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CO2-Preis oder Vermögenssteuer für mehr Klimaschutz?

Mit einer Vermögenssteuer den Klimawandel bekämpfen und gleichzeitig die Schere zwischen Arm und Reich schliessen? Klingt vielleicht für manche gut, hat aber viele Tücken. Warum es effizienter ist, einen CO2-Preis einzuführen, um Emissionen zu reduzieren.
Eine Vermögenssteuer stoppt den Klimawandel nicht. Schneemangel in Engelberg als Folge gestiegener Temperaturen. (Bild: Keystone)

Der Klimawandel und die ungleiche Verteilung von Einkommen und Vermögen werden national und international breit diskutiert. Jüngst wurden die beiden Themen miteinander verknüpft: Gemäss Climate Inequality Report[1] könnte man mit einer Vermögenssteuer die Ungleichheit reduzieren und gleichzeitig den Klimawandel bekämpfen, denn die 10 Prozent Top-Einkommensbezieher weltweit – zu denen nahezu alle Schweizer gehören – verursachen rund 48 Prozent der globalen Treibhausgasemissionen.

Doch wie bereits Jan Tinbergen, der erste Träger des Wirtschaftsnobelpreises, aufzeigte, ist es im Regelfall nicht möglich, zwei wirtschaftspolitische Ziele mit nur einem Instrument zu erreichen. Mehr noch: Was sich vermeintlich nach sozialverträglicher Klimapolitik anhören mag, birgt Ineffizienzen, stoppt den Klimawandel nicht und gefährdet die Wohlfahrt. Weshalb ist das so, und wie ginge es besser?

Nicht per se schmutzig

Eine aktuelle Studie[2] berechnet, wie sich weltweite Emissionen seit 1990 auf inländischen Konsum (privat und öffentlich), Investitionen sowie internationalen Handel verteilen. Die Schwierigkeit solcher Berechnungen liegt unter anderem darin, wie Emissionen diesen drei volkswirtschaftlichen Aggregaten und zudem den Einkommensgruppen zugeteilt werden. In der Regel gilt: Wer mehr verdient, konsumiert mehr. Und wer mehr konsumiert, generiert auch mehr CO2. Bei den Investitionen könnte analog unterstellt werden: Wer mehr Vermögen besitzt, investiert mehr und generiert dadurch höhere Emissionen. Der Zusammenhang ist allerdings aus mindestens drei Gründen komplexer.

Erstens: Investitionen sind die Grundlage für die Produktion von Gütern und Dienstleistungen, die von Arm und Reich konsumiert werden. Sinnvoller wäre, CO2-Emissionen aus Investitionen dem tatsächlichen Endverbraucher anzurechnen, nicht jenen, die Kapitaleinkommen aus den Investitionen beziehen oder Investitionen tätigen. Investitionen dienen schlussendlich der Produktion für den Endverbraucher.

Zweitens führen Investitionen nicht unbedingt zu höheren CO2-Emissionen, sondern zu einer höheren Effizienz. Tatsächlich ist seit 1960 die CO2-Intensität der weltweiten Wirtschaftsleistung, also die Emissionen im Verhältnis zur Produktion, jährlich um etwa 1,5 Prozent gefallen.[3] Sprich: Jede Werteinheit wird mit immer weniger CO2 produziert.

Drittens sind viele Investitionen grün oder sollen grün werden (z. B. Investitionen in Wasserstoff). Bei grünen Investitionen geht es zumindest vordergründig darum, eine angemessene Rendite wie auch einen ökologischen Nutzen zu erzielen.[4] Dazu gehören auch Investitionen in die Reduktion von CO2-Emissionen.

