in Leasing- oder Langzeitmietmodellen zu überlassen, anstatt sie ihnen zu verkaufen. Man spricht dabei von «Equipment-as-a-Service», da diese Geschäftsmodelle oft weitere umfangreiche Dienstleistungen umfassen.

Ein Beispiel ist etwa Siemens Smart Infrastructure mit Sitz in Zug. Das Unternehmen ist auf Gebäudelösungen spezialisiert und bietet seinen Kunden ein sogenanntes Performance Contracting an. Die Siemens-Spezialisten betrachten dabei die Energie- und Infrastrukturanforderungen ihrer Kunden ganzheitlich und stellen einen Plan auf, wie diese Herausforderungen adressiert werden können. Siemens verlangt dafür eine Gebühr, die von den Stromeinsparungen abhängt.

Doch auch ohne Anpassungen an der Hardware lässt sich viel Energie einsparen. In der Schweiz bieten verschiedene Industriegrössen wie ABB, Endress und Hauser, Georg Fischer, Siemens oder Sulzer Software-Lösungen an. Sie sollen den produzierenden Kunden etwa dabei helfen, ihren Strom- und Wasserverbrauch zu planen und zu optimieren. Energieeinsparungen werden dabei sowohl unmittelbar wie auch mittelbar erzielt. Solche Software-basierten Anwendungen zahlen sich für produzierende Kunden im aktuellen Energiepreisumfeld oft bereits in wenigen Monaten aus. Für die Anbieter erschliessen sich so wiederkehrende Umsatzquellen und Daten, um Kunden noch gezielter zu unterstützen und weitere Effizienzpotenziale auszumachen.

Investition zahlt sich zu langsam aus

Unsere Befragung hat ergeben: Maschinen- und Anlagenbauer in der Schweiz, Deutschland und Österreich sind gemäss Selbsteinschätzung gut aufgestellt, um ihren produzierenden Kunden mehr Nachhaltigkeit zu ermöglichen (siehe Abbildung 1). Viele Unternehmen unterstreichen dabei, dass die aktuelle Kundennachfrage nach Energieeinsparungslösungen oft durch die Konsumenten getrieben sei.

Abb. 1: Selbsteinschätzung zur Energieeffizienz von Maschinen- und Anlagenbauern aus Deutschland, Österreich und der Schweiz (2022)

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Anmerkung: Es wurden 23 Unternehmen befragt. Die Antwortoption «Keine Angabe» ist in der Grafik nicht dargestellt.
Quelle: Item-HSG / Die Volkswirtschaft

 

Das Interesse der produzierenden Kunden an Produkten und Dienstleistungen für mehr Energieeffizienz ist also hoch. Wieso verbuchen Maschinen- und Anlagenbauer dennoch nicht mehr Geschäftsabschlüsse?

Hauptargument für das mangelnde Interesse der produzierenden Kunden ist aus Sicht der befragten Unternehmen die fehlende Wirtschaftlichkeit der Investition – der sogenannte Return on Investment (siehe Abbildung 2). Die reine Umetikettierung in «grüne» und «energiesparsame» Produkte hilft deshalb nur bedingt. Das ist auf den ersten Blick überraschend. Doch tatsächlich exportieren die Maschinen- und Anlagenbauer aus Deutschland, Österreich und der Schweiz auch in ausländische Märkte, wo die Kunden nicht mit so hohen Strompreisen konfrontiert sind.

Unsicherheit hemmt Kunden

Letztlich ist der Einsatz von Software- und Modernisierungslösungen jedoch begrenzt. Grössere Einsparungen sind dann nur noch möglich, wenn Firmen grosse Investitionen tätigen und ihre gesamten Prozesse auf neue Technologien umstellen. Das erfordert jedoch die Bereitschaft der produzierenden Unternehmen, bestehende Produktionsprozesse zu unterbrechen. Dabei ist oft unklar, ob sich diese Investitionen in drei bis fünf Jahren auszahlen – meist ist der Planungshorizont der Unternehmen im turbulenten Wettbewerbsumfeld nicht länger.

Hinzu kommen signifikante Risiken, über die gerne hinweggesehen wird, die aber für die Kunden existenziell sind. So können angepasste Produktionsprozesse beispielsweise die Qualität der gefertigten Produkte verändern. Unsicher ist zudem, ob standardisierte Prozesse in stark regulierten Branchen, wie etwa der Pharmaindustrie, ohne Weiteres abgeändert werden dürfen. Veränderungen am Status quo erfordern zudem in vielen Fällen Experten aufseiten der Kunden. Mit dem aktuellen Fachkräftemangel sind diese aber oft in anderen Bereichen des Unternehmens unentbehrlich.

Abb. 2: Herausforderungen aus Sicht von Maschinen- und Anlagenbauern in Deutschland, Österreich und der Schweiz (2022)

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Anmerkung: Es wurden 24 Unternehmen befragt. Mehrfachantworten möglich.
Quelle: Item-HSG  / Die Volkswirtschaft

 

Das kommunikativ beteuerte Interesse an Nachhaltigkeit entspricht nicht immer der tatsächlichen Bereitschaft, nachhaltiger zu produzieren. Auch das müssen Maschinen- und Anlagenbauer lernen. Die aktuellen Erfahrungen zeigen, dass gerade für Hersteller von Zwischenprodukten ohne Druck der Konsumenten andere Themen wichtiger sind. Kommen dann noch eine gewisse Skepsis, ein unklarer Marktausblick oder gar mangelndes Vertrauen der Kunden gegenüber energieeffizienten Lösungen hinzu, schiebt man solche Themen gerne auf die lange Bank.

Auch mangelndes Verständnis der Kunden für die verschiedenen, komplexen Lösungen kann eine Rolle spielen. Gerade bei digitalen Lösungen können zudem noch handfeste Bedenken bezüglich Datensicherheit, IT-Infrastruktur und die Integration in bestehende Systemlandschaften hinzukommen.

Ein langer Atem lohnt sich

Auch wenn es den Maschinen- und Anlagenbauer derzeit nur schleppend gelingt, die Herausforderungen der produzierenden Kunden in signifikante Geschäftschancen umzumünzen: Mit mehr Referenzbeispielen und weiter steigenden Strompreisen stehen die Chancen gut, dass die Nachfrage nach stromsparenden Lösungen in den kommenden Jahren noch einmal stark steigen wird.

Maschinen- und Anlagenbauer, die in der Lage sind, Mehrwert auf Kundenseite zu realisieren und Kundenbedenken zu adressieren, haben exzellente Chancen, vom Trend zu profitieren. Auf stromsparende Lösungen als Anbieter zu setzen, ist daher keinesfalls falsch. Es erfordert aber einen langen Atem. Langfristig gesehen, sind energiesparsame Lösungen nicht nur gut für das Klima, sondern auch aus wirtschaftlicher Sicht bei intensiver globaler Konkurrenz alternativlos.

  1. Grundlage für diesen Artikel sind Gespräche mit Verantwortlichen von 45 Maschinen- und Anlagenbauern aus Deutschland, Österreich und der Schweiz. []

Zitiervorschlag: Jonathan Rösler, Thomas Friedli (2023). Enttäuschende Nachfrage nach Energiespar-Innovationen. Die Volkswirtschaft, 20. Juni.