Suche

Abo

Schriftgrösse
100%

Henrique Schneider, Stellvertretender Direktor Schweizerischer Gewerbeverband (SGV), Bern

Klimaschutz ist eine wichtige Aufgabe. Sie geht alle etwas an. Doch jeder geht mit dieser Aufgabe anders um. Denn individuelle Situationen erfordern individuelle Lösungen. Genau das ist der Kern des Übereinkommens von Paris und genau das geht in der Schweizer Diskussion derzeit verloren.

Hauseigentümer, Autofahrer, Landwirte und Unternehmer – sie alle tun schon viel. Die Schweiz ist eines der Länder mit dem wirkungsvollsten Klimaschutz. Das wird bestätigt vom tiefen CO2-Ausstoss pro Kopf und pro Franken Wertschöpfung.

Der Schlüssel zum Schweizer Erfolg wird die Vielfalt der Massnahmen sein. Man kann quasi selber auswählen, wie man Klimaschutz betreiben will: Man kann die CO2-Abgabe bezahlen oder an Energieeffizienzprogrammen teilnehmen. Man kann inländische und ausländische Emissionsreduktions-Zertifikate kaufen oder verkaufen. Und man kann am Gebäudeprogramm teilnehmen oder einen Steuerbonus für Elektromobilität auf die Fahrzeugsteuer erhalten.

Doch das sind nur einige Beispiele, die heute in der Schweiz möglich sind. Die Logik hinter diesem Auswahlprinzip ist: Jeder nimmt die Instrumente, welche für ihn am meisten Wirkung zu den tiefsten Kosten bringen. Dieses Verhältnis kann praktisch nur im Einzelfall bestimmt werden. Die Ziele sind gegeben und die entsprechenden Instrumente sind bereitgestellt. Die Auswahl der Instrumente ist Sache der Individuen. Das ist effizient.

Dieselbe Logik kennt das Klima-Übereinkommen von Paris. Dieses hat die Schweiz 2017 ratifiziert mit dem erklärten Ziel, bis 2030 die Emissionen gegenüber 1990 zu halbieren. Auch das Übereinkommen selbst hält viele Vorschläge für Instrumente bereit, um den Klimawandel einzudämmen oder um sich an seine Folgen anzupassen. Dazu gehören etwa der Technologietransfer, die Klimafinanzierung, der Zertifikatehandel und die internationale Zusammenarbeit.

 

Das Problem der Schweiz ist ihr Kult um die Abgaben.

 

So weit, so gut. Doch leider verabschiedet sich die Schweiz zunehmend von dieser Logik und gefährdet damit den Erfolg ihrer Klimapolitik. Das Problem der Schweiz ist ihr Kult um die Abgaben. Die Politik fokussiert immer mehr auf die Besteuerung des CO2-Ausstosses, wie die politisch geforderte Verteuerung des Verkehrs und des Stroms zeigt. Das Resultat: weniger Interesse an der echten Emissionsminderung, mehr Ausstoss und eine zunehmende Schlechterstellung der Leute.

Kein Wunder: Denn je engmaschiger die regulatorischen Eingriffe in die Privatsphäre, desto weniger effektiv ist der Klimaschutz – und desto ineffizienter und teurer. Umgekehrt gilt: Je mehr Auswahl man den Leuten gibt, desto wirksamer und kostengünstiger fällt die Emissionsminderung aus.

Universelle Lösungen zum Klimawandel gibt es keine – schon gar nicht in Form von Abgaben. Deshalb ist es wichtig, ein flexibles Instrumentarium zu haben, das die individuelle Situation berücksichtigt. Damit – und nur damit – gelingt demokratisch legitimierter Klimaschutz.

Zitiervorschlag: Schneider, Henrique (2023). Vielfalt bringts. Die Volkswirtschaft, 10. Oktober.