Decoupling von BIP und Emissionen

Auch das sogenannte Decoupling gälte es zu berücksichtigen (siehe Abbildung für die Schweiz). Seit den 1990er-Jahren zeichnen sich viele Länder mit positiver Einkommensentwicklung – ausgedrückt als Wachstum im Bruttoinlandprodukt (BIP) pro Kopf – durch sinkende produktions- wie auch konsumbasierte CO2-Emissionen pro Kopf aus. Wachstum und mehr Investitionen sind daher in vielen entwickelten Volkswirtschaften nicht unmittelbar mit mehr CO2-Emissionen verbunden. Dabei lässt sich ausschliessen, dass dieses Decoupling lediglich durch die Verlagerung der Emissionen in produzierende Länder wie China oder Indien erfolgte. So sind nämlich auch die verbrauchsbedingten Emissionen, welche die Emissionen von importierten und exportierten Waren berücksichtigen, zurückgegangen.[5]

Wie und ob eine Vermögenssteuer, bei der die CO2-Intensitäten der ihr zugrunde liegenden Aktivitäten unberücksichtigt bleiben, die Volkswirtschaften weltweit zu grünerem Verhalten lenken könnte, ist unklar. Allgemein haben hohe Steuern auch Kosten:[6] Sie gehen oft mit einem Rückgang von Konsum und Investitionen einher und schmälern das Potenzial für technologischen Fortschritt. Doch sowohl Fortschritt wie auch Investitionen sind ein essenzieller Bestandteil, um den Herausforderungen rund um den Klimawandel zu begegnen. Der Nobelpreisträger William D. Nordhaus hebt dabei hervor, dass CO2-Emissionen global negative externe Effekte sind, die momentan nicht in den Preisen der Güter berücksichtigt werden. Investitionen und technologischer Fortschritt haben ein höheres Wirtschaftswachstum zur Folge, können aber gleichzeitig zu geringeren CO2-Emissionen führen, sofern die externen Effekte richtig internalisiert, das heisst von den Verursachern getragen werden.[7]

BIP und CO2-Emissionen entkoppeln sich (pro Kopf)

INTERAKTIVE GRAFIK

 

Quelle: Our World in Data / Die Volkswirtschaft

Kostenwahrheit als Lösung

Was wäre die bessere Alternative zu Vermögenssteuern, um die Herausforderungen des Klimawandels zu meistern? Die Antwort lautet: Kostenwahrheit.[8] Kostenwahrheit bedeutet, dass die von den heutigen Treibhausgasemissionen verursachten Nettokosten wissenschaftlich geschätzt und den Emittenten ausnahmslos über einen expliziten CO2-Preis in Rechnung gestellt und damit internalisiert werden. Das würde sowohl Produzenten als auch Konsumenten die richtigen Anreize geben, Emissionen zu reduzieren und umweltfreundliche Technologien zu entwickeln.

Wird CO2 in der Produktion bepreist, verteuern sich die Konsumgüter. CO2-Preise sind insofern indirekte Steuern auf Einkommen und Konsum. Eine allgemeine CO2-Bepreisung würde per se die Reichen stärker belasten als die Armen, denn diese konsumieren mehr und emittieren dadurch mehr CO2. Gemäss neusten Schätzungen von William D. Nordhaus liegt der optimale Preis bei 50 bis 55 Dollar pro Tonne CO2 und wird in Zukunft steigen.[9] Heute liegt der Preis pro Tonne CO2 im europäischen Emissionshandel (EU ETS) bei bereits rund 79 Euro, was etwa 86 Dollar entspricht.[10]

Durch Rückverteilung profitieren alle

Die Einnahmen aus einem CO2-Preis lassen sich zudem an die Bürger rückverteilen. Steuern auf Konsum und Arbeit könnten damit gesenkt werden. Neben den positiven Anreizen zur Emissionsminderung senken CO2-Preise das reale Einkommen der Bürger und setzen negative Leistungsanreize. Durch gleichzeitige Steuererleichterungen bliebe Leistung etwa gleich stark besteuert. Oft wird übersehen, dass dank einer CO2-Bepreisung viele der bisherigen klimapolitischen Regulierungen und Subventionen abgeschafft werden können. Von einer solchen Entbürokratisierung würden Bürger, Wirtschaft und Staat stark profitieren.

Eine CO2-Bepreisung ist einer Vermögensbesteuerung dreifach überlegen: Erstens reduziert sie CO2-Emissionen, ohne dabei essenzielle Investitionen in Innovationen zu unterbinden. Zweitens gehen die Einnahmen an die Bürger zurück und setzen – wenn richtig gemacht – Anreize für Arbeit. Zuletzt können kostspielige Regulierungen im Klimabereich reduziert oder ganz rückgängig gemacht werden. So mehrt das Instrument der CO2-Bepreisung die Wohlfahrt der Bürger insgesamt, und genau das ist das Ziel. Wer hingegen mit Vermögenssteuern global umverteilen will, dürfte damit wenig Klimaschutz erreichen.

