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OECD hilft nationale Klimapolitiken zu optimieren

Die OECD will den Wissenstransfer über wirksame CO2-Reduktionsmassnahmen fördern. Das Ziel: Die globalen Emissionen sollen tatsächlich vermindert und nicht nur verlagert werden.
Teilnehmer einer Klimademonstration in Karachi, Pakistan. Die OECD will Länder unterstützen, Ansätze zu finden, die lokal funktionieren und die globalen Emissionen senken. (Bild: Keystone)

Viele Länder erhöhen zurzeit ihre klimapolitischen Ambitionen. Doch ihre politischen Zusagen reichen nicht aus, um bis Mitte des Jahrhunderts weltweit das Netto-null-Ziel zu erreichen. Verschiedene Szenarien deuten darauf hin, dass die angekündigten Zusagen die globalen Emissionen im Jahr 2050 auf etwa 20 Gigatonnen CO2 reduzieren könnten. Das ist zwar deutlich weniger als die derzeit jährlich emittierten 35 Gigatonnen, dennoch ist das weit vom Netto-null-Ziel entfernt.

Stand jetzt, müsste also viel mehr getan werden, um die Emissionen mit bekannten Massnahmen noch stärker zu mindern. Es braucht aber auch neue Wege, um treibhausgasfrei zu produzieren und zu konsumieren.

Wie man ein mehrheitsfähiges Massnahmenpaket schnürt

Soll die Bevölkerung politische Massnahmenpakete zur Reduktion von Treibhausgasen mittragen, müssen diese die Verteilungswirkungen auf die verschiedenen Bevölkerungsgruppen berücksichtigen – insbesondere auf Arme und weniger Privilegierte. Zudem braucht es länderspezifische Ansätze, welche die Ausgangsbedingungen, die kulturellen Präferenzen und die Entwicklungsaussichten einschliessen. Beispielsweise werden und können einzelne Länder stark auf marktbasierte Ansätze wie die Bepreisung von Kohlendioxid setzen, andere hingegen mehr auf Technologieförderung oder Verbote.

Vorrangig geht es darum, Ansätze zu finden, die lokal funktionieren und so die globalen Emissionen senken. Die Länder müssen also sicherstellen, dass ihre Politiken die Emissionen global reduzieren und nicht bloss verlagern. Das setzt voraus, dass politische Entscheidungsträger Zugang zu Erkenntnissen über bewährte Klimaschutzmassnahmen haben, damit sie diese den spezifischen Gegebenheiten ihres Landes anpassen können.

Eine Initiative fördert den Wissenstransfer

Um die Länder dabei zu unterstützen, hat die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) im Jahr 2023 das Inclusive Forum on Carbon Mitigation Approaches (IFCMA) ins Leben gerufen. Dieses soll dazu beitragen, die globale Wirkung von Emissionsminderungsmassnahmen auf der ganzen Welt zu optimieren: durch einen besseren Daten- und Informationsaustausch, evidenzbasiertes gegenseitiges Lernen und einen umfassenden multilateralen Dialog. Einschlägige Massnahmen im Sinne des Forums sind sowohl preisbasierte Massnahmen wie Kohlenstoffsteuern als auch nicht preisbasierte Massnahmen wie Vorschriften und Leistungsstandards

Am IFCMA nehmen mehr als 55 Staaten gleichberechtigt teil. Aktuell machen die beteiligten Länder eine Bestandsaufnahme (siehe Kasten) der bereits ergriffenen Massnahmen und prüfen deren Wirksamkeit.

Das IFCMA wurde bewusst multidisziplinär von der OECD aufgegleist und bringt dabei drei wichtige OECD-Bereiche zusammen, die sich mit Klima-, Steuer- und struktureller Wirtschaftspolitik befassen: Beteiligt sind die Wirtschaftsabteilung, das Umweltdirektorat und das Zentrum für Steuerpolitik und -verwaltung der OECD. Multidisziplinär deshalb, weil die OECD überzeugt ist, dass ein wirksamer Klimaschutz eine ganzheitliche Antwort der einzelnen Länder erfordert.

