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Christian Plüss, Leiter Postauto und Mitglied der Konzernleitung Post, Bern

Als sich 1906 das erste Postauto von Bern auf den Weg nach Detligen machte, deutete wenig auf die Rolle hin, die den gelben Bussen bei der Erschliessung der Schweiz bald zukommen würde. Doch nach dem Ersten Weltkrieg verfestigte sich in Bern der Wille, die bislang isolierten Alpentäler zuerst mit spektakulären Brücken zu erschliessen und dann mithilfe der Postautos an den Rest der Schweiz anzubinden.

Dieser systematische Aufbau eines schweizweiten ÖV-Netzes veränderte das Leben der Menschen in den peripheren Regionen nachhaltig. Nicht wenige zog es in die plötzlich näher gerückten Städte. Gleichzeitig brachten Tourismus und Elektrizitätswirtschaft neue Verdienstmöglichkeiten in die abgelegenen Täler. Immer im Einsatz: die Postautos.

Daran hat sich bis heute wenig geändert. Postauto ist Service public in Reinkultur. Es ist Ausdruck des politischen Willens, niemanden abzuhängen. Auch dann nicht, wenn es topografisch schwierig wird und ökonomisch auf den ersten Blick wenig Sinn ergibt.

 

Postauto ist Ausdruck des politischen Willens, niemanden abzuhängen.

 

Diese einmalige Geschichte macht uns stolz. Den Blick auf die veränderten Kundenbedürfnisse vernebeln darf sie uns nicht. Die Vierpässefahrt im Postauto bleibt ein einmaliges Erlebnis. Aber die weitaus meisten unserer Fahrgäste sind heute in die kleinen und grossen Zentren der Schweiz Pendelnde, oder sie nutzen das Postauto für ihre unterschiedlichsten Freizeitaktivitäten. Entsprechend erwarten sie zunehmend flexible und ökologische Angebote, die auf digitalen Kanälen plan- und buchbar sind. Diesen Anforderungen wird ein leeres Diesel-Postauto, das im Stundentakt an einem verregneten Mittwochmorgen in ein kaum bewohntes Bergtal fährt, nicht mehr gerecht.

Damit der öffentliche Verkehr die Schweiz auch in Zukunft zusammenhält, muss er sich weiterentwickeln. Erstes Gebot für Postauto ist dabei die Elektrifizierung der Flotte. Zum ersten Mal hat im letzten Sommer ein elektrisch betriebenes Postauto die Strecke von Saanen über den Jaunpass bedient. Die Technologie ist da, ein fossilfreier öffentlicher Verkehr ist auch im Berggebiet möglich. Jetzt braucht es rasche und gemeinsame Schritte von Transportunternehmen, Bund und Kantonen, damit die Dekarbonisierung des Strassen-ÖV zügig vorankommt.

Effizienter und ressourcenschonender wird der ÖV auch durch digitale Rufbus-Angebote. In Appenzell Innerrhoden zeigen wir schon heute, dass ein per App buchbares Rufbus-System einen starren Taktfahrplan sinnvoll ersetzen kann. Und wer weiss? Vielleicht werden solche Angebote dereinst autonom betrieben.

Ob im Viertelstundentakt auf den Pendlerstrecken der Agglomerationen oder im Freizeitverkehr am Wochenende: Postauto – und damit der ganze öffentliche Verkehr in der Schweiz – wird auch in Zukunft seinen Beitrag leisten für den Zusammenhalt der Schweiz. Denn das Bedürfnis nach Mobilität ist ungebrochen. Das zeigen alle Studien und die wieder stark gestiegenen Verkehrsströme nach der Pandemie.

Zitiervorschlag: Plüss, Christian (2023). Wir verbinden die Schweiz. Die Volkswirtschaft, 12. Dezember.