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Wie steht es um die Nachhaltigkeit im Tourismus?

Die Tourismusbranche spielt in der Schweizer Volkswirtschaft eine wichtige Rolle. In einem Pilotprojekt hat das Bundesamt für Statistik nun erstmals Indikatoren entwickelt, welche die Nachhaltigkeit des Tourismus messen.
In der Schweiz ist der Tourismus ein wichtiger Wirtschaftszweig. Nun wird erstmals auch die Nachhaltigkeit unter die statistische Lupe genommen. Ein Bubble-Zimmer des Hotels Kartause Ittingen bei Warth TG. (Bild: Keystone)

Der Tourismus wird in der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung (VGR) in einem eigenen Konto, dem Satellitenkonto Tourismus (TSA, siehe Kasten), erfasst. Es wird seit über 20 Jahren vom Bundesamt für Statistik (BFS) in Zusammenarbeit mit dem Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) publiziert. Das TSA misst die wirtschaftliche Bedeutung dieser Querschnittsbranche und gibt Auskunft über den Stand und die Entwicklung folgender drei Kerngrössen: touristische Ausgaben, touristische Wertschöpfung und touristische Beschäftigung. Damit lässt sich der Anteil des Tourismus an der gesamtwirtschaftlichen Wertschöpfung und Beschäftigung berechnen (siehe Kasten).

Informationsbedarf steigt stetig an

Das Satellitenkonto Tourismus soll politischen Akteuren eine wirtschaftspolitische Entscheidungsgrundlage liefern. Es erlaubt zudem, internationale Vergleiche über die Rolle des Tourismus in einer Volkswirtschaft anzustellen.

Der Informationsbedarf des wachsenden Nutzerkreises der monetären Tourismusstatistik steigt stetig an. Auch auf internationaler Ebene werden die Statistiken kontinuierlich weiterentwickelt. Die Welttourismusorganisation (UNWTO) hat nun eine Initiative ergriffen, um die Nachhaltigkeit im Tourismus zu messen. Die Schweiz ist neben anderen Ländern ausgewählt worden, ein Pilotprojekt durchzuführen mit dem Ziel, Nachhaltigkeitsindikatoren zu publizieren. In diesem Zusammenhang ist das Satellitenkonto Tourismus erstmals analytisch erweitert worden. Die Zahlen sind 2023 publiziert worden.

Regionalisierte Aussagen

Der Tourismus hat eine grosse Bedeutung in vielen Regionen. Um die regionale Entwicklung zu erfassen, wurden in der Pilotstudie erstmals die jährlichen Indikatoren der Jahre 2016 bis 2019 zum TSA auf kantonaler Ebene publiziert. Sie erlauben eine differenziertere Betrachtung darüber, wie hoch der Tourismusanteil der Beschäftigung und die Bruttowertschöpfung in den jeweiligen Kantonen sind. Der Anteil kann in tourismusintensiven Kantonen bis zu 13,8 Prozent der Beschäftigten und 10,1 Prozent der Bruttowertschöpfung ausmachen (siehe Abbildung 1).

Abb. 1: Anteil Tourismus an kantonaler Bruttowertschöpfung (2019)

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Quelle: Bundesamt für Statistik / Die Volkswirtschaft

 

Ein Blick auf die Nachhaltigkeit

Auch die nachhaltige Entwicklung der Tourismusbranche soll erfasst werden. Hierzu werden in der Pilotstudie erstmals eine Reihe von Indikatoren zum Satellitenkonto Tourismus veröffentlicht, die auf ökologische und wirtschaftliche Aspekte der Nachhaltigkeit hinweisen. Die Indikatoren verknüpfen die monetäre Tourismusstatistik mit der Umweltgesamtrechnung (UGR)[1]. Die UGR – ebenfalls ein Satellitenkonto – enthält unter anderem Luftemissions- und Energiekonten. Verknüpft man das «klassische» TSA mit diesen Konten, können neben den wirtschaftlichen auch ökologische Aspekte betrachtet werden. So können für den Tourismus neu die Treibhausgas- und Luftschadstoffemissionen sowie der Energieverbrauch untersucht werden.

