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Warte­schlange vor der trans­pa­zi­fi­schen Frei­han­dels­zone

Die transpazifische Freihandelszone ist beliebt. Soeben ist sie um das Vereinigte Königreich erweitert worden. Sechs weitere Kandidaten stehen Schlange. Wer soll als Nächster aufgenommen werden? Und will die Schweiz auch beitreten?

Warte­schlange vor der trans­pa­zi­fi­schen Frei­han­dels­zone

Transpazifische Partnerschaft: Nun ist auch das Vereinigte Königreich dabei. Wer wird das nächste Mitglied sein? Ein Containerschiff auf dem Weg ins englische Felixstone. (Bild: Keystone)

Totgeglaubte leben länger. Nach der Nichtratifizierung der transpazifischen Freihandelszone durch die USA unter Donald Trump 2017 stand dieses Mega-Abkommen kurz vor dem Ende – nachdem es damals während fünf Jahren von zwölf Pazifik-Anrainerstaaten erfolgreich ausgehandelt worden war. Heute, sechs Jahre nach diesem Beinahe-Kollaps, ist das Comprehensive and Progressive Agreement for Trans-Pacific Partnership, kurz CPTPP, in allen 11 verbleibenden Mitgliedsländern in Kraft (Kanada, Chile, Mexiko, Peru, Australien, Neuseeland, Brunei, Vietnam, Malaysia, Japan, Singapur). Mit dem Beitritt des Vereinigten Königreichs (UK) im Juli 2023 ist auch die erste Erweiterung über den Pazifik hinaus geglückt.[1] Durch weitere drei Beitrittsgesuche im Jahr 2021 – China (16. September), «gesondertes Zollgebiet» Taiwan (24. September) und Ecuador (17. Dezember) – ist ein eigentlicher Showdown um CPTPP lanciert worden. Die andauernde globale Sogwirkung des Abkommens erfasste 2022 auch Costa Rica und Uruguay sowie im Mai 2023 die Ukraine (siehe Abbildung 1). Heute zeigen auch Südkorea, Thailand, die Philippinen und Indonesien Interesse an einem Beitritt.

Abb. 1: CPTPP: Mitglieder und die Warteschlange (Stand Juli 2023)

Quelle: Die Volkswirtschaft

 

Grosse Anziehungskraft auf China

Vor dem siebten Ministertreffen der CPTPP-Mitgliedsstaaten im Juli 2023 in Neuseeland liess China verkünden, dass man bereit sei für den Beitritt und alle notwendigen Unterlagen eingereicht habe. Ironischerweise haben die USA, zusammen mit Japan, die Arbeiten zum CPTPP (damals noch TPP) lanciert als Gegengewicht zum wirtschaftlich aufstrebenden China, das nun selbst beitreten möchte. Die USA bleiben jedoch unverändert abwesend – es liegt deshalb auf der Hand, dass China diese einmalige Chance nutzen und möglichst bald CPTPP-Mitglied werden will. Peking ist sich dabei bewusst, dass es einige Skeptiker in den anderen Mitgliedsstaaten zu überzeugen hat, um die nötige Einstimmigkeit zu erreichen, die es für einen Beitritt braucht. Dass unterdessen drei G7-Staaten (Kanada, Japan, UK) Teil der transpazifischen Freihandelszone sind, macht diese Aufgabe für Peking nicht einfacher. Entsprechend machte China im Juni auf neue wirtschafts- und handelspolitische Reformen aufmerksam, um die eigene Beitrittsfähigkeit zu unterstreichen – darunter ein Verbot, den Transfer oder den Erwerb von Software-Quellcodes als Bedingung für die Einfuhr und den Verkauf von Software für den Massenmarkt vorzuschreiben. Umgesetzt werden soll dies jedoch vorerst nur in wenigen Freihandelszonen Chinas.[2]

Peking – wie auch Taipeh – lobbyierten intensiv bei den Mitgliedsstaaten. Doch trotz vieler Treffen im Vorfeld des CPTPP-Gipfeltreffens in Neuseeland, auch auf höchster Ebene, wurden alle Hoffnungen auf einen baldigen Start des chinesischen Beitrittsprozesses (vorerst) enttäuscht: Australien verkündete vorab, dass es einem Beitritt Chinas in absehbarer Zeit nicht zustimmen werde. Die Schlusserklärung aus Auckland bezüglich Erweiterung fiel daher mager aus. Es wurde einzig festgehalten, dass die Diskussionen über den Beitrittsprozess fortzuführen seien und dass es weiteren Informationen bedarf, ob die Beitrittskandidaten die hohen Standards des CPTPP erfüllen können. Ferner wird auch berücksichtigt, ob potenzielle Mitglieder ihre Handelsverpflichtungen nachweislich einhalten. Weil CPTPP über kein zentralisiertes Sekretariat verfügt, fällt diese umfangreiche Aufgabe von prüfenden Vorabklärungen den zwölf Mitgliedern zu.

Eiertanz um den Erweiterungsprozess

Weshalb gibt es keinen Konsens über die nächsten Erweiterungsschritte? Gilt nun die chronologische Reihenfolge, nach der die Gesuche behandelt werden sollen – wie es sich China erhofft? Oder gilt, dass der Prozess zuerst mit jenen Kandidaten gestartet wird, welche die Voraussetzungen für Verhandlungen am besten erfüllen?

