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Erleichterte Verfahren für ausländische Fachkräfte

Hochqualifizierte Fachkräfte aus Drittstaaten sind derzeit gefragter denn je. Die Schweiz steuert die Zulassung mittels Höchstzahlen und weiteren Voraussetzungen wie dem Vorrang inländischer Arbeitnehmenden. Gesetzgebung und Ausführungsbestimmungen passen sich aber laufend den Realitäten an.

Erleichterte Verfahren für ausländische Fachkräfte

Der Bundesrat hat die Möglichkeit, die Zuwanderung von qualifizierten Fachkräften aus Drittstaaten zu steuern. Bauarbeiten an der Bundeshauskuppel. (Bild: Keystone)

Vor dem Hintergrund der angenommenen Volksinitiative «Gegen Masseneinwanderung» hatte der Bundesrat im Herbst 2014 beschlossen, seine Steuerungsmöglichkeit im Bereich der Drittstaatenzuwanderung zu nutzen. In der Folge reduzierte er die Höchstzahlen für qualifizierte Fachkräfte aus Drittstaaten von 8’500 im Jahr 2014 auf 6’500 im Jahr 2015. Zudem unterstrich er die Wichtigkeit, das inländische Arbeitskräftepotenzial zu fördern und bestmöglich auszuschöpfen. Dass die Höchstzahlen ab 2017 schrittweise wieder erhöht wurden, wurde von breiten Kreisen begrüsst. 2019 konnten wieder bis zu 8’500 Bewilligungen für Erwerbstätige aus Drittstaaten erteilt werden.

Mit der schrittweisen Erhöhung der Höchstzahlen wurden jene Stimmen in der Politik zahlreicher, die Vereinfachungen bei der Zulassung von erwerbstätigen Drittstaatsangehörigen forderten. «Wenn die Schweiz teure Spezialisten ausbildet, sollen sie auch hier arbeiten können», verlangte 2017 eine Motion aus dem Nationalrat. Damit soll ausländischen Personen mit einem Schweizer Hochschulabschluss durch eine Ausnahme von den Höchstzahlen der Arbeitsmarktzugang erleichtert werden. Die Vorlage befindet sich aktuell im Parlament in Beratung.

Im Sommer 2019 forderte ein Postulat aus dem Nationalrat den Bundesrat auf, das Kontingentsystem für Fachkräfte aus Drittstaaten grundsätzlich zu überprüfen und stärker auf die Bedürfnisse der Wirtschaft auszurichten. In seinem Bericht vom 4. März 2022 in Erfüllung dieses Postulats zeigt der Bundesrat auf, dass Unternehmen, Sozialpartner und Kantone das Kontingentssystem an sich nicht infrage stellen. Gleichzeitig räumt er ein, dass administrative Erleichterungen und Prozessbeschleunigungen im Bewilligungsverfahren angezeigt seien, um Unternehmen zu entlasten.

Steigende Nachfrage von Branchen und Unternehmen

Das Zulassungssystem für Erwerbstätige aus Drittstaaten steht aktuell wieder stärker im Fokus von Politik und Wirtschaft – nicht zuletzt als Folge der raschen und kräftigen Erholung von der Covid-19-Krise. Dies stellt auch das Staatssekretariat für Migration (SEM) fest, das auf Bundesebene für die Zulassung von ausländischen Fachkräften zuständig ist. Schon 2019, ein Jahr vor der Covid-19-Pandemie, hatten die Erkundigungen von Unternehmen bei kantonalen Arbeitsmarktbehörden und dem SEM über die Möglichkeit, Arbeitsbewilligungen zu erhalten, zugenommen. Nach der Überwindung der Covid-19-Krise hat sich diese Tendenz noch verstärkt. Neu ist, dass zum Teil auch Branchen Zulassungsmöglichkeiten für Drittstaatsangehörige fordern, deren Gesuche aufgrund der geltenden gesetzlichen Bestimmungen derzeit kaum Bewilligungschancen haben. So besteht etwa das Anliegen, dass auch Köchinnen und Köche ohne besondere Spezialisierung, Servicefachkräfte oder Hilfspersonal im Bereich der Pflege eine Bewilligung erhalten können.

