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CO2-Ausstoss: Banken können Kreditnehmer kaum beeinflussen

Viele Geldinstitute bekennen sich zum Pariser Klimaabkommen. Führt diese Selbstverpflichtung dazu, dass Banken Kredite verstärkt hin zu grünen Unternehmen umlenken? Ja, sagt eine Studie, allerdings reduzieren besonders starke Emittenten ihren CO2-Ausstoss dadurch kaum.

CO<sub>2</sub>-Ausstoss: Banken können Kreditnehmer kaum beeinflussen

Greenpeace-Aktivisten appellieren 2021 auf dem Zürcher Paradeplatz an die Finanzinstitute, mehr Geld in eine klimaverträgliche Weltwirtschaft zu investieren. (Bild: Keystone)

Umweltschutz und Klimawandel sind heute aus gesellschaftlichen und politischen Debatten nicht mehr wegzudenken.[1] Im Zuge internationaler Klimaverhandlungen werden bereits seit den 1970er-Jahren wichtige Klimaereignisse wie der Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur besprochen und Abkommen verabschiedet. Vor allem seit 2010 wurde die Diskussion dynamischer. Die hohen Kohlenstoffemissionen spielten dabei eine zentrale Rolle. Ziel des Pariser Klimaabkommens von 2015 war es denn auch, diese so weit wie möglich zu reduzieren und damit die durchschnittliche Erderwärmung gegenüber dem vorindustriellen Zeitalter auf deutlich unter 2 Grad Celsius zu beschränken. Voraussetzung dafür ist allerdings der Übergang von emissionsintensiven fossilen zu umweltfreundlichen Technologien.

Banken sitzen am Schalthebel

Bei diesem Strukturwandel kann der Finanzsektor eine bedeutende Rolle spielen. Denn Banken sind wichtige Kapitalgeber von privaten Unternehmen und können deren Investitionen beeinflussen. Eine von den Vereinten Nationen ins Leben gerufene Initiative im Bankensektor setzt deshalb hier an. In der «Net-Zero Banking Alliance» verpflichteten sich 2021 weltweit Banken, die insgesamt rund 40 Prozent der globalen Bankenaktiva repräsentieren, ihre Kreditvergabe bis 2050 auf netto null Emissionen auszurichten. Schon 2015 hatte die «Science Based Targets Initiative» ähnliche Ziele. Doch sind solche freiwilligen Initiativen tatsächlich wirkungsvoll, und können sie zum Erreichen der Klimaziele beitragen?

Die Wirtschaftswissenschaftler Marcin Kacperczyk und José-Luis Peydró vom Imperial College London fragen in ihrer Studie deshalb: Können Banken, die sich den Klimazielen verpflichten, tatsächlich finanzielle Mittel von emissionsstarken in emissionsarme Investitionen umlenken? Können emissionsintensive Firmen offene Finanzlücken nicht einfach aus anderen Quellen kompensieren? Und sinken die CO2-Emissionen der Firmen unter dem Strich tatsächlich?

Für die Analyse nutzen die Forscher einen Datensatz von über 2000 international tätigen Firmen mit Sitz in den USA, der EU und dem Vereinigten Königreich zwischen 2013 und 2018 (siehe Kasten). Im Durchschnitt hat ein Unternehmen aus dem Datensatz Schulden im Wert von 1,3 Milliarden Dollar. 40 Prozent davon sind Bankschulden, der Rest ist vorwiegend über den Kapitalmarkt finanziert. Gemäss Unternehmensquellen emittierte eine Firma zwischen 2013 und 2014 durchschnittlich etwa 3,5 Millionen Tonnen Treibhausgase pro Jahr. Ihre jährlichen explizit ausgewiesenen Umweltinvestitionen waren mit knapp einem Prozent des Gesamtvermögens gering.

Verpflichtete Banken reduzieren Kredite

Die Studie bestätigt: Banken verändern ihre Kreditvergabe, nachdem sie sich 2015 den Klimazielen der «Science Based Targets Initiative» verpflichtet haben. Die Autoren analysieren jene Firmen genauer, welche überdurchschnittlich viele Treibhausgase ausstossen (das heisst rund 13,8 Millionen Tonnen mehr als der Durchschnitt). Diese Betriebe erhalten nach den Klimaverpflichtungen ihrer Banken um 12,2 Prozentpunkte weniger Bankkredite als Betriebe, die bei anderen Banken Kredite aufnahmen. Gleichzeitig reduzierten sich im Schnitt die Gesamtschulden dieser Firmen nach dem ersten Quartal 2015 um zusätzliche 6,4 Prozentpunkte gegenüber Firmen, die keine Geschäftsbeziehung zu einer Bank mit Verpflichtung hatten.

Dabei ist es offenbar nicht unbedingt so, dass Banken die finanziellen Risiken von umweltverschmutzenden Unternehmen höher einschätzen und deshalb weniger Kredite vergeben. Denn der Einfluss des Emissionslevel auf die Bankverschuldung bei Firmen ohne Verbindung zu Banken mit Klimaverpflichtung ist durchgehend nicht signifikant (siehe Abbildung, links). Anders bei jenen Firmen, die bereits einmal einen Kredit von einer verpflichteten Bank erhalten haben: Die Emissionen haben dort teilweise einen signifikant negativen Einfluss auf die Bankverschuldung, nachdem die Banken ab 2015 solche Selbstverpflichtungen eingegangen sind (siehe Abbildung, rechts).

