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Heute Homeoffice, morgen Rückenschmerzen?

Eine Umfrage des Seco liefert neue Erkenntnisse über die Einrichtung von Arbeitsplätzen zu Hause. Diese zu berücksichtigen, stellt nun eine Herausforderung bei der Prävention von Erkrankungen des Bewegungsapparats dar.

Heute Homeoffice, morgen Rückenschmerzen?

Homeoffice ist seit der Covid-19-Pandemie weit verbreitet. Immer mehr arbeiten dort ergonomisch gesund – anders als der Mann auf dem Bild. (Bild: Keystone)

Im Frühjahr 2020 mussten zahlreiche Arbeitnehmende während des ersten Teil-Lockdowns plötzlich zu Hause bleiben: Der Küchentisch wurde über Nacht zum Büro. Nur die Krümel des Frühstücksgipfeli erinnerten an seine ursprüngliche Funktion. Obwohl seit Langem bekannt ist, wie der optimale Arbeitsplatz aussieht, befassten sich wissenschaftliche Publikationen bisher kaum mit der Untersuchung von Heimarbeitsplätzen.[1]

Die Ergonomie im Homeoffice und die gesundheitlichen Risiken (vor allem Muskel- und Skeletterkrankungen, MSE), die mit einer unpassenden Einrichtung des Arbeitsplatzes einhergehen, wurden wegen des enormen Aufkommens von Homeoffice während der Covid-19-Pandemie wichtiger. Da zahlreiche Arbeitnehmende nach wie vor an mehreren Tagen pro Woche im Homeoffice arbeiten, bleiben sie auch weiterhin aktuell: Der Anteil der Erwerbstätigen, die zumindest teilweise zu Hause arbeiteten, stieg zwischen 2019 und 2022 von 24,6 Prozent auf 37,1 Prozent und erreichte 2021 im partiellen Lockdown einen Höchstwert (39,6 Prozent).[2]

Das Aufkommen von MSE steht im Zusammenhang mit bestimmten Merkmalen des Homeoffice wie beispielsweise den Arbeitsbedingungen (viele Stunden am Computer, statische Körperhaltung und repetitive Bewegungen), der Arbeitsumgebung zu Hause (Möbel, verfügbarer Platz, Lichtquellen) oder dem individuellen Verhalten (fehlende körperliche Aktivität).[3] Empirische Erkenntnisse zur Einrichtung von Heimarbeitsplätzen sind für Unternehmen daher unabdingbar, um Präventionsmassnahmen zum Gesundheitsschutz ihrer Mitarbeitenden zu treffen.

Schwachstellen bei der Arbeitsplatzausrüstung zu Hause

Das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) führte eine Umfrage zur Digitalisierung in den Unternehmen[4] durch und befragte dazu über 1332 Arbeitnehmende, von denen 217 Personen erklärten, hauptsächlich im Homeoffice zu arbeiten.[5]85,2 Prozent der Befragten glauben, der zu Hause verwendete Computer und Bildschirm seien von ähnlicher oder besserer Qualität als die im Büro; 43,7 Prozent gaben an, ihr Arbeitszimmer zu Hause sei besser als die Infrastruktur bei ihrem Arbeitgeber. Der Bürostuhl (36,6 Prozent) und der Arbeitstisch (36,2 Prozent) hingegen werden am häufigsten als qualitativ schlechter bezeichnet (siehe Abbildung).

Ergebnisse der Umfrage zur Qualität der Arbeitsumgebung und der Arbeitsinstrumente im Homeoffice

Anmerkung: Umfang der Stichprobe: N = 217. Es wurde folgende Frage gestellt: «Wie beurteilen Sie Ihre Arbeitsumgebung bzw. Ihre Arbeitsmittel zu Hause im Vergleich zur Infrastruktur des Arbeitgebers?»
Quelle: Cianferoni (2023) / Die Volkswirtschaft.

Gesundheits- und Sicherheitsvorkehrungen anpassen

Die Umfrage des Seco gibt einen Einblick in den aktuellen Stand der Einrichtung von Arbeitsplätzen im Homeoffice: Sie scheinen keine gravierenden Mängel mehr aufzuweisen, wie sie in einigen vor der Pandemie durchgeführten Studien[6] erwähnt wurden. Wahrscheinlich sind die Arbeitnehmenden seither besser ausgerüstet. Die Tatsache, dass ein recht grosser Teil der Arbeitnehmenden (43,7 Prozent) der Ansicht ist, zu Hause über einen besseren Arbeitsplatz zu verfügen, könnte teilweise die Attraktivität von Homeoffice erklären.

Es wäre allerdings interessant gewesen, mehr über die Arbeitsplätze zu erfahren, die von den Arbeitnehmern zur Verfügung gestellt werden. Denn die Einrichtung von Grossraumbüros (mehr als 20 Personen) oder Gruppenbüros (von mehreren Personen geteilter Arbeitsraum) ist dafür bekannt, dass sie von den Arbeitnehmenden oft als problematisch wahrgenommen wird (fehlende Privatsphäre, Ablenkungs- oder gar Störfaktoren, wenn beispielsweise mehrere Personen im selben Büro gleichzeitig telefonieren).

Die von der Umfrage aufgezeigten Schwachstellen dürfen jedoch nicht ignoriert werden. Der Arbeitgeber ist verpflichtet, die erforderlichen Massnahmen zum Gesundheitsschutz seiner Angestellten umzusetzen, und zwar auch dann, wenn diese zu Hause arbeiten. Im Rahmen der im Arbeitsgesetz festgelegten Aufsichtspflichten und Vollzugsaufgaben hat das Seco eine Broschüre mit Empfehlungen herausgegeben. Diese beziehen sich auf den Gesundheitsschutz von Mitarbeitenden im Homeoffice, insbesondere auf die Einrichtung des Arbeitsplatzes. Die Bestimmungen des Arbeitsgesetzes gelten beispielsweise auch unabhängig vom Arbeitsort, und die Arbeitgeber müssen folglich auch Arbeitnehmende, die von zu Hause aus arbeiten, in ihre Gesundheitsschutzmassnahmen einschliessen.

Die grosse Verbreitung von Homeoffice zieht tiefgreifende Veränderungen bei der Arbeitsorganisation nach sich und stellt die Unternehmen vor neue Herausforderungen wie beispielsweise die Personalführung auf Distanz oder die Verkleinerung der Bürofläche als Sparmassnahme.[7] Es ist nun entscheidend, dass die Arbeitsbedingungen im Homeoffice in den Gesundheitsschutz- und Sicherheitsvorkehrungen der Arbeitgeber integriert werden.

  1. Siehe Macedo et al (2020). []
  2. Siehe Website des Bundesamts für Statistik (BFS). []
  3. Siehe Cruz-Ausejo et al. (2022). []
  4. Siehe Cianferoni (2023). []
  5. Aufgrund der geringen Anzahl Personen in dieser Teilstichprobe müssen diese Zahlen mit Vorsicht und unter Berücksichtigung recht grosser Fehlerspannen interpretiert werden. Die Antworten lassen auch keine Beurteilung der absoluten Qualität der am Heimarbeitsplatz der Arbeitnehmenden verwendeten Arbeitsgeräte zu. []
  6. Siehe insbesondere Wütschert et al. (2022). []
  7. Siehe Cianferoni (2021). []

Literaturverzeichnis

Bibliographie

Zitiervorschlag: Nicola Cianferoni (2023). Heute Homeoffice, morgen Rückenschmerzen. Die Volkswirtschaft, 05. Dezember.