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Erwerbstätigkeit von Frauen mit Kindern: Wo sind die Hürden?

Die Erwerbsquote von Frauen mit Kindern ist in den letzten Jahrzehnten stetig gestiegen. Die Gründung einer Familie wirkt sich aber noch heute auf die Erwerbsbeteiligung der Frauen aus. Welche Faktoren spielen hier eine Rolle?
Triathletin Nicola Spirig – dreifache Mutter, Olympiasiegerin und Juristin – bringt alles unter einen Hut. «Man braucht sehr viel Unterstützung», sagt sie. (Bild: Keystone)

In der Schweiz lag die Erwerbsquote von Frauen mit Kindern im Jahr 2021 bei 83 Prozent, diejenige von Frauen ohne Kinder bei 93 Prozent. Der grösste Teil (78 Prozent) der erwerbstätigen Frauen mit Kindern arbeitet in einem Teilzeitpensum, während dies nur bei 40 Prozent der erwerbstätigen Frauen ohne Kinder der Fall ist.[1]

Das Ausbildungsniveau von Frauen steigt und der Fachkräftemangel verstärkt sich. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, wie das Fachkräftepotenzial von Frauen noch besser genutzt werden kann und bestehende Hürden für den Verbleib und Wiedereinstieg abgebaut werden können. Im Rahmen des Postulats von Nationalrätin Sibel Arslan zum Wiedereinstieg von Frauen in die Arbeitswelt haben Ecoplan und Jana Freundt, Senior Researcher in Verhaltensökonomik an der Universität Fribourg, im Auftrag des Staatssekretariats für Wirtschaft (Seco) eine Studie durchgeführt, um die zentralen Einflussfaktoren auf den Verbleib und Wiedereinstieg von Frauen mit Kindern zu identifizieren.[2]

Aus der bestehenden Literatur ist bekannt, dass sowohl institutionelle und strukturelle Faktoren wie auch gesellschaftliche Normen und Wertvorstellungen einen Einfluss auf die Erwerbsbeteiligung von Frauen mit Kindern haben.[3] Um diese Faktoren genauer zu untersuchen, wurde im Sommer 2022 eine Online-Umfrage unter 1000 Frauen mit Kindern unter 12 Jahren in allen drei Sprachregionen durchgeführt. Von Interesse waren in der Umfrage das aktuelle Erwerbspensum, die Zufriedenheit der Frauen mit ihrer Erwerbssituation und ihre Wahrnehmung von Faktoren, welche die Erwerbssituation beeinflussen.

Erwerbspensum: Mehr als die Hälfte ist unzufrieden

Die Erwerbsquote im Sample liegt bei 77 Prozent. Sie liegt somit sechs Prozentpunkte unter der schweizweiten Quote. Ein grosser Teil der befragten Frauen ist in einem Teilzeitpensum tätig, das durchschnittliche Erwerbspensum liegt bei 61 Prozent. Es zeigt sich, dass weniger als die Hälfte der befragten Frauen zufrieden ist mit ihrem Erwerbspensum (siehe Abbildung 1). 36 Prozent würden gerne mehr arbeiten. Besonders hoch ist dieser Anteil unter nicht erwerbstätigen Frauen: 82 Prozent von ihnen wären gerne erwerbstätig. Von den erwerbstätigen Frauen möchte ein Viertel gerne mehr arbeiten, ein weiteres Viertel würde gerne weniger arbeiten und rund die Hälfte ist zufrieden mit ihrem Pensum.

Abb. 1: Wie zufrieden sind Frauen mit Kindern mit ihrem Erwerbspensum? (2022)

Anmerkung: N Erwerbstätig=778 ; N Nicht erwerbstätig=195
Quelle: Umfrage Ecoplan / Die Volkswirtschaft

 

Unter diesen Umständen würden Frauen mehr arbeiten

Die Umfrageteilnehmerinnen sind in einem ersten Schritt danach gefragt worden, unter welchen Umständen sie ihr Erwerbspensum erhöhen respektive eine Erwerbsarbeit aufnehmen würden. Sowohl für die Erhöhung des Pensums als auch für die Aufnahme einer Erwerbsarbeit werden dieselben Faktoren als relevant angegeben, wenn auch in einer anderen Reihenfolge, wie in Abbildung 2 dargestellt.

Abb. 2: Unter welchen Umständen würden die befragten Frauen eine Erwerbsarbeit aufnehmen oder das Pensum erhöhen? (2022)

Anmerkung: N Erwerbstätig=778 ; N Nicht erwerbstätig=195
Quelle: Umfrage Ecoplan / Die Volkswirtschaft

 

Frauen, die bereits erwerbstätig sind, geben am häufigsten an, dass sie ihr Pensum erhöhen würden, wenn es «finanziell notwendig» wäre. Ein Drittel würde das Pensum erhöhen, wenn die Kosten für familienergänzende Kinderbetreuung tiefer sowie wenn Stellen mit familienfreundlichen Arbeitsbedingungen vorhanden wären. Auch steuerliche Nachteile werden von einem Drittel der Frauen als relevanter Faktor bei der Entscheidung genannt.

Bei Frauen, die nicht erwerbstätig sind, sind es vor allem fehlende Stellen mit familienfreundlichen Arbeitsbedingungen oder passenden Anforderungen, die den Wiedereinstieg verhindern. Gleichermassen wichtig ist die finanzielle Notwendigkeit: 45 Prozent geben an, dass sie eine Erwerbsarbeit aufnehmen würden, wenn es «finanziell notwendig» wäre. Im Vergleich zu diesen Faktoren werden tiefere Kosten für familienergänzende Kinderbetreuung weniger oft als ausschlaggebend für die Aufnahme einer Erwerbsarbeit genannt.