Veränderung der Bankschulden von emissionsintensiven Firmen mit Beziehung zu Banken mit/ohne Klimaverpflichtungen, in Prozentpunkten (2013–2016)

Quelle: Kacperczyk und Peydró, 2021, S. 36 / Die Volkswirtschaft

 

Weiter zeigt die Studie, dass Banken unabhängig vom Ausfallrisiko und der Teilnahme an der «Science Based Targets Initiative» Kredite an emissionsstarke Betriebe reduzierten. Denn auch wenn man die Risikobewertung der Firmen berücksichtigt, reduzierten sich die Bankkredite von überdurchschnittlich emissionsintensiven Firmen mit verpflichteten Banken um 5,1 Prozentpunkte stärker als bei Firmen, deren Banken keine Klimaverpflichtung eingingen. Wenn Banken unabhängig von diesem wichtigen Entscheidfaktor die Kredite reduzieren, spricht das für die Hypothese, dass die verpflichteten Banken umweltschädliche Technologien und Aktivitäten tatsächlich eindämmen wollen und dies nicht nur deshalb tun, weil sie die finanziellen Risiken von umweltverschmutzenden Unternehmen höher einschätzen.

Kaum Einfluss auf CO2-Ausstoss

Bleibt noch die Frage, ob überdurchschnittlich emissionsstarke Betriebe den Kreditrückgang durch andere Finanzmittel kompensieren können? Die Autoren zeigen, dass sich der relative Verschuldungsgrad jener Firmen insgesamt nur unwesentlich verringerte. Jedoch gingen der absolute Schuldenstand und die Investitionen signifikant zurück. Das bedeutet: Emissionsstarke Firmen nehmen im Schnitt keinen Wandel zu grünen Technologien vor, aber sie schrumpfen. Ganz im Gegenteil zu den nachhaltigsten Firmen. Diese konnten ihre Kredite im Vergleich zu den restlichen Unternehmen um 15 Prozent erhöhen und ihre Investitionen sogar um rund 18 Prozent steigern.

Beeinflussen Banken nun also durch die Umlenkung der Kredite die CO2-Emissionen von emissionsintensiven Unternehmen? Die Antwort lautet: kaum. Die Daten liefern keine starken Hinweise dafür. Die Banken stellen diesen Firmen für den Wandel zu grünen Technologien nicht die notwendigen Mittel zur Verfügung. Die über ihre Bank indirekt an Klimaverpflichtungen gebundenen Firmen verringern zwar im Schnitt ihre Emissionen. Die Effekte sind aber ökonomisch klein.

  1. Dieser Artikel fasst im Rahmen der Serie «Next Generation» die Studie von Kacperczyk und Peydró (2021) zusammen. []

Literaturverzeichnis
  • Kacperczyk, Marcin und José Luis Peydró (2021). Carbon Emissions and the Bank-Lending Channel, Centre for Economic Policy Research, Discussion Paper Series DP16778, S. 1–54.

Bibliographie
  • Kacperczyk, Marcin und José Luis Peydró (2021). Carbon Emissions and the Bank-Lending Channel, Centre for Economic Policy Research, Discussion Paper Series DP16778, S. 1–54.

Zitiervorschlag: Lia Sonvilla (2023). CO2-Ausstoss: Banken können Kreditnehmer kaum beeinflussen. Die Volkswirtschaft, 05. Dezember.

Die Studie im Detail

Die Studie nutzt Daten mit Informationen zu Emissionen, Investitionen und Finanzierung von 2112 internationalen Firmen im Zeitraum 2013 bis 2018. Die Daten geben auch Auskunft zu ihren Kreditgebern. Knapp ein Drittel der Firmen befindet sich in den USA, ein weiteres Viertel in der Europäischen Union und im Vereinigten Königreich. Unter den Kreditgebern sind 59 Banken, welche sich entweder bereits zu Emissionsreduzierungen verpflichtet haben oder Ziele festgelegt haben. Diese sind an circa 60 Prozent der erfassten Kredite beteiligt.

Die Selbstverpflichtung der Banken fand in zwei Schritten statt. Im zweiten Quartal 2015 sowie im zweiten Quartal 2016 beschloss eine Vielzahl Firmen, sich den Klimazielen der «Science Based Targets Initiative» zu verpflichten. Rund drei Viertel der untersuchten Firmen hatten eine Kreditbeziehung zu mindestens einer Bank mit Klimaverpflichtung. Diese hohe Zahl begründet sich vor allem dadurch, dass diese Banken sehr aktiv im Markt für sogenannte syndizierte Kredite sind, die jeweils von mehreren Banken gemeinsam vergeben werden. Der Anteil der verpflichteten Banken unter allen Kreditgebern eines Unternehmens ist jedoch mit 15 Prozent eher gering.

Serie: Next Generation

Dieser Artikel ist Teil der Reihe «Next Generation». Darin fassen herausragende Studierende der Universität St. Gallen aktuelle und bedeutende Forschungsresultate von international renommierten Ökonominnen und Ökonomen kompakt zusammen. Betreut und herausgegeben wird die Reihe von Christian Keuschnigg, Professor für Nationalökonomie und öffentliche Finanzen, und Michael Kogler, Lehrbeauftragter für Volkswirtschaftslehre. Weitere Artikel der Reihe finden Sie hier sowie auf der Website der Universität St. Gallen.