Ein geschützter Raum für Austausch

Natürlich gibt es bereits mehrere Datenerhebungen zu Klimaschutzmassnahmen. Das IFCMA wird andere internationale Bemühungen ergänzen.[1] Gleichzeitig will es aber umfassender und detaillierter vorgehen, um den Vergleich von Instrumenten und die Suche nach Best Practices zu erleichtern. Dazu wird das IFCMA auch eine Analyse der Wirksamkeit dieser Massnahmen zur Emissionsreduzierung durchführen.

Konkret soll das IFCMA ein «geschützter Raum» für multilateralen Dialog und gegenseitiges Lernen sein. Politische Entscheidungsträger haben hier die Möglichkeit, bewährte Verfahren vorzustellen oder solche kennen zu lernen, die den Klimazielen und der Situation ihrer Länder am besten entsprechen. Solche politischen Informationen, wie sie das IFCMA erarbeitet, können wiederum den Dialog in anderen internationalen Zusammenhängen unterstützen, so etwa beim Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen über Klimaveränderungen (UNFCCC).

Auftakt mit Delegierten aus 104 Ländern

Das IFCMA traf erstmals im Februar 2023 zusammen. Teilgenommen haben mehr als 600 hochrangige Beamte und Delegierte aus 104 Ländern – darunter auch die Schweiz – sowie mehrere internationale Organisationen. Bereits im Juni fand ein erstes technisches Treffen statt, bei dem Experten den Inhalt der Arbeiten erörtert und weiter vorangetrieben haben (siehe Kasten).

Dem IFCMA gehören derzeit mehr als 55 Länder an, und viele weitere haben ihr Interesse bekundet oder befinden sich im Beitrittsprozess. Die Arbeit des IFCMA wird auch in enger Abstimmung mit den einschlägigen internationalen Organisationen durchgeführt. Das soll den gegenseitigen Wissensaufbau fördern, Doppelarbeit vermeiden und sicherstellen, dass die Ergebnisse des IFCMA sowohl auf nationale als auch auf internationale Ziele ausgerichtet sind.

Die IFCMA soll weder als normgebendes Gremium noch als Forum zur «Einstufung» von Ländern dienen. Um das gemeinsame globale Ziel von netto null Emissionen zu erreichen, besteht die zentrale Herausforderung darin, die kombinierte globale Wirkung aller individuellen Bemühungen zur Reduktion des Ausstosses zu optimieren. Das IFCMA wird die Bemühungen um eine Verringerung der Kohlenstoffemissionen weltweit kohärenter und besser koordinieren. Dies wird umso wichtiger, je mehr die Länder die Lücke zwischen ihren Zusagen und ihren tatsächlichen Minderungsmassnahmen schliessen.

  1. Siehe etwa «Policy Instruments for the Environment Database» und «Effective Carbon Rates» der OECD sowie die «Policies and Measures Database» der IEA. []

Zitiervorschlag: David Bradbury, Kurt Van Dender (2023). OECD hilft nationale Klimapolitiken zu optimieren. Die Volkswirtschaft, 10. Oktober.

Die Prioritäten des IFCMA

Zu den Arbeiten, auf welche die Mitglieder sich einigten, gehört eine Bestandsaufnahme aller klimapolitischen Instrumente, welche die Länder einsetzen. Dafür soll eine international standardisierte Typologie geschaffen werden. Die erfassten Massnahmen werden dann ihrer Emissionsbasis zugeordnet, um den Anteil an den Emissionen zu ermitteln, den sie abdecken, unter Berücksichtigung von Ausnahmen und sonstigen Sonderregelungen.

Zudem soll eine einheitliche Methodik erarbeitet werden, um zu bewerten, wie sich Massnahmen auf die Emissionsreduzierung in den Ländern auswirken. Dazu wird das IFCMA die bisher verfügbaren Methoden überprüfen und einen gemeinsamen Ansatz für alle Länder entwickeln.

Methoden zur Berechnung der Kohlenstoffintensität von Gütern und Sektoren sind eine wichtige Kennzahl, um Fortschritte zu messen, und sie helfen Massnahmen auf globaler Ebene einzuführen. Diese Methoden sollen untersucht werden, um ihre Weiterentwicklung zu unterstützen.