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Effizient ist nachhaltig, sagt die Ökonomie

Knappe Ressourcen möglichst effizient einsetzen – das ist der Kern der Volkswirtschaftslehre. Wer also ökonomisch handelt, trägt zu einer nachhaltigen Entwicklung bei.
Tröpfchenbewässerung ist effizient: Sie reduziert den Wasserverbrauch und spart Geld. (Bild: Keystone)

Funktionierende Märkte führen gemäss der Volkswirtschaftslehre zu einer effizienten Ressourcenallokation. Das bedeutet einerseits: Es liegt eine Situation vor, wo kein Individuum bessergestellt werden kann, ohne ein anderes schlechterzustellen. Andererseits sind die Ressourcen möglichst schonend eingesetzt. Damit Märkte dieses optimale Ergebnis hervorbringen, müssen allerdings bestimmte Bedingungen erfüllt sein. So dürfen keine Externalitäten bestehen, es muss perfekter Wettbewerb herrschen, und die Akteure müssen vollständige Information haben sowie rational handeln. Zugegeben: Diese Bedingungen sind in keinem Markt vollständig erfüllt. Die empirische Wirtschaftsforschung zeigt aber: Je mehr dieser Bedingungen zutreffen, desto eher führen Märkte zu einer effizienten Allokation.

Entsprechend zentral ist die ökonomische Sicht auf Knappheitsprobleme: beispielsweise bei knappen Rohstoffen oder bei der beschränkten Fähigkeit unserer Atmosphäre, Treibhausgase aufzunehmen. Die Ressortforschung des Staatssekretariats für Wirtschaft (Seco) nimmt sich deshalb dieses Themas mit insgesamt fünf Studien an (siehe Kasten) und fragt: Welche Hemmnisse verhindern eine effiziente Allokation knapper Ressourcen und damit ihre nachhaltige Nutzung?

Preise zeigen Knappheit an

Preise haben in einer Ökonomie eine Schlüsselfunktion: Hohe Preise deuten auf Knappheit hin und setzen den Marktteilnehmenden Anreize, weniger von diesem Gut zu konsumieren. Können Preise diese Funktion nicht erfüllen, so ist ein weniger effizientes und daher auch weniger nachhaltiges Ergebnis die Folge. Dieses Problem besteht beispielsweise im Schweizer Strommarkt. In perfekten Märkten wäre eine Energiemangellage nicht möglich. Denn: Übersteigt die Nachfrage das Angebot, würden die Preise steigen und die Nachfrage entsprechend sinken. Der Markt würde schnell zu einem neuen Gleichgewicht finden.

Doch in der Realität reagiert die Stromnachfrage der Endkunden in der kurzen Frist kaum. Denn die Preise für die Stromkunden in der Grundversorgung sind reguliert und ändern nur einmal jährlich. Ein Anstieg der Stromhandelspreise während des Jahres führt bei den Kunden in der Grundversorgung daher zu keiner verringerten Nachfrage. Die von uns in Auftrag gegebene Studie von Swiss Economics im Rahmen der Ressortforschung 2023/24 zeigt, dass auch viele Unternehmen im freien Markt Stromlieferverträge abgeschlossen haben, welche die Strompreise auf mehrere Jahre hinaus fixieren. Flexible Preise bestehen nur bei wenigen sehr grossen Verbrauchern.

Preissignale wirken daher fast ausschliesslich bei den Stromproduzenten. Allerdings können auch sie die Kapazitäten nicht von heute auf morgen ausbauen. Das starre Angebot und die unflexible Nachfrage führen bei Angebotsausfällen in der kurzen Frist zu starken Preisanstiegen auf dem Grosshandelsmarkt, wo die Stromversorger tätig sind. Die Energiekrise 2022 hat das gezeigt. Aber auch mittelfristig sind die Folgen kostspielig: Für einen möglichen Engpass wird rund um die Uhr zusätzliche Angebotskapazität bereitgehalten. Teilweise besteht diese Zusatzkapazität aus gespeicherter Wasserkraft, teilweise aus Erdgas und Diesel wie beim neuen Reservekraftwerk im aargauischen Birr.

Die Studie von Swiss Economics zeigt jedoch, dass die Konsumenten durchaus auf Preisänderungen reagieren. Flexiblere Vertragsmodelle könnten daher zu einer effizienteren Nutzung von Strom beitragen. Im Verkehrssektor funktionieren die Preissignale bereits heute, wie die Studie der Fachhochschule Graubünden zeigt: Zwar führen höhere Treibstoffpreise kurzfristig kaum zu weniger Strassenverkehr, langfristig befördern sie jedoch den Umstieg auf verbrauchsärmere Fahrzeugtypen oder E-Autos.