Selbstverständlich löst Kostenwahrheit das Klimaproblem nur dann, wenn andere Länder mitziehen. Im Unterschied zu einer Klimapolitik mit Vermögenssteuern besteht dafür eine realistische Chance. Denn Kostenwahrheit ist sehr viel günstiger und wirkungsvoller. Deshalb sollte die Schweiz als Vorbild vorangehen, damit andere ihr folgen.

  1. Siehe Chancel, L., Bothe, P. & Voituriez, T. (2023). []
  2. Siehe Chancel, L. (2022). []
  3. Siehe Nordhaus, W. (2018). []
  4. Siehe UN Environment Programme. []
  5. Siehe Our World in Data[]
  6. Für die Schweiz siehe Bodmer, F. (2002). []
  7. Siehe Fremstad, A. et al. (2019). []
  8. Siehe Eichenberger, R. und D. Stadelmann (2020). []
  9. Siehe Barrage, L. und W.D. Nordhaus (2023). []
  10. Siehe Trading Economics (2023). []

Literaturverzeichnis
  • Barrage, L. und W.D. Nordhaus (2023). Policies, Projections, and the Social Cost of Cabon: Results from the DICE-2023 Model. NBER Working Paper 31112.
  • Bodmer, F. (2002). Globalisierung und Steuersystem in der Schweiz, Die Volkswirtschaft, 11-2002, S. 31–35.
  • Chancel, L. (2022). Global Carbon Inequality over 1990–2019. Nature Sustainability 5, S. 931–938.
  • Chancel, L., Bothe, P. & Voituriez, T. (2023). Climate Inequality Report 2023, World Inequality Lab Study 2023/1.
  • Eichenberger, R. und D. Stadelmann (2020). Die politische Ökonomik der Klimapolitik. So wird ein Land mit Kostenwahrheit zum Vorbild beim Klimaschutz. Gaia 3, S. 147–153.
  • Fremstad, A. et al. (2019). Climate Change, Innovation, and Economic Growth: The Contributions of William Nordhaus and Paul Romer. Review of Political Economy 31(3), S. 336–355.
  • Nordhaus, W. (2018). Projections and Uncertainties about Climate Change in an Era of Minimal Climate Policies. American Economic Journal: Economic Policy 10(3), S. 333–360.
  • Trading Economics (2023). EU Carbon Permits.
  • Z/Yen (2021). Seventh Global Green Finance Index (GGFI 7).

Bibliographie
  • Barrage, L. und W.D. Nordhaus (2023). Policies, Projections, and the Social Cost of Cabon: Results from the DICE-2023 Model. NBER Working Paper 31112.
  • Bodmer, F. (2002). Globalisierung und Steuersystem in der Schweiz, Die Volkswirtschaft, 11-2002, S. 31–35.
  • Chancel, L. (2022). Global Carbon Inequality over 1990–2019. Nature Sustainability 5, S. 931–938.
  • Chancel, L., Bothe, P. & Voituriez, T. (2023). Climate Inequality Report 2023, World Inequality Lab Study 2023/1.
  • Eichenberger, R. und D. Stadelmann (2020). Die politische Ökonomik der Klimapolitik. So wird ein Land mit Kostenwahrheit zum Vorbild beim Klimaschutz. Gaia 3, S. 147–153.
  • Fremstad, A. et al. (2019). Climate Change, Innovation, and Economic Growth: The Contributions of William Nordhaus and Paul Romer. Review of Political Economy 31(3), S. 336–355.
  • Nordhaus, W. (2018). Projections and Uncertainties about Climate Change in an Era of Minimal Climate Policies. American Economic Journal: Economic Policy 10(3), S. 333–360.
  • Trading Economics (2023). EU Carbon Permits.
  • Z/Yen (2021). Seventh Global Green Finance Index (GGFI 7).

Zitiervorschlag: Melanie Häner, Marco Portmann, David Stadelmann (2024). CO2-Preis oder Vermögenssteuer für mehr Klimaschutz. Die Volkswirtschaft, 16. Januar.