Curdin Pfister, Dr. oec., Projektleiter und wissenschaftlicher Mitarbeiter, Schweizerischer Baumeisterverband, Zürich
Die Bevölkerung in der Schweiz wird in den nächsten Jahrzehnten weiter anwachsen, die Mobilität zunehmen. Die Bautätigkeit wird sich damit positiv entwickeln, der Bedarf nach Fachkräften auf dem Bau weiter steigen – insbesondere bei Baumeistern, Bauführerinnen, Baupolieren, Bauvorarbeiterinnen, Maurern und Strassenbauerinnen.
Dies stellt das Bauhauptgewerbe vor Herausforderungen, denn das Angebot an Fachkräften ist schon heute knapp: Die grossen Pensionierungswellen setzen bereits ein, der harte Kampf um Nachwuchs hinterlässt drastische Spuren (in den letzten zehn Jahren reduzierte sich die Anzahl Lernende um über ein Drittel).
Nachfrage und Angebot klaffen auseinander: Gemessen am prognostizierten Bedarf werden 2040 rund 5600 Fachkräfte (oder 16 Prozent) im Bauhauptgewerbe fehlen. Ohne qualifiziertes Personal können wichtige Bauprojekte nicht vorangetrieben werden. Mehr Staustunden, ausgedünnte Zugfahrpläne und höhere Wohnungsmieten wären die Folgen.
Die digitale Transformation im Bauwesen wird vom Baumeisterverband gefordert und gefördert.
Diese Herausforderungen beinhalten jedoch auch Potenziale. Zum einen lässt sich der Bedarf an Arbeitskräften durch Innovation und Effizienzsteigerung senken. Ein Produktivitätswachstum um 0,5 Prozent pro Jahr stellt zwar einen Kraftakt dar, würde aber bereits 50 Prozent des Fachkräftemangels beheben. Potenzial findet sich in der Technologie, den Abläufen und den Zusammenarbeits- und Organisationsformen (zum Beispiel integrative Projektabwicklung). Insbesondere Automatisierung und Digitalisierung können Prozesse auf der Baustelle, aber auch in der Gebäude- und Infrastrukturplanung beschleunigen und bergen Potenzial über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg. Entsprechend wird die digitale Transformation im Bauwesen vom Baumeisterverband gefordert und gefördert.
Zum anderen kann die Branche beim Angebot von Fachkräften ansetzen. Das Bauhauptgewerbe ist ein attraktiver Arbeitgeber, und so gibt es mehrere «Stellschrauben», die geeignet sind, das Angebot zu erhöhen. Dazu gehören insbesondere Massnahmen im strategischen Personalmanagement: Eine langfristige, von Arbeitnehmenden und Arbeitgebern gemeinsam entwickelte Karriereplanung und Kaderausbildung steigern die Branchentreue und den Kaderbestand nachhaltig. Sinnstiftende Arbeitsinhalte und Projekte, flexible Arbeits(zeit)modelle, aber auch eine attraktive Betriebs- und Führungskultur senken die Fluktuation und fördern zusätzlich den Nachwuchs. So lässt sich auch der Pool mit Quereinsteigern vergrössern. Gezielte Weiterqualifizierung auf dem Beruf bringt bereits ausgebildete Fachkräfte auf den neuesten Stand und senkt den «Dropout».
Wichtige Voraussetzung ist ein zukunftsfähiges, qualitativ hochwertiges und flexibles Aus- und Weiterbildungssystem mit attraktiven Inhalten und Karriereaussichten. Dieses wird denn auch von der Branche mit entsprechendem Nachdruck weiterentwickelt und beworben – zum Beispiel mit der Schaffung neuer Abschlüsse und Berufe.
Zitiervorschlag: Pfister, Curdin (2023). Bauhauptgewerbe: Mehr Fachkräfte dank Innovation und Personalplanung. Die Volkswirtschaft, 12. September.