Suche

Abo

Die Südostasien-­Strategie der Schweiz schreibt Nachhaltigkeit gross – auch im Handel

Südostasien ist dynamisch. Die Region wird wirtschaftlich an Bedeutung gewinnen. Die Schweiz hat das erkannt: Der Bundesrat hat eine entsprechende Strategie verabschiedet.
Südostasien ist eine aufstrebende Wirtschaftsregion. Auch Schweizer Unternehmen sollen profitieren können. Schwimmender Markt im Mekongdelta, Vietnam. (Bild: Keystone)

Die erstarkende Rolle Südostasiens in wirtschaftlicher, politischer und strategischer Hinsicht hat den Bundesrat veranlasst, 2023 erstmals eine Strategie für die Region zu publizieren. Zusammen bilden die elf Länder Südostasiens[1] heute nach den USA, China, Japan und Deutschland die Volkswirtschaft mit dem fünftgrössten Bruttoinlandprodukt (BIP) der Welt. Die Region bleibt zugleich ein wachstumsfähiger Zukunftsmarkt: Der Internationale Währungsfonds (IWF) geht für die nächsten fünf Jahre von einem jährlichen Wirtschaftswachstum von knapp 5 Prozent aus. Insbesondere Vietnam und die Philippinen stechen mit einem BIP-Wachstum von jährlich über 6 Prozent heraus. Gerade vor dem Hintergrund eines langsameren Wachstums in den traditionellen Exportmärkten der Schweiz dürfte Südostasien an Bedeutung gewinnen.

In Anbetracht der wirtschaftlichen Attraktivität der Region sind der Handel und die Investitionen der Schweiz bislang allerdings bescheiden und entsprechend ausbaufähig. Vom gesamten schweizerischen Warenhandel im Umfang von 512 Milliarden Franken entfielen 2022 insgesamt nur rund 18 Milliarden Franken oder 3,5 Prozent auf Südostasien.[2] Von den insgesamt 1400 Milliarden Franken schweizerischer Direktinvestitionen im Ausland wurden rund 75 Milliarden Franken in der Region investiert, davon allein 64 Milliarden Franken auf dem Finanzplatz Singapur.

Wichtige Rohstoffe

Die Region profitiert einerseits von einer demografischen Dividende: Der Anteil der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter wird über die kommenden Jahrzehnte vergleichsweise hoch sein. Die Arbeitskosten sind im internationalen Vergleich kompetitiv. Es finden sich ferner bedeutende Agrarprodukte wie Palmöl, andererseits mineralische Rohstoffe wie Nickel, die für die Grüne Wirtschaft eine zentrale Rolle spielen.[3]

Zugleich könnte Südostasien wie kaum eine andere Weltregion von dem viel beschworenen «Decoupling» oder «Derisking» der «westlichen» von der chinesischen Wirtschaft profitieren:[4] Die Region bietet sich als alternativer Standort für die Produktion von Gütern an, die bis anhin in China hergestellt und exportiert wurden.

Armut und Klimawandel

Allerdings sieht sich Südostasien auch mit grossen Herausforderungen konfrontiert. Die Regierungsformen sind divers: Während mehrere Länder in den vergangenen Jahrzehnten eine Demokratisierung vollzogen haben, bleiben andere autokratisch geprägt. Entsprechend ist die Menschenrechtslage vielerorts problematisch, etwa bezüglich des Umgangs mit Minoritäten.[5] In Kambodscha, Laos, Myanmar und Timor-Leste, die zur Gruppe der Least Developed Countries (LDC) gehören, leben zudem grosse Bevölkerungsteile weiterhin unterhalb der Armutsgrenze. Das derzeit schwierige weltwirtschaftliche Umfeld, insbesondere Zinserhöhungen und Inflation, erschwert den Kampf gegen die Armut. Darüber hinaus ist die Region besonders stark vom Klimawandel und seinen Folgen wie steigenden Meeresspiegeln bedroht.