Die Ergebnisse beziehen sich auf die Jahre 2014–2019 und beschreiben den absoluten Bedarf an Ressourcen (wie den totalen Energiebedarf) sowie relative Werte (wie den Treibhausgasausstoss pro Bruttowertschöpfung). Die Verwendung von erneuerbaren Energien wuchs im Zeitraum der Pilotstudie für touristische Produkte um 58,4 Prozent an (siehe Abbildung 2). Im gleichen Zeitraum stieg der Wert für die Schweizer Gesamtwirtschaft um 17,4 Prozent an. Hingegen: Während die Nutzung von nicht erneuerbaren Energien in der Gesamtwirtschaft um 2,2 Prozent gesunken ist, ist auch dieser Anteil für den Tourismus (18,2%) gestiegen.

Abb. 2: Nutzung erneuerbarer Energie (2014–2019)

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Quelle: Nitsa / Die Volkswirtschaft

 

Nachhaltigkeit kann international verglichen werden

Um internationale Vergleichbarkeit zu gewährleisten, richtet sich die Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung, genauso wie das Satellitenkonto Tourismus und die Umweltgesamtrechnung, nach internationalen Standards. Im Jahr 2024 will die Welttourismusorganisation (UNWTO) das internationale Regelwerk zur Messung der Nachhaltigkeit des Tourismus veröffentlichen. Die Schweiz will dieses Regelwerk mit ihren Erfahrungen, die sie mit der Pilotstudie gesammelt hat, zusammen mit vielen internationalen Partnern mitgestalten. Die Nachhaltigkeitsindikatoren zum Satellitenkonto Tourismus (Nitsa) erlauben es, Fort- oder Rückschritte in der nachhaltigen Entwicklung des Tourismus zu messen. Damit lassen sich auch auf nationaler und internationaler (gemäss den UNWTO-Richtlinien) Ebene Vergleiche anstellen.

Weitere Analysethemen sind angedacht

Die Erweiterung der monetären Tourismusstatistik um die Nachhaltigkeitsindikatoren hat es erlaubt, neben den wirtschaftlichen Grössen auch ökologische Aspekte des Tourismus zu betrachten. Nun sollen in einem weiteren Schritt die Nachhaltigkeitsindikatoren mit der Analyse von sozialen Themen erweitert werden. Ziel ist, insbesondere die Nachhaltigkeit der Arbeitsverhältnisse im Tourismus und den Einfluss der Gästezufriedenheit zu untersuchen, sofern es die Datenlage erlaubt.

Ein weiteres denkbares Thema ist der Bodenverbrauch des Tourismus in den Regionen. Zudem kann die Biodiversität in touristisch geprägten Gebieten analysiert werden. In der Umweltgesamtrechnung wären auch Wasser- und Abfallkonten gemäss internationalen Vorgaben vorgesehen.

Die hier beschriebene regionalisierte Betrachtungsweise der monetären Tourismusstatistik und die Nachhaltigkeitsindikatoren zum Satellitenkonto Tourismus basieren auf Pilotstudien. Deshalb sollten Methodik und Aggregation der Ergebnisse bei einer Schätzung der Jahre ab 2019 weiter geprüft und optimiert werden. Insbesondere die Jahre ab 2019 stellen aufgrund der Covid-19-Pandemie für den Tourismus eine methodologische Herausforderung dar: Zum Beispiel kann sich das Verhältnis zwischen den Variablen Beschäftigung und Schadstoffausstoss hier wesentlich von früheren Jahren unterscheiden.

  1. Umweltgesamtrechnung | Bundesamt für Statistik (Admin.ch)[]

Zitiervorschlag: Jerry Suk, Fabian L. Schrey (2023). Wie steht es um die Nachhaltigkeit im Tourismus. Die Volkswirtschaft, 05. September.

Touristisches Satellitenkonto (TSA)

Das Satellitenkonto Tourismus wird alle drei Jahre veröffentlicht. Es erfasst den Anteil des Tourismus an der gesamtwirtschaftlichen Wertschöpfung und Beschäftigung sowie die Bedeutung des Tourismus für verschiedene Branchen der Wirtschaft.

Im Jahr 2021 betrug die touristische Bruttowertschöpfung 16,765 Milliarden Franken oder 2,4 Prozent der gesamtwirtschaftlichen Bruttowertschöpfung in der Schweiz. Die touristische Beschäftigung zählte 2021 158’092 Vollzeitstellen, was einem Anteil von 3,8 Prozent an der gesamtwirtschaftlichen Beschäftigung entspricht. Die touristischen Ausgaben beliefen sich 2021 auf insgesamt 35,367 Milliarden Franken.