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Das geldpolitische Konzept der SNB bewährt sich

Das geldpolitische Konzept der Schweizerischen Nationalbank bewährt sich auch in schwierigen Zeiten. Im Laufe des Jahres 2022 wurde es umfassend überprüft und leicht angepasst, um den veränderten Rahmenbedingungen gerecht zu werden.
Spricht die Schweizerische Nationalbank, hört die Öffentlichkeit gebannt zu. Mikrofone am Rednerpult der SNB. (Bild: Keystone)

Die Bundesverfassung beauftragt die Schweizerische Nationalbank (SNB) in Artikel 99 als unabhängige Zentralbank, die Geld- und Währungspolitik im Gesamtinteresse des Landes zu führen. Der Auftrag wird im Nationalbankgesetz präzisiert. Demnach ist es Aufgabe der SNB, die Preisstabilität zu gewährleisten und dabei der konjunkturellen Entwicklung Rechnung zu tragen.

Mit ihrem geldpolitischen Konzept setzt die Nationalbank den Rahmen für die geldpolitische Entscheidfindung. Es ist seit 2000 in Kraft und wird laufend auf seine Zweckmässigkeit hin überprüft – hat über die Jahre aber nur geringfügige Anpassungen erfahren.[1] Der Grund dafür ist einfach und erfreulich zugleich: Das Konzept ist äusserst robust und hat sich gerade in sehr schwierigen Situationen wie der globalen Finanzkrise, der Euro-Staatsschuldenkrise oder der Corona-Pandemie bewährt. Auch angesichts des internationalen Inflationsanstiegs, den die Auswirkungen der Pandemie und der Krieg in der Ukraine ausgelöst haben, leistet das Konzept gute Dienste.

Überprüfung im Tiefzinsumfeld

Die letzte umfassende Überprüfung ihres geldpolitischen Konzepts schloss die SNB 2022 ab. Sie ist in ihrem Rechenschaftsbericht ausführlich erläutert. Auslöser war der globale Rückgang des allgemeinen Zinsniveaus über die vorangegangenen drei Jahrzehnte. Die Leitzinssenkungen, die nach Ausbruch der globalen Finanzkrise 2008 erforderlich wurden, schränkten den Spielraum für eine Lockerung der Geldpolitik über noch tiefere Zinsen ein. Deshalb griffen die Zentralbanken zu unkonventionellen geldpolitischen Massahmen wie zum Beispiel der quantitativen Lockerung (QE – Ankäufe von Vermögenswerten). Unkonventionelle Massnahmen nehmen inzwischen einen festen Platz im geldpolitischen Instrumentarium ein. Trotzdem war die Zeit zwischen globaler Finanzkrise und Corona-Pandemie von tiefer Inflation geprägt, die teilweise deutlich unter den Zielwerten der Zentralbanken lag.

Auch in der Schweiz war die Inflation seit der Finanzkrise sehr tief; wiederholt kam es zu deflationärem Druck. Um ihr Mandat zu erfüllen, kaufte die Nationalbank zeitweise in grossem Stil Devisen. So wirkte sie dem Aufwertungsdruck auf den Franken entgegen und sorgte damit für angemessene monetäre Bedingungen und so für Preisstabilität. Vor dem Hintergrund der veränderten Herausforderungen für die Geldpolitik über die letzten Jahre bot sich daher eine vertiefte Überprüfung des geldpolitischen Konzepts an.

Definition von Preisstabilität wird beibehalten

Im Rahmen der Überprüfung wurden alle drei Elemente des geldpolitischen Konzepts durchleuchtet: die Definition der Preisstabilität, die bedingte Inflationsprognose als Entscheidungsgrundlage und zentrales Mittel der Kommunikation und die Festlegung des SNB-Leitzinses zur Umsetzung der Geldpolitik am Franken-Geldmarkt. Die kritische Auseinandersetzung mit dem eigenen Konzept war ergebnisoffen und schloss grundlegende Fragen ein: Sollte die Definition der Preisstabilität weiterhin einen Bereich für die tolerierbare Inflation umfassen – oder wäre ein Punktziel oder ein Durchschnitt über die Zeit der bessere Ansatz? Wäre ganz grundsätzlich ein höheres Inflationsziel von Vorteil? Sollte an der bedingten Inflationsprognose festgehalten werden – oder sollte sie durch eine unbedingte Prognose oder durch Prognosen gemäss Markterwartungen ersetzt werden?

