Lea Flügel, Senior Projektleiterin, Finanzen und Steuern, Economiesuisse, Zürich
Der 80 Milliarden Franken schwere Bundeshaushalt ist der grösste und wichtigste öffentliche Haushalt der Schweiz. Ein solider Bundeshaushalt gewährleistet, dass die aus ihm finanzierten Leistungen fortgeführt werden können und dass der Bund zu günstigen Konditionen Geld beschaffen kann. Ausserdem macht er wahrscheinlich, dass das insgesamt massvolle Steuerniveau der Schweiz auch in Zukunft möglich bleibt. Für die Firmen hierzulande sind das wichtige Argumente. Gesunde öffentliche Finanzen sind deshalb ein erstklassiger Standortvorteil.
Die finanzielle Stabilität des Bundes ist eine direkte Folge der Schuldenbremse. Die in den 1990er-Jahren präzedenzlos gestiegenen Bundesschulden konnten so stabilisiert und abgebaut werden. Die Schuldenbremse ist ein Erfolg sondergleichen.
Haushaltsstabilität ist auch Krisenstabillität. Der Bund hat zur Bewältigung der Corona-Krise enorme Summen in die Hand genommen. Diese machten bekanntlich einzig darum wenig Kopfschmerzen, weil die Finanzlage im Krisenvorfeld gut und die Verschuldung tief war. Dass die Politik beschloss, die Corona-Schuld durch den Einsatz von Haushaltsüberschüssen und Gewinnausschüttungen der Schweizerischen Nationalbank bis 2035 wieder abzubauen, ist richtig. Auch in der nächsten Krise soll der Staat wieder gleich handlungsfähig sein.
Es kann nur so viel ausgegeben werden, wie eingenommen wird.
Allerdings: Die ausserordentliche Ausgabenflut während der Corona-Krise und das negative Zinsumfeld haben den Eindruck vermittelt, dass Geld für politische Zwecke praktisch unbeschränkt und kostenlos zur Verfügung stehe. Die Folgen sehen wir heute: Ausgabenbeschlüsse mit hohen Preisschildern, aber ohne Finanzierung wie etwa die Aufstockung der Armeeausgaben oder die neue Bundesfinanzierung der familienergänzenden Kinderbetreuung. Es zeichnen sich Defizite ab, die an die unrühmlichen Zeiten vor der Schuldenbremse erinnern. Wo stände die Schweiz heute ohne Schuldenbremse? Dort, wo zahllose andere Staaten stehen: gefangen in der Schuldenspirale.
Denn jetzt, wo die Zinsen wieder steigen, zahlt auch der Bund mehr für den Schuldendienst. Konkret: eine halbe Milliarde Franken Mehrkosten pro Jahr. Das bedeutet weniger Ausgaben in anderen Bereichen. Dass der Bundesrat den Haushalt im Gleichgewicht halten will und dafür Sparmassnahmen plant, ist deshalb vernünftig (und entspricht seinem Verfassungsauftrag). Wer nun klagt, Stabilisierung und Schuldenabbau seien angesichts der im internationalen Vergleich tiefen Verschuldung der Schweiz Selbstzweck, dem ist entgegenzuhalten, dass die Schuldenbremse etwas schafft, wozu die Politik selbst niemals fähig wäre: Spielraum für neue Projekte oder Steuersenkungen.
Die aktuell angespannte Finanzlage zeigt zudem: Ausgabenpolitik losgelöst von Finanzpolitik ist ein Unding und führt zu schlechten Resultaten. Einschneidende Sparübungen und enttäuschte Erwartungen sollen möglichst verhindert werden. Realitätssinn und Ehrlichkeit sind nun gefragt. Deshalb Hand aufs Herz: Es kann nur so viel ausgegeben werden, wie eingenommen wird.
Zitiervorschlag: Flügel, Lea (2023). Ohne Schuldenbremse droht die Schuldenspirale. Die Volkswirtschaft, 14. November.