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Smart Cities und ihr Nutzen für die Schweiz

Über 50 Schweizer Städte und Gemeinden beschäftigen sich aktiv mit dem Entwicklungskonzept «Smart City». Ihr Ziel: mehr Ressourceneffizienz und Lebensqualität sowie eine nachhaltige Stadtentwicklung.
Umziehen einfacher gemacht: Mit der App E-Umzug kann man Adressänderungen in gewissen Schweizer Städten online erledigen.

Stellen Sie sich vor: Die Strassenlaterne vor Ihrer Wohnung ist schon seit Wochen defekt. Wem sollen Sie den Schaden melden? Vielleicht hätten Sie bei der Verwaltung Ihrer Wohngemeinde angerufen, doch auch nach drei Weiterleitungen ist noch kein Zuständiger gefunden. Frustriert legen Sie auf. Was Sie vielleicht nicht wissen: Viele Gemeinden kennen heutzutage sogenannte Stadtmelder-Apps, mit denen die Bürger jederzeit und innerhalb weniger Minuten Mängel an der städtischen Infrastruktur melden können.

In der Schweiz nehmen solche und andere Smart-City-Aktivitäten in Städten und Gemeinden kontinuierlich zu. Das zeigt der Swiss Smart City Survey 2022[1] der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW). Er wurde im letzten Jahr zum zweiten Mal durchgeführt (siehe Kasten). Insgesamt haben 87 Städte daran teilgenommen (siehe Abbildung). Mehr als die Hälfte der Befragten schätzt das Thema Smart City als wichtig oder sehr wichtig ein. 19 Städte verfügen bereits über eine ausgearbeitete Smart-City-Strategie, darunter auch Kleinstädte wie Baden und Regensdorf. Diese Zahl hat im Vergleich zu 2020 um 4 Städte zugenommen und wird in den nächsten Jahren vermutlich weiter steigen. Doch was nützen solche Strategien und Konzepte überhaupt?

Dank Smart-City-Aktivitäten kann eine engagierte Stadt zu mehr Lebensqualität sowie zu mehr Nachhaltigkeit und reduziertem Ressourcenverbrauch beitragen. Wenn vermehrt Akteure und Infrastrukturen vernetzt, digitalisierte Wege genutzt, Bürger mit einbezogen und mehr Innovationen gewagt werden, erhöht das die Effizienz. Dabei ist es wichtig, dass eine Smart City unterschiedliche Themenbereiche abdeckt. Wo die Städte dabei stehen und wo sie sich noch entwickeln können, zeigt ihnen der Survey.

Am Swiss Smart City Survey 2022 teilnehmende Städte

Anmerkung: Neben den 40 abgebildeten Städten haben 47 weitere Städte, die anonym bleiben möchten, am Swiss Smart City Survey 2022 teilgenommen.
Quelle: Smartcity-survey.ch / Die Volkswirtschaft

 

Governance, Energie und Mobilität dominieren

Insgesamt haben die teilnehmenden Städte 302 Projekte in verschiedenen Dimensionen als smart bezeichnet. Das Thema «Governance» ist mit 94 genannten Projekten bei den teilnehmenden Städten klar die grösste der neun Dimensionen[2]: Gemeinde-Apps und Chatbots erleichtern den Zugang zu verwaltungsrelevanten Informationen und Dienstleistungen für die Bürgerinnen und Bürger. So etwa der eingangs beschriebene Stadtmelder sowie die Apps E-Bau für digitale Baubewilligungen und E-Umzug, welche die Administration bei Umzügen vereinfachen soll. Zudem werden mit Open Data immer mehr Daten veröffentlicht. Durch diese Form der digitalen Partizipation ergeben sich vielfältige Mitwirkungsoptionen.

50 Projekte wurden in der Umfrage dem Bereich «Energie und Umwelt» zugewiesen. Die meisten davon fördern erneuerbare Energien wie etwa den Bau von Fotovoltaikanlagen auf öffentlichen Gebäuden. Andere sind dazu gedacht, Ressourcen zu schonen mittels Wärmeverbünden, Smart Metering und Smart Lighting. Mit Smart Meter sind intelligente Messsysteme gemeint, welche den Energie- und Wasserverbrauch in Echtzeit messen und anzeigen können. Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass solche Rückmeldungen beim Energiesparen helfen. Beim Smart Lighting handelt es sich um miteinander vernetzte Leuchten – beispielsweise Strassenlaternen –, die bewegungsgesteuert je nach Bedarf ihre Leuchtintensität anpassen und so Energie sparen.

Intensiv wird zurzeit auch das Thema Mobilität bearbeitet. Verschiedene Gemeinden haben Konzepte erstellt für effizientere, CO2-freie Mobilitätssysteme und für die Integration von Mikromobilitätssharing wie dem Verleih von Fahrrädern, E-Bikes und E-Scootern. Die Gemeinden setzen dabei vermehrt auf sogenannten intermodalen Verkehr – das heisst nachhaltige Mobilität (bspw. Fuss- und Veloverkehr) in Kombination mit Elektro- und öffentlichem Verkehr. Zudem werden Fahrradwege ausgebaut. Nur selten gebrauchte Güter wie Bohrmaschinen oder Gästeräume werden auf Sharing-Plattformen geteilt, um mehr Ressourcen einzusparen. Beispiele dazu finden sich etwa in innovativen Wohnbaugenossenschaften oder auf Sharely.ch.

Die Umfrage zeigt auch, dass die Projekte meist innerhalb der Verwaltung, von Energieversorgern oder von der Politik angestossen werden. Oft dienen andere Städte als Vorbild, wie etwa Winterthur oder Wien. Bei vielen Themen arbeiten Behörden, Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft zusammen. So etwa bei kreativen Ideenentwicklungen in Innovationsboostern zur Lösung gesellschaftlicher Herausforderungen.