Funktionierende Preissignale haben also das Potenzial, die Energieeffizienz der Schweiz weiter zu erhöhen. Denn die Schweiz ist in Sachen Energieeffizienz bereits Europameisterin: Kein Land erwirtschaftet eine Einheit Wertschöpfung mit weniger Energie. Das gilt insbesondere im verarbeitenden Gewerbe, wie die Studie von DIW Econ zeigt.

Ist Handel nachhaltig?

Ein funktionierender und offener Handel ist für eine effiziente Ressourcenallokation eine weitere zentrale Voraussetzung. Denn einerseits erlaubt Handel eine Spezialisierung der Produktion mit entsprechenden Skaleneffekten, sodass bestehende Ressourcen effizienter eingesetzt werden können. Andererseits stärkt Handel die Verbreitung von neuen Technologien und damit den technologischen Fortschritt. Beides hilft, entsprechend auch die Treibhausgasemissionen zu reduzieren. Umgekehrt ist denkbar, dass der Handel eine Verlagerung emissionsintensiver Tätigkeiten in Länder mit tieferen CO2-Preisen begünstigt.[1] Zudem führt Handel unweigerlich zu einem höheren Transportaufkommen mit entsprechenden Mehremissionen, auch wenn der Anteil des Transports an den gesamten Treibhausgasemissionen der Produkte sehr gering ist.[2]

Den Nettoeffekt von Handel auf die Emissionen insgesamt empirisch zu schätzen, ist schwierig. Die Studie von Ecoplan erlaubt jedoch eine detaillierte Analyse sowie Simulationen der in den Schweizer Importen und Exporten enthaltenen Emissionen. Die Studie zeigt beispielsweise, dass sich die Handelsstruktur auch bei einer globalen CO2-Abgabe kaum ändern würde, was darauf hindeutet, dass die Schweizer Handelsstruktur bezüglich Treibhausgasemissionen bereits relativ effizient ist.

Mehr Lohn und Freizeit dank höherer Effizienz

Schliesslich führt eine effizientere Ressourcenallokation durch erhöhte Produktivität auch zu Wohlstandsgewinnen. Doch wie verteilen sich die realisierten Wohlstandsgewinne in der Schweiz?

Produktivitätsgewinne können höhere Reallöhne, höhere Kapitalgewinne oder auch mehr Freizeit für die Bevölkerung bedeuten. Die Studie von BSS, Michael Siegenthaler und Reto Föllmi zeigt: Die Produktivitätsgewinne der letzten 70 Jahre gingen nicht nur in die Taschen der Unternehmensbesitzer. Im Gegenteil: Ein zunehmender Anteil floss in einen Anstieg der Reallöhne und ermöglichte mehr Freizeit für die Arbeitnehmenden.

Die von uns in Auftrag gegebenen fünf Studien zeigen: Die Volkswirtschaftslehre kann dazu beitragen, die richtigen Spielregeln zu finden, damit der Umgang mit knappen Ressourcen effizient und nachhaltig ist. Die Nachhaltigkeit zeigt sich hier in allen drei Dimensionen: Weniger Emissionen nützen der Umwelt, mehr Ressourceneffizienz und geringere Kosten sind wirtschaftlich nachhaltig, und wie die letzte Studie zeigt, profitiert von mehr Freizeit und mehr Lohn letztlich auch die soziale Nachhaltigkeit.

  1. Bislang findet die empirische Literatur allerdings kaum Nachweise dafür. Siehe bspw. Copeland, Shapiro und Taylor (2022). Globalization and the Environment, S. 71ff oder auch die Ausführungen in Ziffer 2.1 des Berichts «Auswirkungen von CO2-Grenzausgleichsmechanismen auf die Schweiz» des Bundesrats in Erfüllung des Postulats 20.3933 APK-N. []
  2. Die Studie von Ecoplan zeigt, dass die transportbedingten Emissionen der importierten Güter nur 4 bis 5% aller im Handel enthaltenen Emissionen ausmachen. Relevanter sind die Produktionsmethoden der Güter. Siehe dazu auch Mathilde Le Moigne (2022). Ökologisch hergestellt ist besser als lokal produziertDie Volkswirtschaft, 9. Dezember. []

Zitiervorschlag: Timothey Nussbaumer, Ronald Indergand (2024). Effizient ist nachhaltig, sagt die Ökonomie. Die Volkswirtschaft, 22. Februar.

Schwerpunktthema der Seco-Ressortforschung 2023/24

Dieser Artikel ist im Rahmen der Ressortforschung des Staatssekretariats für Wirtschaft (Seco) entstanden. Dafür hat das Seco fünf Studien zum Themenbereich «Effiziente Ressourcennutzung» in Auftrag gegeben und publiziert. Die Erkenntnisse aus den übrigen Studien finden Sie in unserem Schwerpunkt «Effizientes Wirtschaften ist nachhaltig».