Diese Faktoren beeinflussen die aktuelle Erwerbstätigkeit

In einem zweiten Schritt wurde analysiert, welche Faktoren die aktuelle Erwerbssituation der befragten Frauen erklären. Der statistisch stärkste Zusammenhang zeigt sich bei der finanziellen Unabhängigkeit: Frauen, die ihre finanzielle Unabhängigkeit als wichtig einschätzen, sind mit einer höheren Wahrscheinlichkeit erwerbstätig, und unter den Erwerbstätigen weisen sie ein höheres Erwerbspensum auf. Auch die Einstellung zu externer Kinderbetreuung spielt eine Rolle. Frauen, die stärker der Meinung sind, dass ein Kind unter familienexterner Kinderbetreuung leidet, sind mit einer tieferen Wahrscheinlichkeit erwerbstätig. Und wenn sie arbeiten, tun sie dies in einem niedrigeren Pensum.

Der Entscheid, erwerbstätig zu sein, hängt ebenfalls signifikant mit der wahrgenommenen Familienfreundlichkeit des Berufs zusammen. Frauen, die diese als hoch einschätzen, sind eher erwerbstätig. Für das Erwerbspensum ist hingegen das Vorhandensein von Stellen mit passenden Anforderungen relevanter: Sind Frauen der Meinung, dass solche Stellen vorhanden sind, arbeiten sie in einem höheren Pensum. Schliesslich spielt auch die Unterstützung durch andere Personen eine Rolle. Für den Entscheid, erwerbstätig zu sein, ist die Unterstützung von Verwandten, Freundinnen und Freunden in der Kinderbetreuung ausschlaggebend, für die Höhe des Erwerbspensums ist die Unterstützung durch den Partner oder die Partnerin massgebend.

Kein direkter Zusammenhang konnte zwischen der Einschätzung der Bezahlbarkeit oder der Verfügbarkeit von externer Kinderbetreuung und der Erwerbssituation gefunden werden. Sowohl erwerbstätige als auch nicht erwerbstätige Frauen schätzen die Bezahlbarkeit von externer Kinderbetreuung als sehr schlecht ein. Auf einer Skala von 1–10 schätzen erwerbstätige Frauen die Bezahlbarkeit im Durchschnitt mit 3.9, nicht erwerbstätige Frauen mit 3.5 ein. Die örtliche Verfügbarkeit wird etwas besser eingeschätzt mit 5.3 von nicht erwerbstätigen und 5.9 von erwerbstätigen Frauen.

Handlungsbedarf besteht in drei wesentlichen Felder

Um die Sichtweise der Arbeitgebenden abzuholen, sind die Resultate der Umfrage durch Gespräche mit Branchenverbänden ergänzt worden. Aus den Ergebnissen der beiden Erhebungen sind drei wesentliche Handlungsfelder identifiziert worden für Massnahmen zur Förderung des Wiedereinstiegs und Verbleibs von Frauen mit Kindern in der Erwerbstätigkeit. Der Handlungsbedarf fällt auf verschiedenen Ebenen an und betrifft neben staatlichen Akteuren auch Arbeitgebende und die betroffenen Frauen selbst.

Das erste Handlungsfeld betrifft die Kosten für familienergänzende Kinderbetreuung. Die Bezahlbarkeit wird von einer grossen Mehrheit der befragten Frauen als ungenügend angesehen. Als zweites Handlungsfeld ergibt sich die Familienfreundlichkeit des Berufs. Diese hat einen starken Einfluss auf die Erwerbstätigkeit von Frauen mit Kindern. Stellen, die sich mit einem Familienalltag vereinbaren lassen, sind hier zentral.

Es wird deutlich, dass neben institutionellen und strukturellen Faktoren auch die Präferenzen und Einstellungen der Frauen eine Rolle spielen. Diese stellen somit ein drittes Handlungsfeld dar: Präferenzen und Einstellungen beeinflussen möglicherweise den Effekt von Massnahmen in anderen Handlungsfeldern, bieten jedoch auch Spielraum für Informations- oder Sensibilisierungskampagnen – beispielsweise bezüglich der Wichtigkeit eines eigenen Einkommens auch hinsichtlich der Auswirkungen einer partnerschaftlichen Trennung auf Einkommen und Altersvorsorge.

Neben den hier erwähnten Handlungsfeldern ist es wichtig zu konstatieren: Auch der Abbau von negativen Erwerbsanreizen – Wegfall von Leistungen oder höhere Steuern bei einem höheren Einkommen – kann zu einer besseren Nutzung des Fachkräftepotenzials von Frauen mit Kindern beitragen.

  1. Bundesamt für Statistik (2022). []
  2. Ecoplan und Freundt (2023). []
  3. Siehe beispielsweise: Olivetti und Petrongolo (2017), Kleven, Landais, Posch, Steinhauer und Zweimüller (2019); Krapf, Roth und Slotwinski (2020); Oehrli, Stadelmann-Steffen und Lütolf (2022); Gangl und Huber (2022). []

Literaturverzeichnis

Bibliographie

Zitiervorschlag: Fabienne Liechti, Jana Freundt, Urezza Caviezel, Michael Marti (2023). Erwerbstätigkeit von Frauen mit Kindern: Wo sind die Hürden. Die Volkswirtschaft, 12. September.