Das erste Element, die Definition von Preisstabilität als Bereich zwischen 0 und 2 Prozent, ist für eine kleine offene Volkswirtschaft wie die Schweiz, die externen Schocks stark ausgeliefert ist, äusserst wertvoll. Sie ermöglicht es der Nationalbank, in Abhängigkeit vom wirtschaftlichen Umfeld flexibel zu reagieren und Kosten und Nutzen alternativer geldpolitischer Massnahmen gegeneinander abzuwägen. Ein grundsätzlich höheres Inflationsziel wäre mit erheblichen volkswirtschaftlichen Kosten verbunden. Zudem würde es von der Bevölkerung weder verstanden noch gutgeheissen. Deshalb wurde entschieden, das erste Element unverändert beizubehalten.

Zusätzliche Massnahmen zur Beeinflussung von Wechselkurs und Zinsniveau

Das zweite Element ist die bedingte Inflationsprognose – «bedingt» deshalb, weil sie zeigt, wie sich die Inflation entwickeln würde, wenn der aktuelle SNB-Leitzins über den Prognosezeitraum unverändert bliebe. Sie erleichtert die Kommunikation der Geldpolitik, weil sie Hinweise über die künftige Ausrichtung der Geldpolitik gibt, ohne konkrete Angaben über den künftigen Verlauf des Leitzinses machen zu müssen. Die Einschätzung des Inflationsdrucks und des geldpolitischen Handlungsbedarfs, die in der bedingten Inflationsprognose zum Ausdruck kommt, wird vom Publikum gut verstanden und begünstigt die Übertragung der Geldpolitik. Aus diesen Gründen wurde auch am zweiten Element festgehalten.

Angepasst wurde hingegen das dritte Element. Zur Umsetzung ihrer Geldpolitik legt die Nationalbank zwar wie bisher den SNB-Leitzins fest. Neu ist aber ausdrücklich vorgesehen, dass die SNB bei Bedarf den Wechselkurs oder das Zinsniveau auch mit zusätzlichen Massnahmen beeinflussen kann. Hierzu gehören auch Devisenmarktinterventionen. Damit trägt die Nationalbank der gestiegenen Bedeutung solcher Massnahmen in den vergangenen Jahren Rechnung. In einem Umfeld global tiefer Zinsen können sie zur Erreichung der Preisstabilität nötig werden, wenn der Leitzins bereits sehr tief ist.

Die grundlegende Überprüfung hat gezeigt, dass das geldpolitische Konzept der Nationalbank zweckmässig ist. Es hat sich bewährt und hat der Nationalbank auch in turbulenten Zeiten die Ausgestaltung und Umsetzung der Geldpolitik erleichtert. Das Festhalten an der Definition der Preisstabilität hat dazu beigetragen, dass die SNB dem jüngsten Inflationsanstieg entschieden begegnet ist, indem sie ab Ende 2021 eine Aufwertung zugelassen und ab 2022 den SNB-Leitzins angehoben hat. Das im dritten Element leicht ergänzte und ansonsten unveränderte Konzept erlaubt es der Nationalbank also, heute und in Zukunft eine glaubwürdig auf Preisstabilität ausgerichtete Geldpolitik zu führen.

  1. Im Juni 2019 führte die Nationalbank den SNB-Leitzins ein und ersetzte damit das Zielband für den 3-Monats-Libor. Mit der Festlegung der Höhe ihres Leitzinses trifft und kommuniziert die SNB ihre geldpolitischen Entscheide. []

Zitiervorschlag: Petra Tschudin, Carlos Lenz (2023). Das geldpolitische Konzept der SNB bewährt sich. Die Volkswirtschaft, 02. November.