 

Winterthur setzt auf nachhaltige Mobilität: Fuss- und Veloverkehr kombiniert mit Elektro- und öffentlichem Verkehr am Winterthurer Bahnhof. (Bild: Vicente Carabias)

 

Projekte sollen nachhaltig sein

Vermehrte Kooperation auf dem Weg zu netto null Emissionen ist ein wichtiges Ziel smarter Städte. Der Nutzen von Smart Cities ist nämlich dann besonders hoch, wenn sie auch eine ökologisch nachhaltige Stadtentwicklung unterstützen. Ein gutes Beispiel dafür ist etwa das Winterthur Umsetzungsprojekt «ZEV^2». Dabei handelt es sich um einen Zusammenschluss zum Eigenverbrauch im doppelten Sinn: Einerseits soll vor Ort auf konkreten Arealen die Versorgung mit erneuerbarer Energie gefördert werden und diese andererseits mit einem Elektromobilitätssharing verknüpft werden.

Deshalb ist auch der Bund an Smart City interessiert und fördert solche Aktivitäten.[3] Mit seinem Programm Smart City von Energie Schweiz für Gemeinden unterstützt er Schweizer Städte und Gemeinden bei konkreten Smart-City-Entwicklungen sowie Weiterbildungsprogrammen[4] zur notwendigen Wissensvermittlung. Trotzdem wünschen sich die Städte vom Bund und von den Kantonen mehr Unterstützung. Support erhalten die Gemeinden auch vom Smart City Hub Switzerland, dem Verband der engagierten Smart Cities in der Schweiz. Dieser fördert den Wissensaustausch und die Zusammenarbeit engagierter Städte und Gemeinden. Der Verband hilft ihnen auch bei der Umsetzung und beim Vermitteln von Know-how im Auftrag von Energie Schweiz für Gemeinden.

Städte, die sich einer nachhaltigen Stadtentwicklung verpflichtet fühlen, berücksichtigen bei ihrem Handeln technische, gesellschaftliche, ökologische und ökonomische Aspekte gleichermassen. Diese Ausgangslage kann für die Städte eine gute Voraussetzung bilden, um den Transformationsprozess hin zu einer Smart City zu beginnen und langfristig erfolgreich zu gestalten. Das allgemeine Interesse an Smart-City-Projekten nimmt in der Schweiz zurzeit deutlich zu, jedoch sind der lokale Mehrwert und der unmittelbare Nutzen für die Gemeinden noch deutlicher aufzuzeigen. In manchen Städten bestehen bereits Pilotprojekte in Form von Reallaboratorien oder Stadtquartieren, in denen Smart-City-Ansätze entwickelt und für die gesamtstädtische Anwendung erprobt werden. Andere Städte weisen erste Erfahrungen in der Umsetzung einzelner, themenspezifischer Smart-City-Pilotprojekte auf. So können auch die Wirtschaft, die Wissenschaft und die Zivilgesellschaft zusammen mit der öffentlichen Hand ihren Beitrag zur nachhaltigen Stadtentwicklung leisten.

  1. Hier gehts zur vollständigen Studie[]
  2. Die neun Dimensionen der Smart-City-Entwicklung: Data (Daten), Economy (Wirtschaft), Enabler (Ermöglicher), Environment (Umwelt), Governance (Steuerung), Infrastructure (Infrastruktur), Living (Wohnen), Mobility (Mobilität), People (Menschen). Welche Dimensionen am stärksten gefördert werden, sehen Sie hier[]
  3. Siehe Benjamin Szemkus Erzer, Urs Meuli, (2016). Der Bund hilft den Städten, smart zu werdenDie Volkswirtschaft, 22. Juni. []
  4. Siehe etwa den CAS Sustainable Smart Cities & Regions – Data, Energy and Mobility der ZHAW. []

Zitiervorschlag: Vicente Carabias, Benjamin Szemkus Erzer (2023). Smart Cities und ihr Nutzen für die Schweiz. Die Volkswirtschaft, 29. August.

Der Swiss Smart City Survey

Der Swiss Smart City Survey wurde von der ZHAW School of Engineering entwickelt, um den aktuellen Stand, die wachsenden Aktivitäten sowie die Entwicklung und die Bedürfnisse rund um das Thema Smart City in der Schweiz zu erfassen. An der zweiten Erhebung 2022 beteiligten sich insgesamt 87 von 170 angefragten Städten und Gemeinden in der Schweiz. Um die Wichtigkeit unterschiedlicher Aspekte einer Smart City sowie die Entwicklungen über die Zeit besser darstellen zu können, wurde ein Index aus neun Dimensionen aggregiert, welche in der Umfrage mit Teilindikatoren erhoben werden. Um die Veränderungen in der Smart-City-Landschaft der Schweiz zu beobachten, wird der Survey alle zwei Jahre durchgeführt. Die nächste Umfrage ist für 2024 geplant. An einer Partnerschaft Interessierte können sich bei der ZHAW melden. Während globale Smart-City-Rankings wie etwa der IMD Smart City Index 2023 nur eine exklusive Auswahl von Schweizer Städten (aktuell: Genf, Lausanne und Zürich) in ihre Analysen aufnehmen und dafür in einen internationalen Vergleich stellen, versucht der Swiss Smart City Survey ein umfassendes Abbild der Schweizer Smart-City-Landschaft durch Selbsteinschätzungen der zuständigen Verwaltungseinheiten zu geben.

Bei der Erarbeitung und Durchführung des Swiss Smart City Survey 2022 wurde die ZHAW von mehreren Partnern finanziell und inhaltlich unterstützt.