Die Südostasien-Strategie 2023–2026 des Bundesrats trägt dieser Komplexität Rechnung. Die Schweiz soll sich einerseits für Frieden und Menschenrechte einsetzen und die nachhaltige Wirtschaftsentwicklung Südostasiens fördern. Andererseits sollen Schweizer Wirtschaftsakteure am wirtschaftlichen Aufstieg teilhaben. Die Südostasien-Strategie konkretisiert damit die Strategie des Bundes zur Aussenwirtschaftspolitik für diesen geografischen Raum.

Unterstützung in Zusammenarbeit mit Partnern

In Zusammenarbeit mit lokalen und internationalen Partnern setzt das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) eine ganze Reihe von Programmen um oder unterstützt deren Finanzierung. In Südostasien stehen die Seco-Partnerländer Indonesien und Vietnam im Zentrum. Das Seco unterstützt Indonesien dabei, die Wirtschaft des Landes resilienter und wettbewerbsfähiger zu machen sowie Ressourcen effizienter und nachhaltiger zu nutzen. Denn insbesondere die Produktion von Palmöl und die Forstwirtschaft haben potenziell desaströse Folgen für Biodiversität und Klima. Vietnam unterstützt die Schweiz darin, den zweifachen Strukturwandel – von einer landwirtschaftlich geprägten Produktion zu einer Industrienation und von einer Planwirtschaft zu einer Marktwirtschaft – nachhaltig zu gestalten, dies in wirtschaftlicher, sozialer und ökologischer Hinsicht.

Gleichzeitig ist das Seco bestrebt, die Rahmenbedingungen für Schweizer Unternehmen in diesen Märkten zu verbessern – zum Beispiel mittels bilateraler Investitionsschutzabkommen (ISA), die bei Investitionsstreitigkeiten zwischen einem Investor und dem Gaststaat Schlichtungsmechanismen vorsehen. Oder mittels Freihandelsverträgen, die zusammen mit den anderen Staaten der Europäischen Freihandelsassoziation (Efta) abgeschlossen werden. Im digitalen Bereich ist das Seco dabei, die Rahmenbedingungen im digitalen Raum zu verbessern.

Die Südostasien-Strategie des Bundesrates legt ein Augenmerk auf die Schnittstellen von Nachhaltigkeit und Handel. Auch Schweizer Unternehmen sollen am Aufstieg Südostasiens teilhaben. Aber sie werden nur dann langfristig von ihrem Engagement in der Region profitieren, wenn das dortige Wirtschaftswachstum einhergeht mit sozialer, wirtschaftlicher und ökologischer Nachhaltigkeit.

 

  1. Brunei Darussalam, Indonesien, Kambodscha, Laos, Malaysia, Myanmar, Philippinen, Singapur, Thailand, Timor-Leste und Vietnam. []
  2. Vgl. Swissimpex. Die Zahlen beziehen sich auf das «Total 1», die sogenannte Konjunktursicht (ohne Gold in Barren und andere Edelmetalle, Münzen, Edel- und Schmucksteine sowie Kunstgegenstände und Antiquitäten). []
  3. Siehe Adopted ASEAN Guidelines for Special Economic Zone (SEZ) Development and Collaboration; Special Economic Zones in the Indonesia–Malaysia–Thailand Growth Triangle: Opportunities for Collaboration | Asian Development Bank. Für mehr Informationen zu den Special Economic Zones der einzelnen Länder siehe: Indonesien, Malaysia, Philippinen, Thailand, Vietnam. []
  4. Eine vertiefte Analyse über die Möglichkeiten im Rahmen der geowirtschaftlichen Umgestaltung findet sich in ASEAN’s Role in the Threat of Global Economic Decoupling: Implications from Geographical Simulation Analysis – Publications: ERIA[]
  5. Eine Einteilung der Länder entsprechend ihrer Regierungsformen findet sich in Südostasien-Strategie 2023–2026 des Bundes, S. 15. []

Zitiervorschlag: Marcel Brengard, Natalie Rast (2023). Die Südostasien-­Strategie der Schweiz schreibt Nachhaltigkeit gross – auch im Handel. Die Volkswirtschaft, 04. August.