Zu dieser folgenschweren Frage gibt es laut australischen Medienberichten verschiedene Meinungen unter den Mitgliedern. Von Befürwortern von parallelen Gesprächen wird ergänzt, dass dabei je nach Fortschritt durchaus in verschiedenen Geschwindigkeiten verhandelt werden könnte. Eine Gruppe japanischer Akademiker hat kürzlich an ihre Regierung appelliert, ein gleichzeitiges Beitreten von China und Taiwan anzustreben. Dabei werde es «Vorsicht und Kreativität» brauchen, doch dies sei klar die optimale Option. Es wird auf die Asiatisch-Pazifische Wirtschaftsgemeinschaft (Apec) und die Welthandelsorganisation (WTO) verwiesen: Hier ist dieses «Kunststück» bereits gelungen. Ein nicht gleichzeitiger Beitritt – egal von welchem der zwei Akteure – wird in dieser Studie als problematisch beurteilt, weil befürchtet wird, dass beide gegenüber dem Nachkommenden ein Veto einlegen werden.

Wird der ganze Beitrittsprozess nun auf längere Zeit blockiert sein, oder wird es 2024 unter Kanadas Vorsitz Fortschritte geben? Chinas Botschafter in Auckland hat die Hoffnung nicht aufgegeben, noch dieses Jahr einen Start der Aufnahmegespräche zu erreichen. Oder sind es schlicht zu viele Länder innerhalb des CPTPP, die auf Zeit spielen – bis zu dem Tag, an dem die USA zum Abkommen zurückkehren wollen? Sicher ist, dass die aktuellen Mitgliedsstaaten ihre Position der Stärke gegenüber jenen, die beitreten wollen, in den nächsten Jahren maximal ausnutzen können – und dies auch tun werden.

CPTPP als handelspolitischer Befreiungsschlag für die Schweiz?

Während diese 18 Akteure um die Kreation der grössten Freihandelszone der Welt ringen (siehe Abbildung 2) ist in der Schweiz noch keine Sogwirkung Richtung CPTPP auszumachen. Dabei ist dies kein isoliertes Phänomen: Seit Juni 2023 ist auch das zweite Mega-Abkommen aus Asien-Pazifik, das Regional Comprehensive Economic Partnership (RCEP), in allen 15 Mitgliedsländern in Kraft.[3] Die Schweiz bekommt diese neue Realität jedoch zu spüren. So fragt man sich beispielsweise in Tokyo: Warum will die Schweiz ihr Freihandelsabkommen mit Japan von 2009 auf bilateralem Weg modernisieren? Sie könnte doch einfach dem multilateralen CPTPP beitreten, um dieses Ziel zu erreichen. Die Uhr steht zudem nicht still: Je später man sich bei CPTPP um eine Mitgliedschaft bemüht, umso schmerzhafter ist der Eintrittspreis: Die Anzahl Mitglieder steigt stetig an – umso umfangreicher werden die Forderungen an potenzielle Beitrittswillige.

Abb. 2: CPTPP-12 im internationalen Vergleich: Anteil am «Welt-BIP» (2022)

INTERAKTIVE GRAFIK
Anmerkung: BIP 2022, in Dollar
Quelle: Weltbank / Die Volkswirtschaft

 

Die Schweizer Handelsdiplomatie wurde weltweit geachtet für die Pionierleistungen, die unter anderem mit den bilateralen Abkommen mit China und Japan vollbracht worden sind. In die zwölf CPTPP-Staaten exportierte die Schweiz 2022 Waren für 34 Milliarden Franken, was 12,2 Prozent ihres gesamten Exportvolumens entspricht (ohne Edelmetalle). Mit sieben Ländern des CPTPP hat die Schweiz bereits präferenzielle Handelsabkommen[4] Es fehlen jedoch Australien, Neuseeland, Brunei, Malaysia und Vietnam, wobei mit Malaysia und Vietnam Verhandlungen im Rahmen der Efta laufen. Für Schweizer Firmen wären jedoch einheitliche Regeln, wie sie CPTPP für einen wachsenden Markt bietet, viel interessanter. In Anbetracht der ungebremsten Dynamik um dieses Mega-Abkommen wird die Handelsnation Schweiz nicht darum herumkommen, das Szenario eines CPTPP-Beitritts vorzubereiten.

  1. Das UK erhofft sich ein Inkrafttreten des CPTPP in der zweiten Jahreshälfte 2024. []
  2. Die 33 Massnahmen sind hier übersichtlich erläutert: www.china-briefing.com[]
  3. Mitglieder sind neben den zehn Asean-Ländern auch China, Japan, Korea, Australien und Neuseeland. []
  4. Bilateral mit Japan (2009), China (2014) und UK (2021), via Efta mit Mexiko (2001), Singapur (2003), Chile (2004), Kanada (2009) und Peru (2011). []

Literaturverzeichnis

Bibliographie

Zitiervorschlag: Dominique Ursprung (2023). Warte­schlange vor der trans­pa­zi­fi­schen Frei­han­dels­zone. Die Volkswirtschaft, 21. September.