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Entwicklungsländer: Energiewende mit inländischem Kapital

Die Entwicklungsländer brauchten jährlich über 3 Billionen US-Dollar, um die Entwicklungsziele zu erreichen und die Energiewende zu schaffen. Wie können sie dies tun, ohne sich weiter international zu verschulden? Mit einer inländischen Lösung – unterstützt vom Ausland.
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Vietnam will seine Stromerzeugung bis 2030 verdoppeln. Inländisches Kapital ist gefragt. Stromkabel und Lautsprecher in der Altstadt von Hanoi. (Bild: Keystone)

Entwicklungsländer müssen ihre dringend benötigte Infrastruktur so bauen, dass sie drohenden Klimakatastrophen trotzt. Viele Regierungen stehen dabei jedoch vor einem Dilemma: Die nachhaltige Infrastruktur benötigt oft ausländisches Fremdkapital, das ihre bereits hohe Schuldenlast weiter erhöht. Um dies zu verhindern, gibt es eine Lösung: die Mobilisierung von inländischen Ersparnissen in lokaler Währung. Indem inländische institutionelle Investoren angezapft werden, können inländische Kapitalmärkte gestärkt werden, und es können sich in der Folge Sekundärmärkte entwickeln.

Vietnam – Transition zu erneuerbarer Energie

Vietnam ist eines jener Länder mit hohem Bedarf an Investitionen in die Energieinfrastruktur: Das Land prognostiziert, dass es seine Stromerzeugung bis 2030 verdoppeln muss, um die Nachfrage zu befriedigen. Dabei soll der Anteil von erneuerbaren Energien an der Stromerzeugung von 36 Prozent (2023) auf mindestens 47 Prozent gesteigert werden. Dieses ehrgeizige Ziel ist auch in der «Just Energy Transition Partnership», kurz JET-P, festgehalten. Die Europäische Union, die USA und andere Länder beabsichtigen, Vietnam dabei finanziell zu unterstützen. Das ist auch nötig, da die Initiative viel Geld kosten wird: Für die nächsten drei bis fünf Jahre müssen Finanzmittel in Höhe von über 15,5 Milliarden US-Dollar mobilisiert werden. Um dabei nicht nur ausländisches Kapital heranzuziehen, könnten in Vietnam auch institutionelle Investoren wie Pensionskassen und Versicherungsgesellschaften einen wichtigen Beitrag zur JET-P leisten. Doch wie können diese effektiv mobilisiert werden?

Erfolgsmodell in Nigeria

Die meisten Kredite für solche Projekte laufen heute in ausländischen Währungen (meist in US-Dollar). Mit inländischem Kapital könnten jedoch gewisse Risiken minimiert werden – insbesondere die Abhängigkeit von den ausländischen Geldgebern oder Wechselkursschwankungen. Diese Mobilisierung kann gelingen, wenn staatliche Gelder und ausländische Entwicklungsgelder als Garantien bereitstehen.

Ein Beispiel für eine sogenannte Garantiefazilität in Lokalwährung ist die nigerianische Infracredit-Plattform. Das innovative Modell wird von der wirtschaftlichen Entwicklungszusammenarbeit des Staatssekretariats für Wirtschaft (Seco) unterstützt. Die Infracredit-Plattform erlaubt die Ausgabe infrastrukturbezogener Schuldscheine, in welche lokale Pensionsfonds, Versicherungsunternehmen und andere langfristige Investoren investieren können. Die unterliegenden, hoch bewerteten Garantien tragen dazu bei, dem Risiko-Profit-Profil der institutionellen Anleger zu entsprechen. Die Garantien können im Falle eines Zahlungsausfalls auf Verlangen in Anspruch genommen werden. Infrastrukturen als Anlageklasse haben sich weltweit als «sicherer» herausgestellt als ursprünglich angenommen, da sie in der Regel von wesentlichem Volumen sind und überdurchschnittliche Wiederverkaufswerte aufweisen. Dies spiegelt sich in der Performance wider: Infracredit hat in den sieben Jahren seiner Tätigkeit noch keine Garantie in Anspruch genommen.

Die 2017 eingerichtete Infrastruktur-Garantiefazilität in Nigeria stellte bis Juni 2023 über 300 Millionen US-Dollar an Garantien in Landeswährung bereit. Damit konnten 19 Pensionsfonds als Investoren für 14 Infrastrukturprojekte gewonnen werden. Zu den Projekten gehören dezentrale erneuerbare Energien über Solar-Hybrid-Mini-Grid-Lösungen in den Bundesstaaten Lagos, Rivers und Imo oder im Bundesstaat Niger die Überholung der Stromerzeugungseinheit eines Wasserkraftwerks und die Erweiterung seiner Stromerzeugungskapazität.

Garantiefazilität für Infrastruktur auch in Vietnam

Die internationale Organisation The Private Infrastructure Development Group (PIDG) trug massgeblich zur Gründung der Infracredit-Plattform in Nigeria bei. Nun plant sie, dieses Erfolgsmodell auf Vietnam auszuweiten. Die PIDG wurde 2002 vom Vereinigten Königreich, den Niederlanden, der Schweiz, Schweden, Australien und der Internationalen Finanzkorporation gegründet, um mit konzessionellen Entwicklungsgeldern private Finanzmittel für nachhaltige Infrastrukturprojekte in Afrika südlich der Sahara sowie in Süd- und Südostasien zu mobilisieren. Die Organisation leistet damit einen konkreten Beitrag zu den Zielen für nachhaltige Entwicklung und jenen des Pariser Abkommens.

Die PIDG hat seit 2002 in 211 Projekte 5 Milliarden US-Dollar investiert und über 39 Milliarden US-Dollar mobilisiert, wovon 24 Milliarden US-Dollar private Mittel sind. Dadurch konnten über 222 Millionen Menschen mit neuen oder verbesserten Infrastrukturen versorgt werden. Die kürzlich lancierte «PIDG 2023–30 Strategy» will Klima- und Naturschutzmassnahmen und nachhaltige Entwicklung fördern, indem sie den Zugang zu Infrastruktur und die Mobilisierung von lokalen Investoren verbessert. Auch in Vietnam wird die PIDG nun das Engagement danach ausrichten.

Das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) hat die PIDG seit der Gründung mit insgesamt 225 Millionen US-Dollar unterstützt und ist damit drittgrösster Geber der PIDG. Dieses Engagement stellt somit eine der grössten Entwicklungsinitiativen des Seco dar.

Zitiervorschlag: Walz, Janine; Giroud, Silvio; Valahu, Philippe (2023). Entwicklungsländer: Energiewende mit inländischem Kapital. Die Volkswirtschaft, 15. Dezember.