Administrative Erleichterungen für Unternehmen

Um die Unternehmen zu entlasten – und als Beitrag zur Linderung des Fachkräftemangels – hat das SEM 2023 auf Verordnungs- und Weisungsstufe verschiedene administrative Erleichterungen und Prozessbeschleunigungen eingeführt. Seit dem 1. Februar 2023 können die kantonalen Arbeitsmarktbehörden bestimmte Gesuche um Erteilung einer Arbeitsbewilligung für Drittstaatsangehörige in eigener Kompetenz bewilligen, ohne dazu die Zustimmung des SEM einzuholen. Sofern die Zulassungsvoraussetzungen erfüllt sind, verkürzt sich die Verfahrensdauer somit merklich. Ebenfalls seit Februar 2023 haben die kantonalen Arbeitsmarktbehörden eine weitere Option: In Berufsarten, die besonders vom Fachkräftemangel betroffen sind, können sie darauf verzichten, von den Unternehmen Suchbemühungen einzufordern, um die gesetzliche Bestimmung des Vorrangs von inländischen Arbeitskräften zu erfüllen. Auch dies stellt eine erhebliche Entlastung für die Unternehmen dar.

Die Liste der Berufsarten, die von den Erleichterungen profitieren können, hat das SEM unter Einbezug des Staatssekretariats für Wirtschaft (Seco) erstellt.[1] Sie enthält Berufsarten, die von einem ausgeprägten strukturellen Fachkräftemangel betroffen sind[2] und deren Anforderungsprofile typischerweise die Zulassungsvoraussetzungen des Ausländer- und Integrationsgesetzes (AIG; SR 142.20) erfüllen. Dazu gehören etwa Führungskräfte in der Informations- und Kommunikationstechnologie, in der Unternehmensberatung oder in der Versicherungsbranche, Forschende bestimmter Disziplinen sowie Fachkräfte im Gesundheitswesen.

Nebst den administrativen Erleichterungen für Unternehmen bei der Rekrutierung von ausländischem Personal will der Bund auch die Innovationskraft der Schweizer Wirtschaft und das selbstständige Unternehmertum fördern. Dazu wurden die Vollzugsweisungen zum AIG per 1. Februar 2023 angepasst. Sie empfehlen den zuständigen kantonalen Behörden, die Voraussetzungen für eine Bewilligung beim Wechsel von einer unselbstständigen zu einer selbstständigen Erwerbstätigkeit von Drittstaatsangehörigen grosszügig auszulegen. Eine Vorlage, um die Bewilligungspflicht beim Wechsel zu einer selbstständigen Erwerbstätigkeit auf Gesetzesstufe aufzuheben, ist in Ausarbeitung.

Zulassungssystem für Drittstaatsangehörige im Wandel

Gesellschaftlicher Wandel widerspiegelt sich – meist zeitlich verzögert – auch in verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Regelwerken. So wurde das Ausländergesetz seit seiner Einführung im Jahr 2008 stets weiterentwickelt und mit punktuellen Veränderungen an neue Realitäten angepasst. 2019 wurde es umbenannt in Ausländer- und Integrationsgesetz. Der demografische und strukturelle Wandel, der Fachkräftemangel und neue gesellschaftliche Realitäten werden die ausländerrechtliche Gesetzgebung der Schweiz auch künftig fordern und auf ihre Tauglichkeit zur Bewältigung dieser Herausforderungen hin testen.

Es wird sich zeigen, ob die jüngsten Massnahmen zur administrativen Entlastung der Unternehmen den Erwartungen der verschiedenen Anspruchsgruppen auch in Zukunft gerecht werden.

  1. Siehe Weisungen zum Ausländer- und Integrationsgesetz AIG, Ziff. 4.3.2.2.1 und Ziff. 4.3.5.1. Die Liste wird periodisch vom SEM unter Einbezug des Seco überprüft. []
  2. Basierend auf dem Indikatorensystem Arbeitskräftesituation des Seco. []

Zitiervorschlag: Johannes Renold (2023). Erleichterte Verfahren für ausländische Fachkräfte. Die Volkswirtschaft, 12. September.